Die Kaiserkrönung Karls zu Weihnachten 800 provozierte einen Konflikt mit Byzanz, das seinen Herrschaftsanspruch gefährdet sah. Erst im Vertrag von Aachen, der 812 geschlossen wurde, erkannte der byzantinische Kaiser Michael I. (reg. 811 – 813) Karl als Kaiser an. Dies kostete den Franken allerdings Venetien, Istrien und Dalmatien.
An der Zugehörigkeit Istriens zur Mark Aquileia sollte sich bis zur Schwelle vom Frühmittalter bis zum Hochmittelalter nichts ändern. Otto I. (ab 936 König und von 962 – 973 Kaiser) vergab die Mark im Jahr 952 an das durch seinen jüngeren Bruder Heinrich I. von 948 bis 955 regierte Herzogtum Baiern. Die heutige Schreibweise Bayerns wurde erst im 19. Jh. eingeführt. Dies war ein großer Vertrauensbeweis Ottos, hatte doch sein Bruder mehrfach versucht, die Macht im Reich an sich zu reißen und ihn zuletzt 941 sogar zu ermorden.
Auch der Nachfolger Heinrichs I., Heinrich II. – der Zänker (nomen est omen) – (reg. 955 – 976; 985 – 995) suchte den Konflikt mit dem Kaiser. Als Resultat seiner Bestrebungen wurde sein Herzogtum Baiern zerschlagen; u. a. entstand nun das Herzogtum Kärnten, das im Spätmittelalter für die istrische Geschichte eine wichtige Rolle spielen sollte.
Vom Hochmittelalter bis zu Neuzeit
Unter Heinrich III. (König 1039 – 1056, Römisch-Deutscher Kaiser 1046 – 1056) wurden die Marken neu geordnet. Dabei kam es zur Abtrennung Istriens von Friaul. Diese neue Mark bestand bis 1208 und wurde durch verschiedene deutsche Adelsgeschlechter regiert, die aber teilweise kaum ihre Macht ausübten. In diesem Jahr kassierte Otto IV. (1198 – 1218) die Mark und vergab sie an Herzog Ludwig von Baiern, der sie an das Patriarchat von Aquileia übertrug.
In unserem historischen Überblick fehlt bisher eine der bedeutendsten Mächte des Mittelalters und der frühen Neuzeit, die auch in Istrien eine überaus wichtige Rolle spielte: Venedig. Um diese Macht zu verstehen, bedarf es eines kurzen Rückblicks in die Geschichte des frühen Mittelalters.
In der ersten Hälfte des 7. Jhs. hatten die Langobarden ihr Herrschaftsgebiet auf die noch zum Byzantinischen Reich gehörenden Küstenregionen der nördlichen Adria ausgedehnt. Kirchliche und weltliche Eliten sowie ein großer Teil der Bevölkerung aus den eroberten Gebieten zogen sich auf die Inseln der Lagune zurück und gründeten neue Siedlungen, die weiterhin unter byzantinischer Herrschaft standen. Insofern waren diese Siedlungen, aus denen Venedig entstehen sollte, auch nicht von den Auseinandersetzungen des 8. und 9. Jhs. abgekoppelt. Anders als viele andere Städte sollte Venedig aber davon profitieren. Spätestens im frühen 10. Jh. hatte die Stadt ihre Unabhängigkeit von Byzanz erreicht und richtete nun auch ihre Politik neu aus: Man wandte sich dem Seehandel zu und verstand sich dabei als Mittler zwischen Abend- und Morgenland.
Der Seehandel war es aber auch, der Venedig dazu zwang, seine Handelsrouten zu sichern, indem man entlang der Küsten Stützpunkte anlegte. Oft genug gelang dies nur mit Gewalt. Sichere Häfen waren nötig, weil die mittelalterliche Seefahrt küstengebunden war und die Schiffe der Venezianer überwiegend Galeeren waren, welche für die vielen Menschen an Bord weder ausreichend Proviant noch Wasser mit sich führen konnten.
Spätestens nach der Eroberung Konstantinopels 1204 durch die Kreuzritter war Venedig zur dominierenden Macht des Mittelmeers geworden, der nur noch durch die Republik Genua Konkurrenz erwuchs. Für Istrien bedeutete der Aufstieg Venedigs eine sukzessive Eroberung der Städte entlang der Küste.
Venedigs Versuche, auch Inneristrien vollständig zu erobern, scheiterten, weil um die Mitte des 14. Jhs. das Haus Habsburg langsam mit dem Territorialerwerb in Istrien begann. Ein wichtiger Baustein war dabei die Übernahme Pazins von den Grafen von Görtz und der Einrichtung der Grafschaft Mitterburg (s. S. 136). Die habsburgische Macht wuchs, als im Jahr 1527 das kroatische Parlament – ein Königreich Kroatien war im 9. Jh. im dalmatinischen Raum entstanden – dem Haus Habsburg die kroatische Königskrone anbot. Als Grund dafür darf man sicher annehmen, dass die Kroaten sich durch ihren neuen Herrscher Schutz vor den immer wieder angreifenden Türken erhofften, die seit der Eroberung Konstantinopels versuchten, das christliche Abendland ihrem Reich zuzufügen.
Natürlich waren die Habsburger bestrebt, ihren Besitz auf die venezianischen Küstenregionen auszudehnen. Dies gelang aber nicht. Im späten 18. Jh. sollte für Istrien zunächst eine wechselvolle Geschichtsphase beginnen, die ihren Ausgangspunkt in der Französischen Revolution nahm. Die europäischen Großmächte – allen voran Österreich – sahen in der Republik eine Gefährdung des eigenen Status und hatten Frankreich den Krieg erklärt. Im „Ersten Koalitionskrieg“ (1792 – 1797) gelang es General Bonaparte mit seinem Italienfeldzug die Österreicher schwer zu treffen, weil er Oberitalien erobern konnte. Im Frieden von Campo Formio, einem Ort in Venezien, musste Österreich seine Besitzungen am linken Rheinufer an Frankreich abtreten, erhielt aber dafür Territorien in Italien, u. a. auch das Gebiet der Republik Venedig, die damit 1797 unterging. So kam ganz Istrien an das Haus Habsburg. Diese Situation war aber keineswegs stabil. Nach dem „Dritten Koalitionskrieg“ verlor Österreich im Frieden von Preßburg (1805) alle italienischen Besitzungen. Diese wurden dem inzwischen entstandenen Königreich Italien zugeschlagen und man schuf ganz nach französischem Muster ein Département Istrien mit der Hauptstadt Koper. Bald darauf – im Jahr 1809 – entstand die Illyrische Provinz, die aus Teilen Kärntens und Sloweniens, Triest, Istrien und Dalmatien zusammengefügt wurde.
Nach Napoleons katastrophaler Niederlage in Russland (1812) setzte auf breiter Front der Widerstand gegen Frankreich ein. In den Befreiungskriegen (1813 – 1815) gelang es Österreich, die ehemaligen Gebiete in Italien, so auch Istrien, zurückzuerobern. Dieser Status wurde durch den Wiener Kongress (1815) bestätigt.
Um die Mitte des 19. Jhs. entwickelte sich Istrien nachhaltig. Militärgarnisonen wurden angelegt, die Industrialisierung setzte ein und viele Orte dienten der besseren Gesellschaft der österreichisch-ungarischen Monarchie als Sommerdomizil. Ein besonderes Beispiel dafür ist Opatija, an der Ostküste der Istrischen Halbinsel gelegen. Noch heute prägen Bauwerke des Historismus und des Jugendstils sowie prächtige Parkanlagen das Bild der Stadt. Auch den Status eines „touristischen Hotspots“ in Istrien konnte der Ort bewahren; in den Sommermonaten wird es schwierig, ohne Reservierung ein Hotelzimmer zu bekommen.
Mit Beginn des Ersten Weltkriegs wurden auch für Istrien die Karten neu gemischt. Während des ersten Kriegsjahres hatte keine der Konfliktparteien – vor allem im Westen – wirklich Erfolge erzielen können. Daher versuchte man von Seiten der Alliierten, also im Wesentlichen Großbritannien und Frankreich, neue Bündnispartner zu gewinnen. Im Frühjahr 1915 überredeten sie das Königreich Italien zum Kriegseintritt und versprachen dafür die österreichischen Gebiete, u. a. auch Triest und Istrien.
Über einzelne Kriegsaktionen zu berichten, wäre fehl am Platze. Wichtiger sind vielmehr die Ergebnisse des Krieges. Wie 1915 versprochen, erhielt Italien im Vertrag von Saint Germain-en-Laye (1919) die uns hier interessierenden Gebiete. Abgesichert wurde dies noch im Vertrag von Rapallo (1920), der die Grenzziehung zwischen Italien und dem 1918 gegründeten Königreich Jugoslawien regelte.
Als im Jahr 1922 Mussolini und damit der Faschismus in Italien an die Macht kam, sollten für die territorialen Neuerwerbungen große Probleme auftauchen. Mussolini wollte einen durch und durch italienischen Staat; dazu dienten Zwangsmaßnahmen. In Istrien und auch in Dalmatien – Gleiches gilt ebenso für das deutschsprachige Südtirol – wurden massiv Italiener angesiedelt und gegenüber der ansässigen Bevölkerung repressiv vorgegangen.
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