Einige Jahre nach seinem Sieg führte Augustus eine Verwaltungsreform durch, die Italien in zehn Regionen gliederte. Istrien kam dabei zur Regio × Venetia et Histria . Mit dieser Zuweisung boten sich der Region Entwicklungsmöglichkeiten, die in den Provinzen nicht vorhanden waren.
Vor allem die Nachbarschaft zu Aquileia war es, die das Wirtschaftsleben Istriens beeinflusste. Aber es entstanden auch zahlreiche Häfen, die die Region mit dem Handelsnetz des Imperiums verknüpften. Dazu zählen das heute in Italien liegende Triest (s. S. 24), das slowenische Koper (s. S. 33) oder die kroatischen Orte Umag (s. S. 42), Novigrad (s. S. 44) und Rovinj (s. S. 67). Es entwickelte sich einiger Wohlstand, der vor allem auf der Landwirtschaft beruhte. Die wichtigsten Produkte waren dabei Wein und Öl. Deren Rolle wird heute in einer eigenen Ausstellung in den Substruktionen des Amphitheaters von Pula dargestellt.
Die Quellen überliefern für Istrien große Landgüter der römischen Oberschicht bis hin zur kaiserlichen Familie, so etwa die Güter des aus dem illyrisch-dalmatischen Raum stammenden M. Vipsanius Agrippa (64/63 – 12 v. Chr.), der nicht nur Freund, sondern auch Schwiegersohn des Augustus war, und dessen Vertrauten Maecenas (um 70 – 8 v. Chr.). Die Bedeutung Istriens für die Reichen Roms lässt sich besonders an der Zahl der gefundenen villae maritimae verdeutlichen. Allein am kroatischen Teil der Westküste wurden sechs Fundstellen mit teilweise mehreren Villenanlagen ausgegraben (s. S. 98).
Im Laufe der Kaiserzeit durchlebte Istrien die gleichen kleinen und großen Katastrophen, aber auch die glücklichen Zeiten Italiens. Die veränderte Weltlage hatte schon im 3. Jh. n. Chr. zeitweise dazu geführt, dass das Imperium zugunsten einer besseren militärischen und zivilen Verwaltung geteilt wurde. Auch Kaiser Theodosius I. (reg. 379 – 395 n. Chr.) regierte ein Reich, das sowohl innen- als auch außenpolitisch vor großen Problemen stand. Aus diesem Grund teilte er auf seinem Sterbebett das Imperium unter seinen Söhnen Arcadius und Honorius auf. Die Grenzlinie durchzog das Mittelmeer westlich der Kyrenaika in Afrika und durchschnitt die Balkanprovinzen. Istrien verblieb zunächst unter der Herrschaft des weströmischen Kaisers, beginnend mit Honorius. Später geriet es in den Einflussbereich Ostroms. Damit war das Ende der Antike eingeleitet.
Das 5. Jh. n. Chr. war eine Zeit des Umbruchs. Alte Traditionen mussten aufgegeben werden: Rom verlor seinen Status als Regierungssitz; Ravenna wurde 404 n. Chr. zur Hauptstadt.
Großen Anteil am Umbruch der antiken Welt hatte die „Völkerwanderung“. Unter den „barbarischen Völkern“ fanden sich auch die Ostgoten, die nach 453 n. Chr. in Pannonien, also in unmittelbarer Nachbarschaft zur oströmischen Provinz Dacia , siedelten und so zur unmittelbaren Gefahr für Ostrom werden sollten. Schon bald plünderten sie unter der Führung Theoderichs den Balkan.
Ein ganz anderes Problem hatte sich in Italien entwickelt. Im Jahr 476 n. Chr. hatte Odoaker, ein germanischer Heerführer, den letzten weströmischen Kaiser, Romulus Augustulus, abgesetzt und sich zum Herrn Italiens aufgeschwungen.
Beide Probleme konnte man in Konstantinopel nicht tolerieren und suchte nach einer Lösung. Kaiser Zenon (reg. 474 – 475, 476 – 491 n. Chr.) ging nach der Devise vor, den Feind seines Feindes zum Freund zu machen: Theoderich wurde 488 n. Chr. zum magister militium und patricius Italiae ernannt. In dieser Funktion konnte er kaum noch im Reichsgebiet plündern und zum anderen musste er das lästige Problem mit Odoaker beseitigen.
Konstantinopel hatte sich allerdings gründlich geirrt, was die Pläne Theoderichs anging. Dieser schuf das Ostgotenreich und nahm den Königstitel an (reg. 493 – 526 n. Chr.). Das Reich umfasste ganz Italien, das heutige Kroatien und weite Teile des Balkans. Für Istrien bedeutete dies eine enge Verbindung zu den oberitalischen Zentren wie Ravenna und Aquileia.
Frühmittelalter – Byzantiner, Franken und Slawen
Den Ostgoten gelang es, bis ins Jahr 553 ihre Herrschaft zu behalten. Die Ursachen für den Untergang des Ostgotenreiches in Italien waren vielfältig und überwiegend auf die Ostgoten selbst zurückzuführen. Die Nachfolge Theoderichs stand auf schwachen Füßen, weil sein Enkel Athalarich unmündig war und seine Mutter Amalsuntha die Regentschaft ausübte. Als dieser 534 starb, setzte Amalsuntha Theodad als Mitregenten ein, der nichts Eiligeres zu tun hatte, als sie ermorden zu lassen. Er leitete damit eine Phase der Instabilität ein.
Ein anderes Problem bestand darin, dass die Ostgoten nur einen kleinen Teil der Bevölkerung Italiens ausmachten und auch wenig Interesse daran zeigten, auf die einheimische (römische) Bevölkerung zuzugehen. So hatte Theoderich etwa ein Heiratsverbot zwischen dem eigenen Volk der Goten und den Römern erlassen. Trennend war aber auch die Konfession. Auf der einen Seite standen die Goten als Arianer, auf der anderen die Römer mit ihrem katholischen Bekenntnis.
Konstantinopel hatte diese Situation längst erkannt und ein Kaiser mit der Tatkraft Justinians (reg. 527 – 565), der von einer Wiederherstellung des Römischen Reiches in seinen alten Grenzen träumte, nutzte die Lage aus. In langen, heftigen Kriegen (535 – 553) konnte Ostrom weite Teile Italiens zurückgewinnen, so auch Istrien.
Die byzantinische Renaissance – wenn man zu diesem Zeitpunkt überhaupt schon von einem Byzantinischen Reich sprechen darf – fand ihren deutlichsten Ausdruck in zahlreichen Kirchenbauten in Istrien. Ein bedeutendes Beispiel ist etwa die Euphrasius-Basilika zu Poreč (s. S. 50).
Die Macht des Byzantinischen Reiches war gegen Ende des 6. Jhs. aber so geschwächt, dass die Langobarden 568 nach Istrien eindringen konnten. Weitaus problematischer war jedoch das Vordringen der Slawen und Awaren in das Byzantinische Reich. Dies zeigt die Belagerung Konstantinopels im Jahr 626, auch wenn diese nicht erfolgreich war.
Der byzantinische Kaiser Mauricus (reg. 582 – 602) erkannte, dass sein Reich einer grundlegenden Reform bedurfte. Für seine Territorien in Nordafrika und Italien, die er wohl als besonders gefährdet ansah, führte er eine neue Verwaltungsstruktur ein: das Exarchat. Der Amtsinhaber, der den Titel exarchos oder patricius et exarchus trug, war der direkte Vertreter des Kaisers und verfügte daher über umfassende Vollmachten. Dazu gehörten die Verwaltung, die Verteidigung, aber auch der Einfluss auf die Kirchenpolitik.
Die früheste Erwähnung des Exarchats von Ravenna, das in unserem Kontext eine wichtige Rolle spielt, fällt in das Jahr 584. Sowohl die ständigen Auseinandersetzungen mit den Langobarden als auch die Fokussierung auf eigene Interessen schwächten im 7. und 8. Jh. die Macht des Exarchen. Außerdem verlagerten sich die Interessen des byzantinischen Kaisers nach Süditalien. Im Jahr 751 eroberten die Langobarden schließlich Ravenna, was gleichbedeutend war mit dem Ende des Exarchats. Dies hatte natürlich auch Auswirkungen auf Istrien, das ebenfalls langobardisch wurde.
Im Laufe des 8. Jhs. trat jedoch eine gänzlich neue Situation ein: Karl der Große (reg. 768 – 814) hatte 773/4 das Reich der Langobarden in Italien und den angrenzenden Gebieten erobert, nachdem er vom Papst um Hilfe gebeten worden war. Damit ergab sich ein Konfliktpotential zu den Awaren, die nun fränkisches Reichsgebiet bedrohten. In mehreren Feldzügen zwischen 791 und 796 konnte Karl die Awaren schlagen. Große Teile der von ihnen besiedelten Gebiete, so Istrien, gerieten unter fränkische Herrschaft. Organisatorisch gehörte Istrien ab 803 zur fränkischen Mark Friaul. Bedeutend für die weitere Geschichte Istriens sollten die Jahre 827 bis 829 sein, weil zunächst das Patriarchat von Aquileia die kirchliche Gewalt über Istrien erhielt und zum anderen die alte Mark Friaul aufgelöst wurde. Ersetzt wurde sie durch die Mark Aquileia.
Читать дальше