Ich spähte hinaus auf die Bergzüge und umklammerte die Stäbe.
Auf diesem Planeten galt ich als Tier. Ich musste gehorchen, war gebrandmarkt und konnte mit einem Halsreif versehen werden. Man durfte mich kaufen und verkaufen. Mit mir geschah, was anderen im Sinn stand. Ich war auf diese Welt entführt und zu diesem Schicksal berufen worden.
Die Berge dort draußen sahen wunderbar aus.
Ich hätte gern gewusst, wo ich mich aufhielt. Betrübt war ich nicht.
Träge schob ich einen Arm zwischen die Gitter und streckte mich nach der Bergkette aus, sie war wirklich traumhaft schön. Danach zog ich den Arm zurück und hielt mich wieder am Metall fest, ich hatte keine Wachen oder Wärter entdeckt. Nachdem ich einen Schritt zurückgetreten war, zog ich die knappe Tunika hinunter, wodurch sie sich kurzzeitig straff über meinen Körper spannte. Dieser Vorgang, das Zupfen am Stoff, wie ich es gerade tat, verbunden mit einem schüchternen Gesichtsausdruck und entsprechend zögerlichem Gebaren kann als Provokation aufgefasst werden. Man verhält sich scheinbar zimperlich, betont dabei jedoch seine Figur. Auf diese Weise gibt ein Land seine Schätze preis und lädt quasi zu seiner Eroberung ein. Übrigens waren mir solche Gedanken bereits auf meinem Heimatplaneten durch den Kopf gegangen, obwohl ich mich dort nie so benommen hatte. Die passenden Kleider dazu hatte ich praktisch nur in meinen Träumen besessen, ganz zu schweigen von dem Umstand, dass ich dort ein Mensch gewesen war und kein Tier. Wen hätte ich so überhaupt aufstacheln können? Falls es auf Erden jemanden gab, der sich meiner hätte annehmen können, so bin ich ihm nie begegnet. Soweit ich weiß, war ich nicht angerührt worden, seitdem ich das Haus meiner Ausbilder verlassen hatte. Das Betäubungsmittel, vielleicht waren es auch unterschiedliche Drogen, hatte die Bedürfnisse meines Körpers weitestgehend unterdrückt. Doch jetzt, da es nicht mehr wirkte, war ich nicht nur wach und bei vollem Bewusstsein, sondern auch hungrig. Ich hätte mich bereitwillig an das Gitter gekniet, die Hände durchgestreckt und um etwas zu essen gebettelt. Wahrscheinlich hätte ich mich dabei nicht großartig anstrengen müssen. Die Wachleute im Haus hatten viel für mich übrig. Zumindest waren sie regelmäßig über mich hergefallen. Ohnehin wetteifern Frauen wie ich oft um die Berührungen von Männern. Möglicherweise sollten wir teilen, doch jede will eben auskosten, was sich für sie auftut, also legen wir uns entsprechend ins Zeug, um nicht zu kurz zu kommen. Die bittersten Kämpfe entbrennen zumeist zwischen »Schwestern«. Im Haus und in der Ausbildung hatte ich dabei einen offensichtlich ungewöhnlich großen Erfolg erzielt. Abgesehen von meinem unabhängigen Interesse an Männern bezweifle ich nicht, dass dieser Erfolg vor allem mit den raschen Fortschritten zusammenhing, denn ich zeigte mich stets bereit und lüstern. Diese Entwicklung war definitiv von Dauer und nicht mehr umkehrbar. Aufgrund meiner immer heftigeren Begierde und Hitze, weil ich meine Empfänglichkeit nicht kontrollieren konnte und in den Armen von Männern schwach wurde, wurde mir der allgemeinen Meinung zufolge wohl speziell zum Ende jener Zeit hin weit mehr Aufmerksamkeit zuteil, als meiner angemessen war. Dies störte die Ausbildung der anderen bis zu einem gewissen Grad und machte mich unter meinen Mitschülerinnen logischerweise nicht beliebter. Bisweilen steckte ich Schläge ein, und zweimal verprügelte man mich gründlich. Zu meiner Betrübnis hatte man die Wachen kurz vor meiner Entlassung sogar dazu gebracht, mich zu meiden. Ich konnte sie nicht mehr mit meinem Duft und Eifer von ihren Aufgaben ablenken, nicht mehr damit locken, wie leicht ich mich verführen ließ und weder mit meiner Schönheit kokettieren noch dringlich flehen. Ich schien bereit zu sein, meine Ausbildung abzuschließen, zumal es für die Männer galt, auch in anderen Bäuchen Feuer zu schüren. Die übrigen Mädchen mussten gleichsam zum Verlassen des Hauses fertiggemacht werden. Natürlich ignorierte man mich nicht gänzlich, da ich extrem darunter gelitten hätte, sondern beschränkte bloß meinen Gebrauch, rationierte mich also gewissermaßen. Offengestanden hielten sich aber nicht alle Wachen an die betreffenden Pläne und Warnungen. Wiederholt weckte mich nachts, wenn die anderen schliefen, ein leises Pochen am Gitter, woraufhin ich aus dem Zwinger gelassen wurde, um gleich davor im Schein einer dämmerigen Laterne zu dienen, bevor man mich wieder einsperrte. So dankbar ich hinausgekommen war, so widerwillig kroch ich stets zurück.
Jetzt hielt ich mich weiter an den Stäben fest und strahlte.
An diesem Ort musste es Männer ähnlich derer geben, die ich im Haus kennengelernt hatte.
Ich erinnerte mich daran, wie man die Wachen während der letzten Tage der Ausbildung meinetwegen scheu gemacht hatte. Zumindest rückblickend stimmte es mich heiter. Was die anderen Mädchen betraf, so wurden den Angestellten keine solchen Einschränkungen auferlegt. Sie galten einzig für mich! Wie besonders fühlte ich mich deswegen, und oh wie innig verlangte ich nach den Wachmännern! Ich flehte sie auf ergreifende Weise an – und wie ungeduldig, wie weinerlich konnte ich betteln, falls ich nicht schnell genug befriedigt wurde. Häufiger als einmal rutschte ich auf dem Bauch herum, küsste Füße und weinte, während ich darum bat, angefasst zu werden. Generell brauchte ich mich aber nicht zu bemühen, um zum Zuge zu kommen. Nicht wenige nannten mich eine Verführerin. In meiner Hitze hatte ich mich nach ihnen gesehnt, und sie waren Kraft ihrer Hoheit dazu übergegangen, sich regelmäßig an mir gütlich zu tun. Oh ja, ich war lüstern und hübsch dazu, von meiner schnellen Auffassungsgabe ganz zu schweigen. Bei meinen Unterrichtseinheiten schloss ich ausgezeichnet ab und gehörte gewiss zu den besten Schülerinnen. Trotzdem sollten sich die Wachen vor mir in acht nehmen! Was konnte ich dafür, dass ich so goldig aussah, wenn ich vor ihnen kniete? War es meine Schuld, dass sie sich für mich interessierten, fahrig wurden oder ihre Pflichten vernachlässigten? Sie mussten doch keine zusätzliche Zeit mit mir verbringen, sondern entschieden sich freiwillig dafür! Ich lachte, denn ich war sehr beliebt unter ihnen. Die einzige Ausnahme stellte jener Mann dar, der mich zum ersten Mal eine Peitsche küssen ließ und hinterher böse schikanierte, aber was interessierte mich das? Wer scherte sich schon um ihn? Ich war ein außergewöhnliches Mädchen, sonst hätten sie die Wachen zum Schluss nicht gemahnt, Abstand vor mir zu wahren. Sie durften sich nicht von meinem Quengeln und meinen optischen Reizen irreleiten lassen. Ich war bereit und hitzig, noch ehe man mir die Handschellen abnahm. Andere harrten ihrer Ausbildung, also hinaus mit mir!
Ich traute mir zu, jedem Mann gerecht zu werden, den ich an diesem Ort antreffen mochte. Hatte man mich nicht bewertet und bewusst gekauft, damit ich hier diente?
Ich war doch ausgebildet!
In meiner alten Welt war ich mir häufig nicht sicher gewesen, wie ich mich Männern gegenüber verhalten und auf sie beziehen sollte. Immerhin hatte ich einen Begriff vom Regelwerk der Neutralität und den unsinnigen, sich selbst widersprechenden Lehren von geschlechtlicher Gleichheit, propagiert von Menschen, die in etwa so viel von Logik besaßen wie Afterdrüsen. Nicht zu vergessen die pathetischen Absurditäten des sogenannten Peronismus – alles Fiktion, Lug und Täuschung, dünner spröder Kitt, der unsere flammende, tief greifende Unterschiedlichkeit verbergen sollte, die Realität der Sexualität eines jeden. Oh, wie es mich ermüdete und frustrierte, nur als Oberfläche zu dienen, ganz ohne Innenleben oder persönliche Wirklichkeit! Waren jene, die solche Dummheit predigten, selbst bloß eindimensionale Flächen, oder logen sie schlicht? Gab es zwei Sorten von Menschen, und eine davon war eben hohl? Falls ja, konnte man verstehen, dass sie davon ausgingen, ihre Artgenossen seien allesamt ebenfalls leer. Ich für meinen Teil glaubte aber nicht daran, unsere Gattung sei dermaßen flach und dumpf, auch keiner dieser Schwätzer war es. Für mich war jeder Mensch sehr, sehr wirklich, bloß schreckten einige davor zurück, dieser Tatsache auf den Grund zu gehen. Sie zu verdrängen und zu leugnen mochten manche für sicherer halten.
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