Dann würden sie in den Garten kommen. Was, wenn die Höchste unter uns, in den Garten kam? Was, wenn man uns entdeckte?
Doch auf die Hilflosigkeit folgt die Unterwürfigkeit.
Es lag alles in seiner Hand. Ich stöhnte und blickte ihn an.
Er hatte mich an einen Punkt gebracht, wo er alles mit mir tun konnte, was er nur wollte.
Ich war nun Sein.
Wie es sie belustigen und befriedigen musste, solche Macht über uns zu haben! Doch diesem Gedanken zum Trotz klammerte ich mich in meiner Hilflosigkeit an ihn. Er konnte mit mir tun, was er wollte. Es lag alles in seiner Hand.
Oh, bitte, lass ihn Mitleid mit mir haben!
Wie sie uns dazu bringen, uns ihnen hinzugeben!
Lass ihn gut zu mir sein! Oh, bitte, sei gut zu mir!
Er blickte auf mich hinab, die ich fest in seinen Armen lag.
Mit meinen Augen flehte ich ihn untertänig, um Mitleid heischend, an.
Plötzlich fragte ich mich, ob er gekommen war, um mich oder ein anderes Mädchen zu stehlen? Um eine Blume zu pflücken, eine der üppigen Früchte des Gartens zu nehmen und mit ihr zu flüchten. Doch es ist fast unmöglich, so etwas zu tun. Zugegeben, manchmal verschwand eine Blume, aber in der Regel verschwand dann auch eine Wache oder ein Angestellter des Hauses mit ihr. Das war gefährlich, aber es war machbar. Doch dieser Mann war keiner aus dem Haus, und er gehörte auch nicht zu den Angestellten oder den Wachen, da war ich mir sicher. Er kannte sich hier nicht aus, er hatte weder die Schlüssel noch das Passwort und vermutlich nicht einmal Freunde im Haus, wie also konnte er hoffen, mich an den Wachen vorbei über die Mauer oder durch das Tor zu schaffen? Wie könnte er überhaupt die Mauer erklettern, wo ihre Krone doch von den geschwungenen Klingen bedeckt war? Andererseits … er hatte gesagt, dass man ihn im Haus kannte. Konnte das wirklich wahr sein? Denn falls ja, dann, vermute ich, kann er einfach so gehen, wann es ihm beliebt – ganz im Gegensatz zu einer wie mir. Vielleicht wartete er auf jemanden und war nur in den Garten spaziert, um sich die Zeit zu vertreiben, und dann hatte er mich vor der Mauer gesehen, und weil meine Schönheit ihn mit Verlangen erfüllte, wie es bei vielen Männern war, hatte er aus einer Laune heraus beschlossen, mich zu nehmen und sich zu vergnügen.
Wie verabscheuungswürdig das war!
Doch nun war ich sein.
Hilflos! Er hatte mich an diesen Punkt gebracht.
Jetzt konnte er mit mir tun, was immer er wollte.
Tief in meinem Herzen wusste ich aber, dass ich ihn auch gewollt hatte, vielleicht sogar tausend Mal mehr als er mich gewollt hatte.
Er war ein Mann von dieser Welt und einen von ihnen zu sehen, kann uns jegliche Beherrschung verlieren lassen.
Für solche Männer sind wir gemacht.
Er bewegte sich unmerklich und ich stöhnte bettelnd.
Ich spürte, dass ich zum Nachgeben geneigt war, gleich einem leisen Flüstern, das zunehmend beharrlicher wurde.
Ich lag bereits in den Wehen jener Hilflosigkeit, welche der Unterwürfigkeit vorausgeht, sie ankündigt und davor warnt. Manchmal lässt sie uns erstarren, als seien wir an eine Wand gekettet und wüssten, dass es kein Entkommen gab, weshalb wir uns mitunter an einen Abgrund getrieben sehen, wo wir an Händen und Füßen gefesselt ein heikles Gleichgewicht wahren, das von so wenig abhängt wie dem Flüstern oder Atemhauch eines anderen.
Ich biss auf die Seide.
Er bewegte sich unmerklich.
Ich stöhnte dankbar, eilfertig und schaute zu ihm auf.
Er schenkte mir keinerlei Beachtung.
Ich packte ihn. Nicht mehr lange, und ich würde mich unterwerfen.
Ich wollte es tun! Ich bettelte mit Blicken darum.
Mir war, als hörte ich Stimmen vom Haus aus. Ich ächzte. Unterzog er mich einer Art von Folter?
Gut möglich, wenn man in Betracht zog, wie machtlos ich war, wie sehr seiner Gnade unterworfen.
Um es noch einmal zu vergegenwärtigen: Ich war ein Nichts! Nur ein Mädchen in einem Garten.
Sicher, ich hatte, angekettet und gefesselt, erfahren, was seinesgleichen mir antun konnte, wie sie mich immer wieder souverän und sanft, aber dennoch auf grausame Art zu einem solchen Punkt trieben, einem heiklen, klar umrissenen Punkt – an die schiere Grenze zur Zügellosigkeit, die Schwelle zur Ekstase und deren Überschreiten. Ich nahm dann den letzten Rest Beherrschung zusammen, während ich versuchte, in dieser Lage zu verharren, bis ich dann schließlich widerwillig, leidend und klagend zurückwich. Erst nach einer Weile vermochte ich, so es ihnen Freude bereitete, mit kaum mehr Aufwand als wenigen geschickten Berührungen erneut zum gleichen Grenzgang zu gelangen. Solche Macht, wie Männer sie auf uns ausüben, verdeutlicht gewiss eindrücklicher, weshalb sich Frauen wie ich dringlich bemühen, ihnen zu gefallen. Nicht alle Folterinstrumente bestehen aus Eisen, nicht alle Werkzeuge zur Maßreglung aus Leder. Bemerkt sei noch die naheliegende Parallele zwischen solchen Qualen und jenen, die Frauen aus meiner alten Welt den dortigen Männern zufügen, um ihre eigenen Zwecke durchzusetzen, aber dergleichen gibt es hier nicht. Es ist eine Angelegenheit zwischen den Frauen meiner ehemaligen Heimat und ihren Männern oder besser gesagt Männchen. Diese Mittel stehen Frauen wie mir hier nicht zur Verfügung, was mittlerweile klar sein dürfte. Die Vorrechte, solche Folter auszuüben, so Anlass dazu besteht, genießen nicht wir, sondern die Männer. Wir wurden bezwungen, aber ich würde es nicht anders wollen.
Ich hörte Stimmen aus dem Haus. Die Ruhestunde musste vorüber sein!
Ich schaute mich hektisch, ja panisch in den Armen desjenigen um, der mich festhielt.
Er sah auf mich herab. Mir war, als sei ich reglos an die Wand gekettet und von seinen Launen abhängig. Mir war, als stünde ich vor einem Sturz, gefesselt an Händen und Füßen.
Er bewegte sich kaum merklich.
Auf einmal spürte ich eine andere Form von Hilflosigkeit, die ich einen Moment lang wiederzuerkennen schien, ehe ich entsetzt versuchte davor zu flüchten, obwohl es nicht abzuwenden war. Dann schien es, als gebe mein Wille ehrfürchtig nach: Ich klammerte mich an den Mann!
Es war die Unterwürfigkeit, und zwar jene der Frauen von meinem Schlag.
Wieder und wieder heulte und schluchzte ich.
In diesem Augenblick dachte ich nicht mehr an die Gefahr, nahm nicht mehr wahr, ob er oder ich aufschrie, vergaß die Wachen und befürchtete nicht, jemand könne im Garten erscheinen. Nichts war mehr wirklich wichtig, außer diesem Gefühl, diesen Empfindungen und diesem Moment!
Erst jetzt wurde mir auch seine Kraft offenbar, die mich wie gebündelt, wie zusammengeschmolzen durchdrang. Ich hielt mich an ihm fest und er sah auf mich herab.
Meine Hingabe wurde anscheinend mit Wohlwollen zur Kenntnis genommen.
Ich wollte nicht, dass er mich gehen ließ, war aber gleichzeitig auch erschrocken. Wir befanden uns im Garten! Ich versuchte, mich ein kleines Stück weit zu entziehen. Wusste er um das Risiko?
Er zog die nasse Seide von meinem Mund und hob sie ein wenig an, dann warf er sie neben uns ins Gras.
Ich war natürlich wehrlos, wie festgenagelt. Schon schlang er erneut beide Arme um mich. Auf seinen Gesichtsausdruck konnte ich mir nun, da er wieder auf mich herabschaute, keinen Reim machen.
»Im Haus, wo man dich zu Anfang ausgebildet hat, redeten sie dort genauso mit dir wie ich?«
Was war daran jetzt so wichtig? Begriff er nicht, in welcher Gefahr wir schwebten?
Ich konnte mich nicht bewegen. In seinen Armen blieb ich ohne Macht.
Gern wäre ich geflohen, und dennoch wollte ich zugleich verweilen, weiter festgehalten werden. Er hatte sich mit mir vergnügt, jetzt verhörte er mich. Warum blickte er mich so an? Oh, wie sehr ich von seiner Laune abhängig war! Gewiss hegte er größeres Interesse an mir, nicht bloß vorübergehend zum Techtelmechtel in einem Garten. Meine Angst blieb unvermindert. Fast beiläufig hatte er sich an mir gütlich getan, bloß weil ich verfügbar war. Was er sich indes vordergründig von mir versprach, ging sicherlich über bloße Befriedigung und Unterhaltung hinaus, die er mir hinterlistig abgetrotzt hatte. So konnte er mit jeder seiner flüchtigen Begegnungen im Garten verfahren, jenen wohlgestalteten, furchtsamen und unrettbar empfänglichen Grazien. Sein Geschlechtsverkehr mit mir war beinahe eine Selbstverständlichkeit. Nun da er fertig mit mir war, widmete er sich wieder seinen Fragen, was mir besonders deutlich vor Augen führte, wie unmaßgeblich und wie bedeutungslos ich war.
Читать дальше