Donatus griff erneut die Flasche und Julius konzentrierte sich.
»Oh großer Arcadius! Riesige Schätze, Tod und A llerlei: Zeig deine Gunst in Runde zwei!«
Wieder drehte sich die Flasche wild im Kreis und wieder stoben magische Funken von der Tischmitte weg. Die Flasche stoppte und zeigte – erneut auf Donatus. »Oje, ich fürchte, du hast heute kein Glück, Kleiner!«, grinste der Zauberer.
Julius war wütend. »Das ist doch unfair. Sie betrügen!« Er wollte schon aufstehen. »Ich hab keinen Bock mehr auf diesen Kram!«
Donatus wurde plötzlich ernst. »Setz dich sofort wieder hin. Ein Spiel des großen Arcadius spielt man immer zu Ende. Glaub mir, Kleiner, es ist besser für uns beide!«
Julius sah die ernste Miene und bemerkte, wie ein unruhiges Zittern durch die Flasche lief und sie auf dem Tisch klappern ließ. Das Klappern wurde lauter.
»Setz dich hin. JETZT«, rief Donatus beinahe ängstlich und Julius setzte sich zurück an den Tisch. Sofort verstummte das Klappern. Donatus nahm erleichtert die Flasche und trank daraus. Wieder wurden seine Augen weiß und aus seinem Mund schwebten Tropfen und bildeten ein Wort: Wetttrinken.
Julius schüttelte den Kopf und Donatus lächelte, als er sein Wort las. Nun schwebten bereits zwei Wörter über dem Tisch und standen für zwei Disziplinen, in denen Julius so gut wie keine Chance gegen den großen Lektoren hatte.
»Schön sitzen bleiben, Kleiner!« Donatus nahm erneut die Flasche und sprach den magischen Spruch: »Oh großer Arcadius! Unsägliche Qual, unendlicher Reichtum und Allerlei: Triff deine Wahl in Runde drei!«
Julius rollte mit den Augen. Es war klar, dass die Flasche auch ein drittes Mal auf den alten Säufer zeigte. Was hatte er sich eigentlich nur gedacht? Er könnte diesen ganzen Stress vermeiden. Er würde dem alten Draco nach den Sommermondferien sagen, dass das mit den drei Jugendlichen nicht funktioniert hätte. Er würde einen mächtigen Anschiss kassieren und ein paar Stunden auf die blöde Party gehen. Danach wäre alles wie immer, das Schuljahr würde starten und Julius würde ganz gelöst eine Runde Fork-Knight spielen und sich nicht mehr über Hexen, Schreckritter und magische Roadtrips den Kopf zerbrechen müssen. Immerhin konnte Lord Draco nicht einfach so einen Jugendlichen nach Schockzahn schicken. Oder doch?
Die Flasche stoppte plötzlich und zeigte – auf ihn! Julius war ebenso verblüfft wie der offensichtlich erstaunte Donatus.
»Na los, trink schon!«, blaffte der Zauberer.
Julius ergriff die Flasche, setzte sie vorsichtig an seinen Mund und nahm einen Schluck. Urplötzlich wurde es um ihn herum dunkel. Dunkle, aschgraue Wolken umwaberten ihn. Julius konnte nur noch den Tisch und die Flasche erkennen. Er spürte einen Schwindel und fühlte ein Brennen in seinem Mund. Verblüfft sah er, wie aus der Flasche weiterer dunkler Rauch quoll und Gestalt annahm. Vor ihm schwebte ein kleiner rundlicher Zauberer und grinste ihn an.
»Hallo, Julius Schlotterbeck, schön, dich zu sehen, hihi. Sieht ganz so aus, als dürftest du dir nun was auswählen, hihi!« Das pausbackige Gesicht des kleinen Zauberers verzog sich zu einem gutmütigen Lächeln.
»Sind Sie … der große Arcadius?« Julius stellte die Frage vorsichtig, wusste er doch von der Launenhaftigkeit mancher Zauberer.
»Der bin ich. Gestatten: Rufus Augustus Arcadius, Herr der Wettspiele, magischen Aufgaben und Schutzzauberer aller Glückspieler. Freut mich, dich kennenzulernen, und um es gleich klarzustellen: Lord Draco kann sehr wohl Jugendliche nach Schockzahn schicken. Hat er schon gemacht. Wird er wieder tun. Hihi.«
Julius schluckte und wunderte sich, woher der kleine Zauberer seine Gedanken kannte. »Ähm, gleichfalls. Ich heiße Julius. Julius Schlotterbeck. Aber das wussten Sie ja bereits«, sagte er.
»Du bist an der Reihe, Julius. Welche Disziplin wählst du? Ich bin schon ganz aufgeregt, hihi.« Arcadius lächelte und wippte vergnügt mit seinem schillernden Zauberhut.
Julius dachte angestrengt nach. Was konnte er? Worin war er wirklich gut?
»Die Zeit verrinnt; beeil dich, mein Kind!«, hörte er die Stimme von Arcadius.
Julius überlegte fieberhaft. Was liebte er? Wo machte ihm so schnell keiner etwas vor und schon gar nicht ein abgehalfterter Schreckritter? Plötzlich fiel es ihm wie Drachenschuppen von den Augen.
Natürlich. DAS war es!
»Nun?«, fragte Arcadius freundlich. Julius nannte ihm seine Disziplin und Arcadius riss erstaunt die Augen auf.
»Ooooooh, wirklich??? Ich habe in letzter Zeit sehr viel davon gehört. Das könnte spannend werden. Seit Ewigkeiten mal kein Schwert- oder Drachenkampf, Rambot-Tsu, Fußball oder Besenrennen. Die Spieler waren in den letzten Jahrhunderten immer sooooo langweilig. Das wird lustig, hihi!«
Arcadius schien begeistert zu sein und Julius lächelte erleichtert.
»Also, hat mich gefreut, Julius Schlotterbeck. Viel Glück bei deiner Reise und der Aufgabe, die vor dir liegt. Man spielt sich, hihi!«
»Halt, großer Arcadius! Noch eine Frage, wenn Ihr gestattet!«, rief Julius und Arcadius drehte sich um.
»Was wäre passiert, wenn ich einfach aufgestanden wäre? Wenn ich das Spiel unterbrochen hätte?«
Arcadius grinste.
»Nix Wildes, Julius. Es wäre ja nur der Bruch eines uralten Kodex gewesen und die Flasche wäre in einer kleinen magischen Explosion verpufft. Immernacht und alles Leben darin wären sofort in einem magischen Feuerball verglüht und es hätte Tausende Jahre gebraucht, bis die Magie hier wieder Leben eingehaucht hätte, hihi. Aber denk nicht darüber nach, ihr spielt ja weiterhin mein Spiel. Also, viel Spaß und wenn ich dir einen Rat geben darf: Nichts ist, wie es scheint. Ehre das Spiel und das Spiel ehrt dich, hihi.«
Arcadius löste sich auf und plötzlich wurde es wieder hell. Julius starrte auf Donatus, den Tisch und das neue Wort, welches neben den anderen zweien schwebte. Julius war ebenso erstaunt wie Donatus, als dieser ungläubig das letzte Wort vorlas: ForkKnight?
Tutorial für Noobs und Willenlose
»ForkKnight? Was soll das denn bitte schön sein?«, blaffte Donatus.
Julius konnte es nicht fassen. SEIN Wunsch schwebte neben den anderen zwei Wörtern in der Tischmitte. Julius nahm seinen ganzen Mut zusammen.
»ForkKnight ist ein Videospiel. Derzeit das erfolgreichste Game auf dem Markt! Ich weiß, Sie hassen moderne Dinge, aber in diesem Spiel messen wir Jugendliche uns miteinander. So wie Sie das früher auf Ritterturnieren gemacht haben … oder … äääh … auf dem Schlachtfeld. In ForkKnight geht es darum, wer der beste Gabel-Ritter ist. Und … ich bin recht gut darin.« Julius machte eine Pause. »Wenn ich ehrlich bin, ist ForkKnight so ziemlich das Einzige, in dem ich richtig gut bin.«
Donatus rollte mit den Augen und stand auf. »Das war ja klar. Ich weiß nicht, was trauriger ist: Dass das Einzige, in dem du gut bist, ein blödes Videospiel ist, oder dass der ehrenwerte Arcadius tatsächlich diesen Mumpitz zugelassen hat. Vielleicht wird er doch tattrig auf seine alten Tage. Der sollte mal öfters aus seiner Flasche kommen!«
Ehe Julius antworten konnte, gab es ein lautes Zischen und aschgraue Wolken schossen aus der Flasche auf dem Tisch. Gleich darauf schwebte ein wütend dreinblickender Arcadius im Raum und hob drohend seinen Arm.
»Und du solltest weniger zur Flasche greifen, du selbstgefälliger, frustrierter alter Zauberer! Du trauriges Abziehbild eines Schreckritters! Ich alt und tattrig? Na warte!« Der pummelige Zauberer hatte sich vor Donatus aufgebaut und stemmte die kleinen Fäuste in die Hüfte. »Es wird Zeit, mal wieder ein bisschen Pepp in dein Leben zu bringen, großer Schreckritter. Ich habe mich entschieden und euer Wettstreit soll in dem Spiel des Jungen stattfinden!«
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