M. Fuehrhand
Die Katze
Für meine Probeleserinnen und -leser Birgit, Claudia, Marion und Klaus
Die Katze
Roman
von
Mark Fuehrhand
MARTERPFAHL VERLAG
© für die papierene wie die beiden Ebook-Ausgaben
2014 by Marterpfahl Verlag Rüdiger Happ,
Postfach 8, D-72147 Nehren
marterpfahl-verlag@t-online.de
www.marterpfahlverlag.com
Einbandgestaltung vom Verfasser – unter
Verwendung zweier Fotos von Ulrich Grolla
( www.ulrichgrolla.de)
ISBN (Paperback) 978-3-944145-12-9; 14,50 €
ISBN (epub) 978-3-944145-30-3; 10,99 €
ISBN (pdf) 978-3-944145-31-0; 10,99 €
Inhalt
1 – Die Katze in uns
2 – Die Hackerin
3 – Dinner for one
4 – Himmel oder Hölle
5 – Das offene Ohr
6 – Der Hotel-Job
7 – Die Opfer sammeln sich
8 – Katze vermisst
9 – Die Verschwörer
10 – Die Katze in der Krise
11 – Die Spur der Katze
12 – Ihr Leben als Wurm
13 – Späte Geständnisse
14 – Aufstand der Würmer
15 – Die Welt ohne Katze
16 – Ein vermeintliches Angebot
17 – Theorie und Praxis
18 – Wir müssen reden
19 – Man sieht sich zweimal
1 – Die Katze in uns
MEIN NAME IST MARK FUEHRHAND, und die Geschichte, die ich erzähle, ist unglaublich, aber ich habe sie so erlebt. Nein, ich war nicht bei jeder Szene und bei jedem Vorfall anwesend, aber ich habe mit den Leuten gesprochen, die dabei gewesen sind, und habe alle Details genauestens recherchiert – nun, zumindest fast alle. Erlauben Sie mir, die wenigen Lücken durch plausible Annahmen zu füllen, damit sich ein Gesamtbild ergibt.
Meine Geschichte handelt von einer faszinierenden Frau, die aus unbekannten Gründen auf die schiefe Bahn geriet. Wir wissen nicht, was sie bewog, sich außerhalb unserer Konventionen zu stellen. War es ein Kindheitstrauma, Spieltrieb oder die Gier nach Besitz? Oder war es innere Unabhängigkeit, wie sie Katzen eigen ist und wie auch wir sie gelegentlich verspüren oder verspüren möchten, war es sozusagen die Katze in uns allen?
Ich will nicht übermäßig psychologisieren, ich arbeite als Journalist für eine unbedeutende Frankfurter Stadtteilzeitung und kenne mich mit solchen Dingen wenig aus. Unstrittig ist jedoch, dass die Katze das Leben vieler Menschen verändert hat, es sei dahingestellt, in welche Richtung, keinesfalls jedoch in Richtung politischer Korrektheit und gesellschaftlichen Konsenses. Die Geschichten, die die Katze schrieb, sind voller Sex und Abenteuer, auf jeden Fall erotisch, manchmal auch pervers, grenz-überschreitend und explizit. Bewahren Sie mein Buch deshalb so auf, dass Ihre Kinder nicht dran kommen.
Und falls ich diese Geschichte nicht selbst erlebt habe, dann war es sicher der Freund eines Freundes.
Sie verstehen schon …
2 – Die Hackerin
LISAS HAGERES GESICHT spiegelte sich im Display ihres Computers. Interessiert beobachtete sie die Suchbegriffe, die oben auf der Liste auftauchten, um dann von neuen Begriffen nach unten verdrängt zu werden:
»Nietenhalsband« – ein interessantes Wort. »Kostenloser Download« – das wiederum war langweilig und wurde häufig eingegeben; nicht so häufig wie »hemmungsloser Sex« natürlich, der die Mutter aller Suchbegriffe war, auch wenn das natürlich niemand zugeben würde. »Moralvorstellungen der Kirche im 13. Jahrhundert« – nun ja … Lisa hatte ihre eigenen Moralvorstellungen. Ein unvoreingenommener Beobachter würde zudem sagen, dass sich diese unvorteilhaft entwickelt hatten, was sich darin äußerte, dass sie sich bedenkenlos in den Datenstrom fremder Menschen einhackte. Ein Techniker würde ihr allerdings Respekt zollen, denn mit dem Sniffer hatte sie ihr Meisterstück abgeliefert. Obwohl heutzutage immer mehr untalentierte Menschen Systemadministrator werden konnten, wodurch immer seltener die notwendigen Updates aufgespielt wurden, war es nicht einfach, in die relevanten Systeme einzudringen und einen Sniffer so zu installieren, dass er nicht gleich entdeckt wurde. Die geschnüffelten Daten dann live so weiterzuleiten, dass es niemand merkte – das musste ihr erst mal jemand nachmachen. Kleinste Verzögerungen im Nanosekundenbereich ließen ja schon die Alarmglocken schrillen.
»Oskar-Preisträger« kam als nächstes – Film, Glamour, Anerkennung. Lisa fand, dass Anerkennung überschätzt wurde. Nach unerfreulichen Erfahrungen in der Vergangenheit wollte sie sich nicht mehr davon abhängig machen, was andere von ihr hielten. Sie verfolgte nun ihre eigenen Ziele. »Baumwollseil« – das könnte eher etwas werden. Lisa war zuversichtlich, dass sich nun bald ein Kunde einfinden würde. Sie fieberte dem nächsten Begriff entgegen.
Ausgerechnet jetzt strich Paula um ihre Beine. Mit lautem Maunzen tat sie kund, dass es Zeit zum Mittagessen sei. »Ja, mein Schatz, ich gehe gleich.« Widerwillig unterbrach sie ihre Computersitzung, um die angebrochene Dose Katzenfutter aus dem fast leeren Kühlschrank zu holen. Eine halbe Tüte Chips fand sie auch noch in der Küche. Nach einer Minute war sie zurück und las nach, was sie verpasst hatte.
»Handschellen« – ja! »Aufblasbarer Knebel« – Bingo! »Zeitschloss«, »Selbstfesselung« – das war es. Lisa hatte ihren ersten Kunden. Er benutzte offenbar die Suchfunktion eines Webshops. Nun musste sie dran bleiben, um den Zeitpunkt nicht zu verpassen, wenn er seine Bestellung abschickte. Ah, da war die Bestellung – und auch die Lieferadresse! Sie wurde ihr auf einem silbernen Tablett serviert: Der Kunde wohnte im Westend, in bester Wohnlage. Lisa lehnte sich zurück. Sie konnte es kaum fassen: Alles hatte so funktioniert, wie sie es sich in ihrer Phantasie ausgemalt hatte. Nun bekam sie fast Angst vor der eigenen Courage: War sie wirklich bereit, auch den zweiten Schritt zu tun? Ihr Herz schlug schneller bei dem Gedanken daran. Ja! Natürlich würde sie es wagen, und das schon bald, denn der Kunde brannte ja sicher darauf, die neu erworbenen Sachen auszuprobieren. Sie wurden am Donnerstag geliefert, also würde er es am Wochenende machen, wahrscheinlich am Samstagabend.
Lisa stand vor der Haustür der Villa. Ja, sie war aufgeregt. Es war schließlich ihr erstes Mal. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Trotzdem war sie weiter fest entschlossen, ihren gut durchdachten Plan umzusetzen.
Lange genug war sie allen Menschen aus dem Weg gegangen und zu Hause versauert. Selbst das Einkaufen war ihr schwer gefallen: Penibel hatte sie erforscht, wann am wenigsten Menschen im Supermarkt und auf der Straße waren. Dabei hatte sie herausgefunden, dass viele ihre Vorräte nach Wochenenden und Feiertagen auffüllten. Seither war sie nur noch dienstagmorgens direkt nach Ladenöffnung einkaufen gegangen. Am Wochenende war ihr Kühlschrank dann oft schon ziemlich leer, und selbst das Katzenfutter musste rationiert werden.
So konnte es nicht weitergehen.
Ihr gut durchdachter Plan sah jedenfalls vor, dass sie nun klingeln musste. Also klingelte sie; so weit so harmlos. Wenn jemand öffnen würde, wäre sie nur die Frau von zwei Straßen weiter auf der Suche nach einer entlaufenen Katze.
Aber es öffnete niemand, und das war ein deutlicher Hinweis darauf, dass sie richtig kombiniert hatte. Wenn samstagabends bei einbrechender Dunkelheit ein Mercedes im Carport einer Vorstadtvilla parkte, dann war jemand zu Hause – und wenn dieser Jemand nicht öffnete, dann war er ziemlich sicher alleine und mit anderen Dingen beschäftigt. Lisa stellte sich den Schrecken vor, den dieser Jemand nun haben musste, als die Klingel unerwartet und sehr ungelegen ertönte. In ihr selbst brach sich ein Gefühl bahn, das sie noch nicht kannte, ein Überlegenheitsgefühl, das durch das unbeantwortete Klingeln wuchs, ganz langsam und dann immer mehr. Voller Genuss klingelte sie noch einmal. Und dann noch einmal, ganz lange. Und noch einmal, sie klingelte sich in einen Rausch. Ja, wer mochte das wohl so unerwartet und hartnäckig sein? Ahnst du schon, dass ich komme? Er konnte es natürlich nicht ahnen.
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