Inhalt
Heft 3 | Juli-September 2020
Jahrgang 93 | Nr. 496
Notiz
Messe über die Welt
Edith Kürpick FMJ
Nachfolge
Zur Relevanz asketischer Theologie. Sarah Coakley und Erich Przywara SJ
Christiane Alpers/Martin Kirschner
Pfadfinder und Dolmetscher. Zur Funktion der Figuren im Johannesevangelium
Hans-Georg Gradl
Den Abend feiern. Impulse für eine Theologie des Abends
Fabian Brand
Das Internet gut nutzen. Eine Aktualisierung der ignatianischen Essensregeln
Daniel Villanueva SJ
Nachfolge | Kirche
Simplify your church? Ein Plädoyer für geistliche Unterscheidung in der Krise
Igna Kramp CJ / Johanna Schulenburg CJ
Einem Geschwister das Herz öffnen. Chancen und Grenzen der Laienbeichte
Michael Rosenberger
Mystik – ungesucht gefunden
Dieter Hattrup
Nachfolge | Junge Theologie
Dritte im Bunde. Maria in ihrer Funktion für den Glauben
Jakob Mertesacker
Reflexion
Gebet und Liturgie anders (er)leben. Die rhythmo-mimopädagogische Rezitation nach Marcel Jousse SJ
Clara-Elisabeth Vasseur
Darf man spirituell fremdgehen? Theologische Überlegungen zur christlichen Zenpraxis
Alexander Löffler SJ
Ein Stab ist (k)ein Stab. Negative Theologie und Zen im Dialog
Alexander Schmitt
Lektüre
Vom Beteiligen und Unterscheiden (Teil I). Aufgabe der Christen nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil
Michel de Certeau SJ
Buchbesprechungen
Impressum
GEIST & LEBEN – Zeitschrift für christliche Spiritualität. Begründet 1926 als Zeitschrift für Aszese und Mystik
Erscheinungsweise: vierteljährlich
ISSN 0016–5921
Herausgeber:
Deutsche Provinz der Jesuiten
Redaktion:
Christoph Benke (Chefredakteur)
Britta Mühl (Lektorats-/Redaktionsassistenz)
Redaktionsbeirat:
Bernhard Bürgler SJ / Wien
Margareta
Gruber OSF / Vallendar
Stefan Kiechle SJ / Frankfurt
Bernhard Körner / Graz
Edith Kürpick FMJ / Köln
Ralph Kunz / Zürich
Jörg Nies SJ / Stockholm
Klaus Vechtel SJ / Frankfurt
Redaktionsanschrift:
Pramergasse 9, A–1090 Wien
Tel. +43–(0)664–88680583
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Artikelangebote an die Redaktion sind willkommen. Informationen zur Abfassung von Beiträgen unter echter.de/zeitschriften/geist-und-leben. Alles Übrige, inkl. Bestellungen, geht an den Verlag. Nachdruck nur mit besonderer Erlaubnis. Werden Texte zugesandt, die bereits andernorts, insbesondere im Internet, veröffentlicht wurden, ist dies unaufgefordert mitzuteilen. Redaktionelle Kürzungen und Änderungen vorbehalten. Der Inhalt der Beiträge stimmt nicht in jedem Fall mit der Meinung der Schriftleitung überein.
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Messe über die Welt
Wenn nach den langen Wochen der Ausgangssperre wieder erste Schritte unter freiem Himmel möglich sind, geben im 7. Pariser Arrondissement, im Innenhof der Missions Étrangères de Paris, wenige Treppenstufen Zugang zum Salle des Martyrs . Dort ist eine Abteilung Japan gewidmet, jenem Land, das 250 Jahre lang hermetisch abgeriegelt war und Christentum-immun sein wollte, bis weit ins 19. Jh. hinein. Doch 250 priesterlose Jahre lang haben die Taufe und das Gebet der Menschen den christlichen Glauben bewahrt und verborgen an die nächsten Generationen weitergegeben. Ausgestellt sind nicht nur persönliche Zeugnisse der Missionare und Leidensinstrumente ihres Martyriums. Man sieht auch gewöhnliche Alltagsgegenstände, die aber bei genauerem Hinsehen eine christliche Symbolik bergen. Unter extrem schwierigen Bedingungen versuchten die Getauften, das Leben, den Alltag zu heiligen. Mit großem Einfallsreichtum.
In unseren Tagen haben weltweit und zeitgleich nicht einfach diktatorische Systeme christliches Leben massiv eingeschränkt, hat auch nicht der so heftig debattierte Priestermangel die Feier der Sakramente verhindert. Nein, ein kleines, unberechenbares Virus hat uns sprichwörtlich und geistlich den Atem genommen. Wer hätte gedacht, dass von dieser Seite die Kampfansage käme? Was uns da wie aus dem Nichts überfiel, hat auch vor unseren Kapellen, Kirchen und Kathedralen nicht haltgemacht. So wurden die Türen aus Furcht verschlossen, wie zu einem nicht enden wollenden Karsamstag. Keine gottesdienstlichen Versammlungen; stark reduziertes soziales Engagement und noch stärker reduzierter Sakramentsempfang, keine Begleitung und kein letztes Geleit, kein Freudenfest und kein Trauergesang. Alles abgesagt. Alles geschlossen. Und bleiben Sie gesund!
Für die Grundvollzüge der Kirche gestaltete sich der Einfallsreichtum mehr oder weniger schwierig. Vielleicht am wenigsten für die Diakonia , denn plötzlich entwickelte sich ein neuer Blick für die sonst Übersehenen, erfand sich eine kreative Nachbarschaftshilfe, öffnete sich ein Priesterseminar mit seiner Küche und seinen Duschen für die Obdachlosen. Auch nicht so sehr im Blick auf die Martyria , denn sämtliche Medien und Kommunikationsmittel boten genügend Plattformen für Verkündigung und Glaubenszeugnis. Die große Verliererin, so scheint es, war die Leiturgia: Gemeinsam das Gedächtnis Jesu Christi, seinen Tod und seine Auferstehung zu feiern und sakramental am Sonntag, im Alltag und in wichtigen Momenten des Lebens zu empfangen, wurde zum verordneten No-Go. Auch hier musste schnell das Internet Abhilfe schaffen. Und so konnte, wer wollte, fast rund um die Uhr bei live gestreamten Eucharistiefeiern real präsent sein – vor dem häuslichen Bildschirm. Gemeindelos feierten Priester die Messe vor laufender Kamera und erhoben die Hostie für eine virtuell andockende Welt – im Wissen um die Vielen und zweifellos in innerer Gemeinschaft mit ihnen. Damit kein Missverständnis entsteht: Und wenn auch nur ein einziger Mensch in einsamen, kranken Tagen Trost und Halt darin gefunden hätte, verdiente dies unkommentierten Respekt. Aber wenn es doch stimmt, was das II. Vatikanum neutestamentlich gut fundiert mit dem königlichen Priestertum der Getauften meint, dann darf sich die Ausübung dieses Priestertums auch in Pandemie-Zeiten nicht auf Anbetung und Kniebeuge vor dem Bildschirm reduzieren. So wie es sich ja auch schon im Spätmittelalter nicht auf eine bloße Schaufrömmigkeit beschränken ließ.
Vor gut hundert Jahren schrieb der forschende Mystiker Teilhard de Chardin in einer Extremsituation ein langes, dichtes Gebet: Die Messe über die Welt . Als der Priester in der Einsamkeit der chinesischen Wüste weder über Brot noch Wein verfügte, brachte er auf dem „Altar der ganzen Erde“ die Materie, die Arbeit und die Mühsal der Welt, all ihr Werden und Vergehen auf der Patene und im Kelch seiner weltoffenen Seele dar. Zeugnis einer tiefen Glaubenseinsicht, dass Gott als die wirklichste Wirklichkeit in allem und alles durch ihn und auf ihn hin geschaffen ist (Kol 1,16); berufen, mystischer Leib Christi zu werden. Sich mit seiner ganzen Existenz in den Dienst dieses Auf-ihn-hin zu stellen, ist letztlich die Umschreibung einer Weihe, ja, einer Konsekration der Welt, die dem Priestertum aller Gläubigen und gerade der Laien zu eigen ist, wie es das Konzil ausdrücklich formulierte: „So weihen [consecrant] auch die Laien, überall Anbeter in heiligem Tun, die Welt selbst Gott“ (LG 34). Die vom Priester über Brot und Wein gesprochenen Worte verwandeln diese in die Wirklichkeit Christi und überborden sie zugleich. Sie enden nicht im liturgischen Raum, sind vielmehr die alles durchdringende, verwandelnde Kraft der Welt, deren letztes Ziel Gott „alles in allem“ ist.
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