Inhalt
Heft 3 | Juli-September
Jahrgang 91 | Nr. 488
Notiz
Gott verloren?
Bernhard Körner
Nachfolge
Zorn, Zorn und Zorn
Klaus Mertes SJ
Jesus und die Familie nach dem Johannesevangelium
Johannes Beutler SJ
Befreit von allem.
Mystik und Emanzipation bei Gertrud von Ortenberg
Siegfried Ringler
Yves de Montcheuil SJ.
Theologe des Engagements
Markus Kneer
Nachfolge | Kirche
Gespräch zwischen Himmel und Erde. Das Psalmengebet in der Sicht der frühen Christen
Christiana Reemts OSB
Was ist ein geistlicher Prozess?
Erfahrungen und grundsätzliche Überlegungen
Franz Meures SJ
Nachfolge | Junge Theologie
Das Evangelium in neuer Frische leben. Die Fraternité de Tibériade
Anselm Demattio
Reflexion
„Sei du dein, und ich werde dein sein“. Nikolaus von Kues als Mystagoge
Heribert Wahl
Erneuerung aus der Vergangenheit. Gotteserfahrung in der Russischen Moderne
Johannes M. Oravecz
Der Heilige Geist.
Zu Gast im eigenen Haus
Hans Schaller SJ
Lektüre
Das Gebet von Arbeitern (Teil I)
Michel de Certeau SJ
Hilfreiche Orientierung.
The Cambridge Encyclopedia of the Jesuits
Jörg Nies SJ
Buchbesprechungen
Impressum
GEIST & LEBEN – Zeitschrift für christliche Spiritualität. Begründet 1926 als Zeitschrift für Aszese und Mystik
Erscheinungsweise: vierteljährlich
ISSN 0016–5921
E-Book ISBN 978-3-429-06375-7
Herausgeber:
Deutsche Provinz der Jesuiten
Redaktion:
Christoph Benke (Chefredakteur)
Britta Mühl (Lektorats-/Redaktionsassistenz)
Redaktionsbeirat:
Bernhard Bürgler SJ / Wien
Margareta Gruber OSF / Vallendar
Stefan Kiechle SJ / Frankfurt
Bernhard Körner / Graz
Jörg Nies SJ / Rom
Simon Peng-Keller / Zürich
Andrea Richter / Berlin
Klaus Vechtel SJ / Frankfurt
Redaktionsanschrift:
Pramergasse 9, A–1090 Wien
Tel. +43–(0)664–88680583
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Bernhard Körner |Graz
geb. 1949, Dr. theol., Prof. em. für Dogmatik
an der Katholisch-Theologischen Fakultät Graz,
Beiratsmitglied von GEIST & LEBEN
bernhard.koerner@uni-graz.at
Gott verloren?
„Jedes Mal, wenn die Menschheit ein Denksystem aufgibt, meint sie Gott zu verlieren.“ Mit diesen Worten beginnt der Jesuitentheologe Henri de Lubac (1896–1991) das letzte Kapitel seines Buches Auf den Wegen Gottes . Wie er selbst erklärt, war es seine Absicht, mit diesem Buch „einigen Menschen auf der Suche nach ihrem Gott eine brüderliche Hand zu reichen“. „Jedes Mal, wenn die Menschheit ein Denksystem aufgibt, meint sie Gott zu verlieren.“ Nicht zuletzt dieser Satz lässt ahnen, dass das Buch immer noch aktuell ist. Auch für die, die sich Gottes sicher sind, und die, die sich und anderen über ihren Glauben an Gott Rechenschaft ablegen wollen. Der Satz beschreibt eine bedrängende Wirklichkeit: den Eindruck, Gott geht mir (oder uns) verloren. Dass die Konturen Gottes verschwimmen. Dass Gott im Leben und Denken ortlos wird. Dass der Glaube an ihn – wie es einmal Karl Rahner formuliert hat – wie Sand zwischen den Fingern zerrinnt. Und je mehr man ihn festhalten möchte, umso schneller verschwindet er. Am Ende, ob man es will oder nicht, steht ein Leben ohne Gott. Gott-los. Henri de Lubac spricht von der Menschheit, von einer epochalen Möglichkeit. Aber eingeschlossen ist auch die persönliche Möglichkeit, Gott zu verlieren.
Was de Lubac beschreibt, ist aber keine Sackgasse. Eingeschlossen in seine Feststellung ist auch die Richtungsangabe für einen Aus-Weg. Der Eindruck, dass Gott verloren geht, entsteht, wenn ein Denksystem aufgegeben wird oder werden muss. Mit dem Stichwort „Denksystem“ deutet er an: Immer wenn wir den Glauben an Gott verstehen wollen und zur Sprache bringen, geschieht das innerhalb unserer Denkkoordinaten, mit unserem Wissen, unseren Kategorien, unserer Sprache – mit unserem Denksystem. Die Gesellschaft und die Kultur, in die wir hineingeboren sind, und unsere eigene Lebensgeschichte prägen das Denken, mit dem wir nicht zuletzt im Sprechen oder Schweigen zum Ausdruck bringen, was wir meinen, wenn wir von Gott oder dem Glauben an ihn sprechen. Das aber heißt auch: Gott und unser Gott-Denken sind zwei verschiedene Dinge. Der Gott, den Menschen zu verlieren meinen, ist immer der innerhalb eines Denksystems gedachte Gott. Oder mit einem anschaulichen Beispiel, das Leon Bloy formuliert hat: Wenn einer aufhört, an seinen hölzernen Gott zu glauben, dann heißt das nicht, dass es keinen Gott gibt, sondern dass er nicht aus Holz ist.
Der Satz von Henri de Lubac eröffnet nicht nur einen Weg, er lädt auch ein, sich zu erinnern. An Brennpunkte in der großen und der persönlichen Geschichte des Glaubens, wo an die Stelle eines alten ein neues Denksystem getreten ist. Und schließlich auch Gott neu gedacht werden musste – und konnte! Vielleicht zum ersten Mal, als die Christen ihren „Gott Abrahams, lsaaks und Jakobs“ in der hellenistischen Kultur zur Sprache bringen mussten – als den göttlichen Urgrund, der freilich im Licht des Glaubens immer mehr zum lebendigen Gott wurde. Zu denken ist aber auch an Thomas von Aquin, der Gott in den Koordinaten der aristotelischen Metaphysik gedacht hat. Und heute ist es das Denksystem der modernen empirischen Wissenschaften, besonders der Naturwissenschaften, das uns prägt. Hier scheinen noch nicht alle Herausforderungen bewältigt. Die engagiert geführten Debatten zu den Themen „Monotheismus“ und „Panentheismus“ belegen es ebenso wie die unverkennbare Anziehungskraft fernöstlicher Gottes-Vorstellungen gerade auch bei spirituell Interessierten. Und schnell entsteht ausgesprochen oder unausgesprochen der Eindruck, dass beim Versuch, Gott auf neue Weise zu denken, der persönliche Gott verloren geht. Auf jeden Fall ist eine neue Aktualität der negativen Theologie unverkennbar: Gott, der kein Teil unserer Welt ist, sondern ihr Ursprung. Namenlos anwesendes heiliges Geheimnis – so hat ihn Karl Rahner genannt. Und wichtige Stimmen mahnen zu Recht die Mühe ein, den Gott, an den wir glauben, in unserem Weltbild angemessen zu denken – für uns und andere, denen wir Auskunft schulden.
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