Verlag Echter - Geist & Leben 3/2018

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Das «Sommer-Heft» 3|2018 von GEIST & LEBEN rückt die Themen Mystik und Gebet erneut in den Fokus. Während Christiana Reemts einen Blick auf das Psalmengebet der frühen Christen wirft, spricht das Arbeitergebet von Michel de Certeau eindrücklich über die beengenden Verhältnisse der Industrialisierung. Siegfried Ringler zeichnet die spannende Biografie der mittelalterlichen Mystikerin und Begine Gertrud von Ortenberg nach. An der Schwelle zur Neuzeit reflektiert Cusanus in «De visione dei» über die visio beatifica, die beseligende Schau Gottes. Ihrem Potential für die heutige Theologie und Pastoralpyschologie ist Heribert Wahl auf der Spur. Franz Meures votiert dafür, die aktuellen kirchlichen Transformationsprozesse als geistliche Prozesse zu gestalten, damit die Kirche aus ihrem inneren Kraftzentrum, der lebendigen Beziehung zwischen Gott und Mensch, leben kann. Geistliche und theologische Aufbruchsstimmung kennzeichnete auch das religiöse Leben Russlands im 20. Jh. Dabei spielte laut Johannes M. Oravecz die spirituelle Neuentdeckung der Liebe eine tragende Rolle. Gegenüber der Liebe wird die Rede vom Zorn Gottes in der Theologie nur selten problematisiert. Dem göttlichen Empathie-Zorn wohnt allerdings eine Verwandlungskraft inne, auf die Klaus Mertes nicht verzichten möchte. Bernhard Körner ermutigt in seiner Notiz dazu, unser Gott-Denken und dessen zeitbedingte Koordinaten kritisch zu hinterfragen. Abseits der wissenschaftlichen Debatten bleibt die vertrauensvolle Haltung des Glaubens, die alle rationalen Konstrukte noch einmal aufsprengt. Das bewegende Zeugnis des Jesuiten Yves de Montcheuil, der NS-Widerstandskämpfern in Frankreich geistlichen Beistand leistete und sein Engagement mit dem Leben bezahlte, spricht nach Markus Kneer eine deutliche theologische Sprache. Johannes Beutler und Anselm Demattio widmen Ihre Beiträge über die Familie im Johannesevangelium und die junge Fraternité Tibériade ebenfalls der Christusnachfolge. Jörg Nies stellt schließlich das ambitionierte Buch-Projekt der «Cambridge Encyclopedia of the Jesuits» vor.

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Inhalt

Heft 3 | Juli-September

Jahrgang 91 | Nr. 488

Notiz

Gott verloren?

Bernhard Körner

Nachfolge

Zorn, Zorn und Zorn

Klaus Mertes SJ

Jesus und die Familie nach dem Johannesevangelium

Johannes Beutler SJ

Befreit von allem.

Mystik und Emanzipation bei Gertrud von Ortenberg

Siegfried Ringler

Yves de Montcheuil SJ.

Theologe des Engagements

Markus Kneer

Nachfolge | Kirche

Gespräch zwischen Himmel und Erde. Das Psalmengebet in der Sicht der frühen Christen

Christiana Reemts OSB

Was ist ein geistlicher Prozess?

Erfahrungen und grundsätzliche Überlegungen

Franz Meures SJ

Nachfolge | Junge Theologie

Das Evangelium in neuer Frische leben. Die Fraternité de Tibériade

Anselm Demattio

Reflexion

„Sei du dein, und ich werde dein sein“. Nikolaus von Kues als Mystagoge

Heribert Wahl

Erneuerung aus der Vergangenheit. Gotteserfahrung in der Russischen Moderne

Johannes M. Oravecz

Der Heilige Geist.

Zu Gast im eigenen Haus

Hans Schaller SJ

Lektüre

Das Gebet von Arbeitern (Teil I)

Michel de Certeau SJ

Hilfreiche Orientierung.

The Cambridge Encyclopedia of the Jesuits

Jörg Nies SJ

Buchbesprechungen

Impressum

GEIST & LEBEN – Zeitschrift für christliche Spiritualität. Begründet 1926 als Zeitschrift für Aszese und Mystik

Erscheinungsweise: vierteljährlich

ISSN 0016–5921

E-Book ISBN 978-3-429-06375-7

Herausgeber:

Deutsche Provinz der Jesuiten

Redaktion:

Christoph Benke (Chefredakteur)

Britta Mühl (Lektorats-/Redaktionsassistenz)

Redaktionsbeirat:

Bernhard Bürgler SJ / Wien

Margareta Gruber OSF / Vallendar

Stefan Kiechle SJ / Frankfurt

Bernhard Körner / Graz

Jörg Nies SJ / Rom

Simon Peng-Keller / Zürich

Andrea Richter / Berlin

Klaus Vechtel SJ / Frankfurt

Redaktionsanschrift:

Pramergasse 9, A–1090 Wien

Tel. +43–(0)664–88680583

redaktion@geistundleben.de

Artikelangebote an die Redaktion sind willkommen. Informationen zur Abfassung von Beiträgen unter www.geistundleben.de. Alles Übrige, inkl. Bestellungen, geht an den Verlag. Nachdruck nur mit besonderer Erlaubnis. Werden Texte zugesandt, die bereits andernorts, insbesondere im Internet, veröffentlicht wurden, ist dies unaufgefordert mitzuteilen. Redaktionelle Kürzungen und Änderungen vorbehalten.

Der Inhalt der Beiträge stimmt nicht in jedem Fall mit der Meinung der Schriftleitung überein.

Für Abonnent(inn)en steht GuL im Online-Archiv als elektronische Ressource kostenfrei zur Verfügung. Registrierung auf www.geistundleben.de

Verlag: Echter Verlag GmbH,

Dominikanerplatz 8, D–97070 Würzburg

Tel. +49 –(0)931–660 68–0, Fax +49– (0)931–660 68–23

info@echter.de, www.echter.de

Visuelle Konzeption: Atelier Renate Stockreiter

E-Book-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim, www.brocom.de

Bezugspreis: Einzelheft € 12,50 (D) / € 12,90 (A)

Jahresabonnement € 42,00 (D) / € 43,20 (A)

Studierendenabonnement € 28,00 (D) / € 28,90 (A)

jeweils zzgl. Versandkosten

Vertrieb: Zu beziehen durch alle Buchhandlungen oder direkt beim Verlag. Abonnementskündigungen sind nur zum Ende des jeweiligen Jahrgangs möglich.

Auslieferung: Brockhaus Kommissionsgeschäft GmbH, Kreidlerstraße 9, D–70806 Kornwestheim

Auslieferung für die Schweiz: AVA Verlagsauslieferung AG, Centralweg 16, CH–8910 Affoltern am Alibs

Auslieferung für Österreich: Buchzentrale GmbH, Kapitelplatz 6, A–5010 Salzburg

Bernhard Körner Graz geb 1949 Dr theol Prof em für Dogmatik an der - фото 1

Bernhard Körner |Graz

geb. 1949, Dr. theol., Prof. em. für Dogmatik

an der Katholisch-Theologischen Fakultät Graz,

Beiratsmitglied von GEIST & LEBEN

bernhard.koerner@uni-graz.at

Gott verloren?

„Jedes Mal, wenn die Menschheit ein Denksystem aufgibt, meint sie Gott zu verlieren.“ Mit diesen Worten beginnt der Jesuitentheologe Henri de Lubac (1896–1991) das letzte Kapitel seines Buches Auf den Wegen Gottes . Wie er selbst erklärt, war es seine Absicht, mit diesem Buch „einigen Menschen auf der Suche nach ihrem Gott eine brüderliche Hand zu reichen“. „Jedes Mal, wenn die Menschheit ein Denksystem aufgibt, meint sie Gott zu verlieren.“ Nicht zuletzt dieser Satz lässt ahnen, dass das Buch immer noch aktuell ist. Auch für die, die sich Gottes sicher sind, und die, die sich und anderen über ihren Glauben an Gott Rechenschaft ablegen wollen. Der Satz beschreibt eine bedrängende Wirklichkeit: den Eindruck, Gott geht mir (oder uns) verloren. Dass die Konturen Gottes verschwimmen. Dass Gott im Leben und Denken ortlos wird. Dass der Glaube an ihn – wie es einmal Karl Rahner formuliert hat – wie Sand zwischen den Fingern zerrinnt. Und je mehr man ihn festhalten möchte, umso schneller verschwindet er. Am Ende, ob man es will oder nicht, steht ein Leben ohne Gott. Gott-los. Henri de Lubac spricht von der Menschheit, von einer epochalen Möglichkeit. Aber eingeschlossen ist auch die persönliche Möglichkeit, Gott zu verlieren.

Was de Lubac beschreibt, ist aber keine Sackgasse. Eingeschlossen in seine Feststellung ist auch die Richtungsangabe für einen Aus-Weg. Der Eindruck, dass Gott verloren geht, entsteht, wenn ein Denksystem aufgegeben wird oder werden muss. Mit dem Stichwort „Denksystem“ deutet er an: Immer wenn wir den Glauben an Gott verstehen wollen und zur Sprache bringen, geschieht das innerhalb unserer Denkkoordinaten, mit unserem Wissen, unseren Kategorien, unserer Sprache – mit unserem Denksystem. Die Gesellschaft und die Kultur, in die wir hineingeboren sind, und unsere eigene Lebensgeschichte prägen das Denken, mit dem wir nicht zuletzt im Sprechen oder Schweigen zum Ausdruck bringen, was wir meinen, wenn wir von Gott oder dem Glauben an ihn sprechen. Das aber heißt auch: Gott und unser Gott-Denken sind zwei verschiedene Dinge. Der Gott, den Menschen zu verlieren meinen, ist immer der innerhalb eines Denksystems gedachte Gott. Oder mit einem anschaulichen Beispiel, das Leon Bloy formuliert hat: Wenn einer aufhört, an seinen hölzernen Gott zu glauben, dann heißt das nicht, dass es keinen Gott gibt, sondern dass er nicht aus Holz ist.

Der Satz von Henri de Lubac eröffnet nicht nur einen Weg, er lädt auch ein, sich zu erinnern. An Brennpunkte in der großen und der persönlichen Geschichte des Glaubens, wo an die Stelle eines alten ein neues Denksystem getreten ist. Und schließlich auch Gott neu gedacht werden musste – und konnte! Vielleicht zum ersten Mal, als die Christen ihren „Gott Abrahams, lsaaks und Jakobs“ in der hellenistischen Kultur zur Sprache bringen mussten – als den göttlichen Urgrund, der freilich im Licht des Glaubens immer mehr zum lebendigen Gott wurde. Zu denken ist aber auch an Thomas von Aquin, der Gott in den Koordinaten der aristotelischen Metaphysik gedacht hat. Und heute ist es das Denksystem der modernen empirischen Wissenschaften, besonders der Naturwissenschaften, das uns prägt. Hier scheinen noch nicht alle Herausforderungen bewältigt. Die engagiert geführten Debatten zu den Themen „Monotheismus“ und „Panentheismus“ belegen es ebenso wie die unverkennbare Anziehungskraft fernöstlicher Gottes-Vorstellungen gerade auch bei spirituell Interessierten. Und schnell entsteht ausgesprochen oder unausgesprochen der Eindruck, dass beim Versuch, Gott auf neue Weise zu denken, der persönliche Gott verloren geht. Auf jeden Fall ist eine neue Aktualität der negativen Theologie unverkennbar: Gott, der kein Teil unserer Welt ist, sondern ihr Ursprung. Namenlos anwesendes heiliges Geheimnis – so hat ihn Karl Rahner genannt. Und wichtige Stimmen mahnen zu Recht die Mühe ein, den Gott, an den wir glauben, in unserem Weltbild angemessen zu denken – für uns und andere, denen wir Auskunft schulden.

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