Inhalt
Heft 2 | April-Juni 2021
Jahrgang 94 | Nr. 499
Notiz
Sich von Habermas etwas sagen lassen Bernhard Körner
Nachfolge
Plädoyer für eine Fahrrad-Spiritualität Edith Kürpick FMJ
Madeleine Delbrêl. Ein Interview mit Annette Schleinzer Annette Schleinzer
„Ich … kann den Mund nicht halten“. Petrus Canisius und das Apostolat der Geschwätzigkeit Mathias Moosbrugger
Die Verborgenheit Gottes. Eine ignatianische Betrachtung zur Markuspassion Felix Körner SJ
Nachfolge | Kirche
„Und sie erkannten, dass sie nackt waren“ (Gen 3,7). Über die Sexualität in ihrem kirchlichen Kontext François Cassingena-Trévedy OSB
Geistliche Kommunion 2.0. Zur Renaissance eines theologischen Begriffs Stefan Kopp
Das Martyrium in Gnade und Freiheit. Überlegungen zum ökumenischen Gedenken Roman Winter
Die Ränder evangelisieren die Kirche. Impulse für einen Ortswechsel Kleine Schwester Ulrike von Jesus
Nachfolge | Junge Theologie
Gottbegegnung in Menschenbegegnung. Liturgie und Diakonie bei E. Schillebeeckx Agnes Slunitschek
Reflexion
„Lümmelnde Engelchen“ vor der Madonna? Zur Deutung von Raffaels populärstem Bild Willibald Hopfgartner OFM
Unbedingt anerkannt?! Apersonale Spiritualitäten - christlich reflektiert Johannes Lorenz
Immer wieder in die Schule gehen. Lernen bei Ignatius von Loyola Hans Brandl SJ
Lektüre
„Die Nacht ist vorgedrungen“. Ein Weihnachtslied von Jochen Klepper in der Passionszeit Egbert Ballhorn
Buchbesprechungen
Impressum
GEIST & LEBEN – Zeitschrift für christliche Spiritualität. Begründet 1926 als Zeitschrift für Aszese und Mystik
Erscheinungsweise: vierteljährlich
ISSN 0016–5921
Herausgeber:
Deutsche Provinz der Jesuiten
Redaktion:
Christoph Benke (Chefredakteur)
Britta Mühl (Lektorats-/Redaktionsassistenz)
Redaktionsbeirat:
Margareta Gruber OSF / Vallendar
Stefan Kiechle SJ / Frankfurt
Bernhard Körner / Graz
Edith Kürpick FMJ / Köln
Ralph Kunz / Zürich
Jörg Nies SJ / Stockholm
Andrea Riedl / Dresden
Klaus Vechtel SJ / Frankfurt
Redaktionsanschrift:
Pramergasse 9, A–1090 Wien
Tel. +43–(0)664–88680583
redaktion@geistundleben.de
Artikelangebote an die Redaktion sind willkommen. Informationen zur Abfassung von Beiträgen unter echter.de/zeitschriften/geist-und-leben. Alles Übrige, inkl. Bestellungen, geht an den Verlag. Nachdruck nur mit besonderer Erlaubnis. Werden Texte zugesandt, die bereits andernorts, insbesondere im Internet, veröffentlicht wurden, ist dies unaufgefordert mitzuteilen. Redaktionelle Kürzungen und Änderungen vorbehalten. Der Inhalt der Beiträge stimmt nicht in jedem Fall mit der Meinung der Schriftleitung überein. Für Abonnent(inn)en steht GuL im Online-Archiv als elektronische Ressource kostenfrei zur Verfügung. Nichtabonnent(inn)en können im Online-Archiv auf die letzten drei Jahrgänge kostenfrei zugreifen. Registrierung auf echter.de/zeitschriften/geist-und-leben.
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Visuelle Konzeption: Atelier Renate Stockreiter
E-Book-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim, www.brocom.de
Notiz
Bernhard Körner | Graz
geb. 1949, Dr. theol., Prof. em. für Dogmatik an der Katholisch-Theologischen Fakultät Graz, Beiratsmitglied von GEIST & LEBEN
bernhard.koerner@uni-graz.at
Sich von Habermas etwas sagen lassen
In einer Rede zum 80. Geburtstag des jüdischen Gelehrten Gershom Scholem (1897–1982) hat Jürgen Habermas darauf aufmerksam gemacht, dass sich die Geisteswissenschaften bei der Auslegung von Texten der Vergangenheit „in jener merkwürdigen Ambivalenz“ bewegen „zwischen der Erhellung von Dokumenten, aus denen wir noch Lebenswichtiges lernen können, und der Entzauberung ihres dogmatischen Geltungsanspruches“. So werden die Weitergabe und Aneignung von Tradition „zugleich ermöglicht und vernichtet“ 1. Was heißt das? Dazu muss man wissen: Scholem, den Habermas mit seiner Rede ehrt, hat sich mit jüdischer Mystik befasst, er war aber selbst kein Mystiker. Er spricht also über etwas, wozu er in seiner eigenen Erfahrung keinen Zugang hat. Wie kann er dann mystische Texte verstehen und verständlich machen? Gerade im Blick auf die Mystik bleibt nur ein Ausweg – der Interpret muss die Texte im Licht seines Wissens über die Mystik, also in der Außenperspektive und nicht in der Innenperspektive lesen. Und das gilt nicht nur für die Mystik, sondern oft genug für Aussagen des Glaubens überhaupt.
Dieser Wechsel der Perspektive mag auf den ersten Blick harmlos erscheinen, ist es aber nicht. Denn in der Außenperspektive wird der Wahrheitsanspruch einer Glaubensüberzeugung in Klammern gesetzt. Nehmen wir ein Beispiel: Teresa von Avila spricht von ihrer mystischen Begegnung mit Christus. Diese ist für sie eine Wirklichkeit, eine Erfahrung. Religionswissenschaftler(innen) oder Theolog(inn)en, die keine mystischen Erfahrungen haben, können darüber nur in der Außenperspektive sprechen. Sie sagen – genau genommen – nicht: „Christus ist Teresa erschienen“, sondern nur „Teresa war überzeugt, dass ihr Christus erschienen ist“. Das kann sogar ein(e) Atheist(in) sagen, denn der Geltungsanspruch der mystischen Erfahrung ist in Klammern gesetzt, „entzaubert“ – wie Habermas sagt.
Was haben diese Überlegungen mit gelebter Spiritualität und Seelsorge zu tun? Ich meine: sehr viel. Dass in unserer Gesellschaft die religiöse Rede eine große Herausforderung darstellt, ist nicht neu. Was Jürgen Habermas anspricht, wird dabei allerdings kaum in Rechnung gestellt. Es ist zuzugeben, dass es manchmal gut, ja unumgänglich sein kann, in der Außenperspektive zu sprechen, einfach wiederzugeben, was andere im Glauben erfahren und erkannt haben. Oder was in der Bibel berichtet wird. Dabei kann die Frage, ob es das gibt, wovon erzählt wird, offenbleiben. Aber früher oder später stellt sich dann doch die Frage, wie es wirklich war, oder ob es das geben kann, wovon die Rede ist. Und das heißt: Man muss von der Außen- in die Innenperspektive wechseln.
Damit ist aber klar, dass eine universitäre Ausbildung für die Seelsorge, geistliche Begleitung, Exerzitien, Predigt usw. allein nicht genügt. Theologie an der Universität erhebt den Anspruch, Wissenschaft zu sein. Zumal heute will sie dadurch ihren Platz im Haus der Wissenschaften sichern. Deshalb wird sie über Gott in der Regel – nicht anders als die Religions- oder Kulturwissenschaften – in der Außenperspektive sprechen. Das schließt nicht aus, dass Vortragende dann und wann auch in der Innenperspektive ihren Glauben erkennen lassen. Das auch, weil es für Studierende manchmal irritierend ist, dass der Glaube so distanziert thematisiert wird. Erst recht gilt das für die Seelsorge. Wird nur in der Außenperspektive gesprochen, dann kann das Geglaubte nicht durch das Zeugnis als Wirklichkeit zur Sprache kommen. Ob es gilt, bleibt unklar.
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