Inhalt
Heft 1 | Januar-März 2020
Jahrgang 93 | Nr. 494
Notiz
Die Jahreslosung – der letzte Schrei?Ralph Kunz
Nachfolge
Vom Nutzen der Heiligen
Peter Gemeinhardt
Akademie „Führung und Persönlichkeit“. Ignatianische Spiritualität für künftige Führungskräfte
Michael Bordt
SJ Johannes Lober
Anton Bruckners Frömmigkeit
Elisabeth Maier
Zur Spiritualität von Tibhirine. Tagungsbericht
Cornelius Roth
Nachfolge | Kirche
Mehr als Gehorsam – Gott zuliebe Bernd Liebendörfer
Brief an das Volk Gottes. Hinführung zur Lektüre
James Hanvey SJ
Theologie der geistlichen Gemeinschaften in der ev. Kirche? Werkstattgespräch (2.–4. April 2019)
Sr. Nicole Grochowina
Br. Franziskus Joest
Nachfolge | Junge Theologie
Erinnerung in ökumenischer Liturgie Verena Hammes
Reflexion
Göttliche und tierliche Transzendenz. Zu heidnischen Tiergottheiten und biblischem Bilderverbot
Thomas Ruster
Vergänglichkeit der Tiere?
Lisa-Marie Kaiser
Der Kuss des Kusses des Mundes. Das Hohe Lied
Martin Dieckmann
Lektüre
Wie das Hohelied emotional verbindet. Mit der Sprache der Liebenden zu Gott reden
Melanie Peetz
Eugènie Smet – Gründerin der Helferinnen
Michel de Certeau SJ
The Pillar of the Cloud
John Henry Newman
Buchbesprechungen
Impressum
GEIST & LEBEN – Zeitschrift für christliche Spiritualität. Begründet 1926 als Zeitschrift für Aszese und Mystik
Erscheinungsweise: vierteljährlich
ISSN 0016–5921
Herausgeber:
Deutsche Provinz der Jesuiten
Redaktion:
Christoph Benke (Chefredakteur)
Britta Mühl (Lektorats-/Redaktionsassistenz)
Redaktionsbeirat:
Bernhard Bürgler SJ / Wien
Margareta Gruber OSF / Vallendar
Stefan Kiechle SJ / Frankfurt
Bernhard Körner / Graz
Edith Kürpick FMJ / Köln
Ralph Kunz / Zürich
Jörg Nies SJ / Stockholm
Klaus Vechtel SJ / Frankfurt
Redaktionsanschrift:
Pramergasse 9, A–1090 Wien
Tel. +43–(0)664–88680583
redaktion@geistundleben.de
Artikelangebote an die Redaktion sind willkommen. Informationen zur Abfassung von Beiträgen unter echter.de/zeitschriften/geist-und-leben. Alles Übrige, inkl. Bestellungen, geht an den Verlag. Nachdruck nur mit besonderer Erlaubnis. Werden Texte zugesandt, die bereits andernorts, insbesondere im Internet, veröffentlicht wurden, ist dies unaufgefordert mitzuteilen. Redaktionelle Kürzungen und Änderungen vorbehalten. Der Inhalt der Beiträge stimmt nicht in jedem Fall mit der Meinung der Schriftleitung überein.
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Dominikanerplatz 8, D–97070 Würzburg
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Visuelle Konzeption: Atelier Renate Stockreiter
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Jahresabonnement € 42,00
Studierendenabonnement € 28,00
jeweils zzgl. Versandkosten
Vertrieb: Zu beziehen durch alle Buchhandlungen oder direkt beim Verlag. Abonnementskündigungen sind nur zum Ende des jeweiligen Jahrgangs möglich.
Ralph Kunz |Zürich
geb. 1964, Dr. theol., Professor für Praktische Theologie an der Universität Zürich, Beiratsmitglied von GEIST & LEBEN
ralph.kunz@theol.uzh.ch
Die Jahreslosung – der letzte Schrei?
Jahreslosungen begleiten die Gemeinde Jesu in das neue Jahr hinein und stiften Orientierung für eine Weggemeinschaft, die nach vorne blickt. Die Jahreslosung für 2020, „Ich glaube, hilf meinem Unglauben!“, spricht allerdings ein Thema an, das eher gegenläufig als eingängig ist. Tatsächlich ist der Ruf in Mk 9,24 wortwörtlich der letzte Schrei eines Menschen, der seine ganze verbliebene Hoffnung auf einen fremden Menschen setzt, dem er zum ersten Mal begegnet. Der Ausruf markiert den Wendepunkt in der berührenden Geschichte eines Vaters, der für seinen kranken Sohn glaubt. Was bedeutet es, wenn sein Schrei unsere Losung wird? Der Schrei ist sowohl Bitte als auch Bekenntnis. Indem sich der Bittende als ein Glaubender bekennt, der seinen Unglauben wahrnimmt, bekennt er zugleich seinen Unglauben. Aber als einer, der Jesus bittet, „hilf meinem Unglauben“, nimmt er auch seinen Glauben wahr! Glaubt er oder glaubt er nicht? Das ist ziemlich vertrackt. Umgangssprachlich bezeichnet „Glauben“ eine starke Meinung und ein schwaches Wissen. Wenn „Meinen“ ein problematisches oder vorläufiges Urteilen bedeutet, ist „Glauben“ das Fürwahrhalten eines Sachverhalts, das subjektiv für zureichend, aber objektiv für unzureichend gehalten wird. Unglauben wäre dann das, was ich für unwahrscheinlich halte.
Der sogenannte doxastische Glaube kann sich auf Kants Versuch beziehen, Meinen, Glauben und Wissen als unterschiedlich starke Arten der Wahrnehmung in eine Reihe zu bringen. Es liegt auf der Hand, dass es bei einer so gedachten Steigerung der Gewissheit immer geboten ist, Glauben in ein Wissen zu überführen, um vernünftiger leben und handeln zu können. Mit dem Glauben an Jesus Christus und dem Vertrauen in Gottes Güte hat dies aber herzlich wenig zu tun. Hilft die Losung, das andere Glaubensverständnis zu vertiefen? Mit der Brille dieser Unterscheidung gelesen, wird jedenfalls der Kontrast im Kontext der Geschichte noch schärfer. Jesus kommt mit drei Jüngern vom Berg der Verwandlung herab. Was sie jetzt erfahren, ist – in Umkehrung zum Pauluswort (2 Kor 5,6 f.) – ein Abstieg „vom Schauen zum Unglauben“, ein symbolischer Gang in die Niederungen der vom Bösen bedrängten Menschenwelt, die durch mangelnden Glauben geprägt ist. Was Jesus unten antrifft, entlockt ihm einen messianischen Seufzer: „O du ungläubiges Geschlecht, wie lange soll ich bei euch sein?“ (Mk 9,19) Damit ist das Thema des Unglaubens gesetzt. Doch jetzt richtet sich die „Kamera“ des Erzählers auf den, der sich als Vater eines kranken Knaben zu erkennen gibt. Jesus wendet sich ihm zu. Es bleibt nicht unbemerkt von der Macht, die durch den Auftritt Jesu provoziert wird. Der kurze Wortwechsel zwischen dem Vater und Jesus führt zu einer Attacke des Dämons. Jesus beobachtet den Angriff und fragt den Vater wie ein Arzt, der eine Anamnese vornimmt: „Seit wann geschieht ihm das?“ Man hört eine lange Leidensgeschichte und spürt die Frustration des Vaters. Die letzte Episode in dieser Kaskade der Enttäuschungen war das Versagen der Jünger. Jetzt steht der Vater vor dem Meister und packt die Gelegenheit beim Schopf. „Doch wenn du etwas vermagst, so hilf uns, indem du dich über uns erbarmst!“ In die Bitte mischt sich ein Vorbehalt. Der Zweifel spricht mit. „Hilf, wenn Du vermagst.“ Aber es spricht auch der Glaube. „Hilf, indem du dich erbarmst.“ Jesus antwortet mit einer Belehrung. Er nimmt die Formulierung des Vaters auf und kommentiert: „Was das ‚wenn du vermagst‘ betrifft, gilt, dass dem Glaubenden alles möglich ist.“ Das ist natürlich nicht nur für die Ohren des Gegenübers bestimmt. Auch die Jünger, die Herumstehenden und die Schriftgelehrten sollen es hören. Und der Vater hört die Ermutigung. Dem Glaubenden ist alles möglich! Er zögert keine Sekunde und schreit: „Ich glaube, hilf meinem Unglauben.“ Die Losung ist geboren!
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