Es dauerte nicht lange, bis wir uns die Kleider abgestreift hatten und uns liebten. Draußen krachte der Donner und der Regen schlug gegen die Fensterscheibe.
Wenn ich daran denke, erschauere ich noch heute.
Als wir den Höhepunkt erreichten, stöhnte Ronni „Lisa“. Dieses Wort ließ mein Herz erfrieren. Ich versuchte aber, mir in diesem Moment nichts anmerken zu lassen.
Später lagen wir schweigsam nebeneinander. Ronni schien kurz vor dem Einschlafen zu sein. In mir ging alles drunter und drüber. Meine Gedanken, die ich nicht abstellen oder eindämmen konnte, hämmerten in meinem Gehirn. Ich rief mir immer wieder den Augenblick in Erinnerung- Hatte er tatsächlich „Lisa“ gestöhnt oder meinte er vielleicht mich und stöhnte „Liebste“? Ich fand keine Antwort.
Die Eifersucht und das Misstrauen gegen Ronni wuchsen wie ein Geschwür in mir und meine Stimmung war verdorben. Es war jedoch nicht nur die Eifersucht, die an meiner Seele nagte. Die Tatsache, dass mir dadurch die Angst vor Augen geführt wurde, ihn zu verlieren, wog genauso schwer.
So, wie er den Namen gestöhnt hatte, empfand ich das als einen grausamen Schlag gegen mein Selbstbewusstsein. War doch bisher die lustvolle Nennung meines Namens ein sicheres Zeichen für seinen Höhepunkt gewesen. Und jetzt das.
„Lisa“ war natürlich nicht nur ein Name, für eine für mich völlig unbekannte Frau. Mit „Lisa“ verband ich sofort die vor einiger Zeit ermordete Kollegin meines Mannes.
War da mehr als eine berufliche Beziehung gewesen? Sicherlich, beide mochten sich, das war seinerzeit offensichtlich. Aber wieso stöhnte mein Mann ihren Namen, während wir uns liebten?, grübelte ich.
Hatte ich mich tatsächlich nur verhört oder war ich hysterisch?
Ronni schien meinen Schock nicht bemerkt zu haben. Womöglich lag es am Wein – er war eingeschlafen. Voller Ärger vernahm ich seine gleichmäßigen Atemzüge. War das ein Zeichen für sein ruhiges Gewissen oder lag es allein am Rotwein?
Wenn ich heute an die Nacht von damals denke, erinnere ich mich, dass ich in dieser Nacht keine Minute geschlafen habe.
Die Zeit, in der mein Mann mit Lisa Brenner zusammen gearbeitet hatte, flog als zusammenhanglose Bildfetzen an meinem inneren Auge vorbei. Manchmal waren die Bilder klar, manchmal verschwommen oder nur angedeutet. Ein Bild sprang mir dabei immer wieder vor Augen. Das Gesicht von Lisa Brenner – und dieses Bild war klar und deutlich. Manchmal, wenn mich die Müdigkeit überkam, lächelte mich das Gesicht hämisch an. Sofort war meine Müdigkeit verflogen und ich war wieder hellwach.
In dieser Nacht liefen in meinem Kopf nochmals Ronnis Ermittlungen mit Lisa Brenner im damaligen, nebligen Herbst ab.
Er hatte damals zwei Morde an Frauen aufzuklären, die grausam hingerichtet worden waren. Die erste Leiche wurde auf der Burg Blankenberg gefunden. Die zweite auf der Burg Windeck. Der Mörder hatte furchtbare Rituale aus dem Mittelalter für seine Tat verwendet. Lisa war gerade von Köln nach Bonn versetzt worden und Ronnis Chef hatte sie ihm zur Unterstützung an die Seite gestellt. Für sie war es der erste Mordfall und eine riesige Herausforderung. Im Laufe des Falles stellte sie sich überraschend als große Unterstützung für Ronni dar und er schätzte sie immer mehr als kompetente Kollegin und Partnerin. Da der Fall völlig undurchsichtig war und eine mögliche Aufklärung in weiter Ferne zu sein schien, hatte sogar Frank Eisenstein seinen vorgezogenen Ruhestand beendet. Für ihn, Ronni und Lisa war es unzweifelhaft: Der Täter hasste Frauen, die ihren Mann verlassen hatten. Er sah sich als legitimer Rächer der betrogenen und verlassenen Ehemänner. Auch Lisa hatte eine gescheiterte Beziehung hinter sich. Ihre Leiche fand man schließlich auf dem Burghof der Burg Wissem in Troisdorf. Als der Psychopath dann auch noch mich als Geisel in seine Gewalt bekam, brach für Ronni eine Welt zusammen. Gott sei Dank konnte er mich retten und den Mörder überwältigen, der dabei vom Dach eines Hochhauses stürzte. Mehr hatte ich auch später nicht erfahren. Wahrscheinlich wollte man mir aus Rücksicht auf meine damalige labile psychische Verfassung weitere Einzelheiten ersparen.
Für mich waren das seinerzeit die schlimmsten Stunden. Ich war noch nie einem Menschen so dankbar, wie Ronni. Er hatte mein Leben gerettet.
Doch was war das für ein Leben. Mein Leben war ziemlich aus den Fugen geraten. In mir herrschte nur noch Chaos und Angst. Viele Therapiestunden bei einer guten Psychologin brachten mich schließlich wieder in ruhiges Fahrwasser und zurück in ein normales Leben.
Einen Hinweis auf ein mögliches Verhältnis mit Lisa hatte Ronni mir in der gesamten Zeit nie geliefert.
Wenn ich heute hin und wieder an jene Zeit zurückdenke, erhebt sich in mir wieder das Gefühl der Angst und des Chaos. Doch heute kann ich mit diesem Gefühl umgehen und weiß, dass alles vorbei ist – endgültig.
Ronni unterstützte mich, wo er nur konnte. Lisa Brenner war kein Thema, obschon ich ihm anmerkte, wie sehr ihn ihr Tod getroffen hatte. Für mich war das nachvollziehbar, schließlich war sie eine Kollegin – eine ausgezeichnete, sympathische Kollegin.
Doch mehr? Zuneigung oder Liebe?
Nie hätte ich daran einen Gedanken verschwendet.
Und in dieser Nacht, während das Gewitter tobte, stöhnte er im schönsten Augenblick ihren Namen!
Am nächsten Tag ging Ronni zum Dienst, als wäre nichts gewesen. Für ihn war natürlich auch nichts geschehen. Ich hatte mich bemüht, mir nichts anmerken zu lassen und ihn auch nicht zur Rede gestellt. Ich war unsicher und brauchte Zeit zum Nachdenken.
Nachdem er das Haus verlassen hatte, meldete ich mich im Büro krank. Ich konnte mich unmöglich mit gut gelaunten Kolleginnen umgeben und irgendwelche, für mich belanglose Arbeiten erledigen. Zuerst wollte ich mich ablenken und mir positive Gedanken machen, die vergangene Nacht vergessen. Wahrscheinlich waren meine Gedanken und Befürchtungen völlig abwegig und unbegründet.
Tatsächlich unbegründet? Da war sie wieder: Die Angst, die Eifersucht.
Ich holte das Fotoalbum von unserer Hochzeit aus dem Schrank. Langsam blätterte ich Seite für Seite um. Ich merkte, dass ich mir zwar die Bilder anschaute, sie aber nicht bis in mein Gehirn drangen. Das Umblättern wurde fahriger, bis ich das Fotoalbum zuschlug. Ich war wütend über mich selbst.
Den Tag über lief ich unruhig in der Wohnung auf und ab. Mehrmals versuchte ich es nochmal mit den Hochzeitsfotos. Aber sobald ich das erste Bild sah, auf dem mein Mann abgebildet war, schlug ich das Fotoalbum mit Wucht zu.
Ich war wütend und die Wut richtete sich mehr und mehr gegen Ronni, meinen Ehemann. Etwas war beschädigt worden, beschädigt in meinem Herzen.
Er rief an diesem Abend an, dass er mit Frank auf ein Bier in eine Kneipe in der Altstadt gehen würde.
Er kam spät nach Hause. Ich lag bereits im Bett. Ich wunderte mich über mich selbst, wie gefasst und ruhig ich kurz mit ihm sprechen konnte.
„Wie war es?“ – „Hattet ihr einen schönen Abend?“ – „Gibt es etwas Neues?“
Die üblichen Fragen, die eine Ehefrau stellt, wenn der Ehemann mit einem Freund unterwegs war und spät nach Hause kommt. Die Antworten waren dementsprechend knapp.
„Gut.“ – „Ja.“ – „Nein.“
Als er aus dem Bad ins Bett kam und mir einen Kuss gab, roch ich den Alkohol. Es war wohl mehr als ein Bier geworden. Er drehte sich um und schlief sofort ein.
Ich dagegen lag noch immer wach und ärgerte mich über seine Gleichgültigkeit und scheinbare Ruhe. Plötzlich erwachte ich. Ich musste wohl doch eingeschlafen sein. Die Uhr neben meinem Bett zeigte an, dass es zwei Stunden später war. Ronni wälzte sich neben mir unruhig von einer Seite auf die andere. Er schien zu träumen. Unverständliche Laute drangen aus seinem Mund.
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