Heribert Weishaupt
Ein Troisdorf-Krimi
Heribert Weishaupt
Totenstille am See
Ein Troisdorf-Krimi
Cover:
Sieglarer See, Foto: Heribert Weishaupt
Illustration: adpic.de / A. Armyagov
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1. Auflage
© Winter 2013
Impressum
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eISBN: 978-3-939829-99-7
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Prolog
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
Epilog
Anmerkung
Wer der Meinung ist, dass man für Geld alles haben kann, gerät leicht in den Verdacht, dass er für Geld alles zu tun bereit ist .
(Benjamin Franklin)
Die nackte Glühbirne tauchte den Raum in ein diffuses Licht. Wahrscheinlich war es eine der letzten des 130 Jahre alten Leuchtmittels, das ab September 2012 nicht mehr auf den Markt gebracht werden durfte. Die Lichtstärke von 20 Watt ließ den mehr als dreißig Quadratmeter großen Raum noch düsterer und unheimlicher wirken, als er tatsächlich war. In den kahlen Betonwänden befand sich weder ein Fenster noch irgendeine sonstige Öffnung. Lediglich eine verrostete Eisentüre unterbrach den kahlen Beton. Die Luft war feucht und der Geruch von Exkrementen erschwerte zusätzlich das Atmen.
Er lag auf dem Rücken, Beine und Arme leicht vom Körper abgewinkelt. Seine Hände und Fußgelenke waren mit schmalen Lederriemen an ein in den Beton eingelassenes Eisen rechts und links von ihm angebunden. Über seine Stirn zog sich ein ähnlicher Lederriemen und gestattet nicht die kleinste Drehung des Kopfes.
Die einzige Bewegung, die seine Fesseln zuließen, war das Zittern, das seinen gesamten Körper ergriffen hatte.
In regelmäßigen Abständen fiel ein Wassertropfen genau auf seine Nasenwurzel zwischen seinen Augen. Er konnte den Zeitabstand bis zum nächsten Tropfen genau einschätzen. Bereits kurz vorher schloss er seine Augen und verbarg dadurch seine geröteten Augäpfel.
Er hätte nie gedacht, dass diese Foltermethode so grausam sein könnte. Die Kälte, die der feuchte Betonboden abgab, nahm er seit geraumer Zeit nicht mehr bewusst wahr.
Er war sicher, dass er diesen Raum nicht mehr lebend verlassen würde. Inzwischen war er so weit, dass er den Tod herbeisehnte. Die Vorstellung, bald dieses erlösende Gefühl zu spüren, ließ ihn die Schmerzen und Qualen weiter ertragen.
„Unterschreibe und alles ist vorbei und du bist frei“, drang wieder diese dumpfe, monotone Stimme mit den gleichen, eindringlichen Worten an sein Ohr und ließ ihn aufschrecken.
Er würde nicht unterschreiben, egal was sie mit ihm anstellten. Dieser letzte Triumph würde ihm gehören. Denn auch, wenn er sich tatsächlich entschließen würde zu unterschreiben, würde man ihn mit Sicherheit nicht freilassen.
„Niemals“, war zum wiederholten Male seine Antwort, die krächzend aber bestimmt aus seinem Mund kam.
Und wieder traf ein Wassertropfen seine Nasenwurzel und das Wasser rann ihm in die entzündeten Augen. Wieso musste Sterben so schwer sein?
Paul Altmann erwachte, schlug die Augen auf und saß gleichzeitig aufrecht im Bett. Es dauerte einige Augenblicke, bis er begriff, dass er geträumt hatte. Der dünne Schlafanzug klebte an seinem schweißnassen Körper. Er zitterte. Doch jetzt war kein Albtraum dafür verantwortlich, in dem er vor Angst zitternd auf dem Boden lag, sondern der Herbstwind, der durch das halb geöffnete Fenster blies.
Inzwischen häuften sich die Nächte, in denen Albträume ihn um den gesunden Tiefschlaf brachten. Trotzdem stand sein Entschluss fest. Er würde nicht klein beigeben.
Die letzten herbstlichen Sonnenstrahlen versanken am Horizont hinter dem Kirchturm der St.-Johannes-Kirche in Troisdorf-Sieglar. Mit dem Untergang der Sonne endete ein angenehm, warmer Herbsttag und in den nächsten Stunden würden die Temperaturen erheblich sinken. Franz Bertram fuhr mit seinem Wagen die Hüttenstraße entlang bis zum Wanderparkplatz direkt hinter dem Hochwasserschutzdamm der Sieg, die von hier aus in wenigen Kilometern in den Rhein mündet. Dort stellte er seinen alten Mercedes 190 D ab. Inzwischen war sein geliebtes Gefährt stolze zwanzig Jahre alt. Er würde ihn auch künftig hegen und pflegen – und nach weiteren zehn Jahren wäre er würdiger Besitzer eines Oldtimers.
Der Parkplatz war an diesem Samstagabend leer. Die Spaziergänger und Wanderer, die das schöne Wetter genutzt hatten, waren um diese Zeit wieder zu Hause. Für Liebespaare, die sich manchmal auf dem Parkplatz im Auto vergnügten, war es dagegen noch zu früh und vor allem nicht dunkel genug.
In dieser Nacht endete die Sommerzeit. Die Uhren würden wieder eine Stunde zurückgestellt werden … und ab morgen wäre es um diese Zeit noch lange heller Tag. Franz wollte heute die frühe Dunkelheit noch einmal zum Nachtangeln nutzen.
Er stieg aus, ging um seinen Wagen herum und setzte sich auf den Beifahrersitz, um seine Stiefel anzuziehen, die er vorsorglich vor der Abfahrt vor den Sitz gelegt hatte. Auf dem Beifahrersitz hatte er mehr Bewegungsfreiheit. Hier störte ihn nicht das Lenkrad. Die Stiefel waren bereits viele Jahre alt. Am Schaft und unter der Sohle klebte noch die getrocknete Erde von seinem letzten Angelabend.
Er öffnete den Kofferraum und griff sich die lange und prall gefüllte Angeltasche, die er sich über die Schulter hängte. In die rechte Hand nahm er seinen Angelstuhl und in die andere einen kleinen Werkzeugkoffer, in dem er Angelhaken, Blei, Posen und sonstige Kleinutensilien ordentlich sortiert verstaut hatte. Wie immer wollte er auch heute zu seinem Angelplatz am Westufer des Sieglarer Sees. Er liebte den See. Hier fand er Ruhe und Erholung vom Stress des Alltags.
Er wandte sein, von der Sonne braun gebranntes Gesicht dem Himmel zu. Nur wenige Quellwolken unterbrachen das Blau des Firmaments. Er nickte zufrieden und ging beschwingt und erwartungsvoll los.
Er überquerte den Siegdamm, um dann noch einige Hundert Meter am Ufer entlang des Sees zu gehen. Anfangs war der Weg breit, und ging später in einen engen Pfad über. Leicht außer Puste erreichte er die Stelle des Pfades, an der er den Pfad verlassen musste, um zu seinem Angelplatz am Ufer zu gelangen. In solchen Momenten, wenn er nach kurzen Anstrengungen nach Luft schnappte, haderte er mit sich selbst. Er schaute an sich herunter. Sein Bauch wölbte sich immer mehr über seine Hose, und seine Jacke ließ er so wie heute meistens offen, damit sie ihn nicht zu sehr einengte. Er hasste diese Momente und er hasste dann auch sich selbst. Vor Jahren hatte er noch eine ansprechende Figur. Inzwischen war er bequemer und das Essen seine Leidenschaft geworden. Zum wiederholten Male nahm er sich vor, etwas für seine Kondition und seinen Körper zu tun. Ja, morgen würde er mit Gymnastik und Laufen beginnen – und wenn nicht ab morgen, dann spätestens ab nächstem Wochenende.
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