2.1.3 Absagen und Aufwendungsersatz
ArbeitgeberInnen dürfen BewerberInnen mangels anderweitiger Regelung ohne Begründung absagen. Wenn eine Absage eine Begründung enthält, kann die Formulierung der Begründung Indizien im Sinne von § 22 AGG enthalten für eine Diskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Die Formulierung „Sehr geehrter Herr leider müssen wir Ihnen absagen, da wir uns für eine Sozialarbeiterin entschieden haben.“ kann ein solches Indiz enthalten.
Ein Anspruch auf Aufwendungsersatz der BewerberInnen kann sich aus § 670 BGB ergeben. Nach dieser Vorschrift werden den Beauftragten Aufwendungen ersetzt, die sie für die Ausführung des Auftrags den Umständen nach für erforderlich halten durften. Die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch kann im Gegensatz zu einer Stellenanzeige als ein Angebot für einen Auftrag des Arbeitgebers im Sinne von § 662 BGB gewertet werden. Mit der Annahme der Einladung nimmt die BewerberIn den Auftrag an. Sie kann daher diejenigen Ausgaben ersetzt verlangen, die sie im Zusammenhang mit der Einladung getätigt hat, sofern sie diese für erforderlich halten durfte. Für erforderlich halten dürfen BewerberInnen keine Vorstellungskosten, wenn die ArbeitgeberInnen diese zuvor ausgeschlossen haben. Wenn dies nicht der Fall ist, können notwendige Fahrt- und Übernachtungskosten für erforderlich gehalten werden (Schaub / Koch 2018, 711).
2.2 Vertragsschluss
Die Rechte und Pflichten in einem Arbeitsverhältnis werden durch einen wirksamen Vertragsschluss begründet. Im Folgenden werden die Merkmale eines wirksamen Vertragsschlusses erörtert.
2.2.1 Vertragsfreiheit
Die Vertragsfreiheit ist durch die Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützt. Neben einer durch Gesetze beschränkten Freiheit des Vertragsinhalts beinhaltet die Vertragsfreiheit im Arbeitsrecht, dass ArbeitgeberIn und ArbeitnehmerIn jeweils entscheiden können, ob und mit wem sie einen Arbeitsvertrag eingehen wollen.
Auch bei einem Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz durch ArbeitgeberInnen liegt gem. § 15 Abs. 6 kein Anspruch auf eine Einstellung vor. Ein Anspruch auf Einstellung kann sich dagegen im Öffentlichen Dienst aus Art. 33 Abs. 2 GG ergeben, wenn eine ermessensfehlerfreie Einstellung nur bei einer BewerberIn möglich ist (Dütz/Thüsing 2017, Rn. 99). Unter diesen Voraussetzungen kann zum Beispiel ein Bewerber eine Einstellung als Sozialarbeiter bei einem kommunalen Arbeitgeber im Rahmen eines TVÖD-Vertrages verlangen (vgl. LAG Hessen 23.4.2010 - 19/3 Sa47/09).
Weitere gesetzliche Einstellungs- bzw. Wiedereinstellungs- und Weiterbeschäftigungsansprüche können sich ergeben aus §§ 91 Abs. 6 SGB XI; 2 Abs. 5 ArbplschG und 78a Abs. 2 BetrVG (Dütz/ Thüsing 2017, Rn. 100 f.).
2.2.2 Angebot und Annahme
Ein Arbeitsvertrag setzt ein Angebot und eine Annahme voraus (vgl. §§ 145 ff. BGB). Ein Angebot beinhaltet eine Willenserklärung, welche mit dem Zugang gem. § 130 BGB wirksam wird (Palandt 2014, § 145 BGB Rn. 1). Eine Annahme setzt ebenfalls eine empfangsbedürftige Willenserklärung voraus (Palandt 2014, § 147 BGB Rn. 1). Eine Willenserklärung äußert einen Willen, der auf die Erzielung einer Rechtsfolge gerichtet ist (Palandt 2014, Einf v § 116 BGB Rn. 1).
Eine Stellenanzeige stellt kein Angebot des Arbeitgebers dar, weil der Arbeitgeber durch die Anzeige selbst noch nicht den Abschluss eines bestimmten Arbeitsvertrages erzielen will.
Eine Willensäußerung kann auch durch schlüssiges Verhalten entstehen. Wenn die Leiterin eines Jugendhauses eine Sozialarbeiterin fragt, ob diese im Jugendhaus ab dem nächsten Monat arbeiten will und die Sozialarbeiterin mit Wissen der Leiterin ohne weitere Absprachen ab dem nächsten Monat zu arbeiten beginnt, liegt ein Arbeitsvertrag vor, auch wenn über eine Vergütung nicht gesprochen wurde. Die Vergütung beurteilt sich dann gem. § 612 Abs. 2 BGB nach der in diesen Fällen üblichen Vergütung.
Gesetzliche Abschlussverbote, wie zum Beispiel das Beschäftigungsverbot von Kindern, verhindern das Zustandekommen eines Arbeitsvertrages (vgl. § 5 JArbSchG i. V. m. § 134 BGB). Öffentlichrechtliche Beschäftigungsverbote wirken sich dagegen nicht auf die Wirksamkeit eines Arbeitsvertrages aus (Dütz/Thüsing 2017, Rn. 106). Ein solches Beschäftigungsverbot stellt § 72a SGB VIII dar. Nach dieser Vorschrift dürfen Träger der öffentlichen Jugendhilfe für die Kinder- und Jugendhilfe keine Personen beschäftigen, welche wegen bestimmter Straftaten, z.B. Sexualstraftaten, verurteilt worden sind. Wenn also beispielsweise ein Sozialarbeiter, der rechtskräftig wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen nach § 174 StGB verurteilt worden ist, von einem Jugendamt eingestellt wird, dann ist dieser Arbeitsvertrag nicht nach § 134 BGB unwirksam.
2.2.3 Form
Arbeitsverträge bedürfen zu ihrer Wirksamkeit in der Regel keiner besonderen Form, so dass eine Unwirksamkeit des Arbeitsvertrages nach § 125 BGB bei Nichteinhalten der Form nicht in Betracht kommt. Formerfordernisse nach einem Tarifvertrag, z.B. nach § 2 Abs. 1 TVöD, nach § 2 NachweisG oder nach § 11 BBiG haben keine konstitutive Bedeutung bzw. sind keine Voraussetzungen für die Wirksamkeit eines Arbeitsvertrages. Sie dienen ArbeitnehmerInnen zur Beweiserleichterung in Bezug auf die Arbeitsbedingungen. Wenn die schriftliche Nachweispflicht nach § 2 NachweisG bzw. § 11 BBiG nicht beachtet wird, kann dies einen Schadensersatzanspruch der ArbeitnehmerInnen nach § 280 Abs. 1 BGB auslösen (Dütz/Thüsing 2017, Rn. 111).
Wenn eine Sozialarbeiterin sich mündlich mit einem freien Träger über einen Arbeitsvertrag einigt und nach über einem Monat nach dem vereinbarten Arbeitsvertragsbeginn entgegen § 2 Abs. 1 NachweisG noch keinen schriftlichen Arbeitsvertrag über die in der Vorschrift genannten Punkte bekommen hat, dann ist bzw. wird dieser Arbeitsvertrag nicht unwirksam. Allerdings kann sich aus § 280 Abs. 1 BGB ein Schadensersatzanspruch der Sozialarbeiterin ergeben, wenn ihr durch die Nichtaufzeichnung des Vertrages ein Schaden entstanden ist.
2.3 Inhalt des Arbeitsvertrages
Nach dem Inhalt des Arbeitsvertrages beurteilen sich die Rechte und Pflichten im künftigen Arbeitsverhältnis. Im Folgenden werden nach einer Übersicht die wesentlichen und möglichen sonstigen Inhalte eines Arbeitsvertrages allgemein dargestellt. Die Arbeitszeit wird als für die Soziale Arbeit besonders bedeutsamer Punkt gesondert erörtert.
Übersicht 4
Inhalt eines Arbeitsvertrages
1. Wesentlicher Inhalt (vgl. § 2 Abs. 1 NachweisG)
1.1 Name und Anschrift der Vertragsparteien
1.2 Beginn und ggfs. Ende des Arbeitsverhältnisses (vgl. §§ 14–23 TzBfG)
1.3 Arbeitsort bzw. Arbeitsorte
1.4 vom Arbeitnehmer zu leistende Tätigkeit
1.5 Arbeitsentgelt und Fälligkeit
1.6 Arbeitszeit (vgl. ArbZG, §§ 1–13, 22–23 TzBfG)
1.7 Urlaub (vgl. BUrlG)
1.8 Kündigungsfristen (vgl. § 622 BGB)
1.9 ggfs. Tarifvertrag, Betriebs- o. Dienstvereinbarung
2. Sonstiger möglicher Inhalt, z. B.
2.1 Probezeit (vgl. § 622 Abs. 3 BGB)
2.2 Nebentätigkeit
2.3 Urheberrecht
2.4 Ausschlussfrist
2.5 Einwilligung zur Datenverwaltung
2.6 Salvatorische Klausel
2.3.1 Wesentlicher Inhalt eines Arbeitsvertrages
Als wesentlicher Inhalt eines Arbeitsvertrages werden in diesem Zusammenhang Vertragspunkte verstanden, welche von der Nachweispflicht gem. § 2 Abs. 1 NachweisG erfasst sind. Für das Zustandekommen eines Arbeitsvertrages an sich ist die Vereinbarung sämtlicher von der Nachweispflicht erfasster Vertragspunkte nicht erforderlich. Vielmehr dient die Fixierung der Vertragsbedingungen der Beweiserleichterung für den Arbeitnehmer (vgl. Kap 2.2.3) Für das Zustandekommen eines Arbeitsvertrages ist aufgrund § 612 Abs. 2 BGB lediglich erforderlich, dass sich zwei Vertragspartnerinnen darüber einig sind, dass an einem bestimmten Arbeitsort eine bestimmte Tätigkeit als Arbeitnehmer für einen Arbeitgeber ausgeführt wird (vgl. Kap. 2.2.2).
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