Reinhard Wabnitz: Kap. 9–10, 14
Jürgen Sauer: Kap. 6–8, 11–12
Markus Fischer: Kap. 1–5, 13
Vorwort
In der Sozialen Arbeit tätige Menschen sind mit hohen beruflichen Anforderungen und mit unterschiedlichen rechtlichen Aufgaben konfrontiert. Neben Fragen nach der Zulässigkeit dieser beruflichen Anforderungen müssen sie sich auch mit Haftungsfragen auseinandersetzen.
Das Berufsrecht in der Sozialen Arbeit ist Teil des Curriculums zahlreicher Studiengänge der Sozialen Arbeit und ist relevant für alle in der Praxis tätigen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter. Praxisbezogen, systematisch und leicht verständlich werden in diesem Grundkurs die Regelungen dargestellt, die für die Ausübung der Sozialen Arbeit als Beruf bedeutsam sind. Diese Regelungen des Berufsrechts beziehen sich auf das Arbeitsrecht in Hinblick auf die Soziale Arbeit, auf die Schweigepflicht, auf die Aufsichtspflicht, auf das Anerkennungs- und Versicherungsrecht sowie auf Fragen zur Sozialen Arbeit als Rechtsdienstleistung und auf Fragen zum Rechtsschutz.
Studierende werden mit Übersichten, Fällen und Musterlösungen auf ihre Rechte und Pflichten in der späteren beruflichen Praxis und auf Modulprüfungen vorbereitet. Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern bietet der Grundkurs einen Ratgeber für berufsrechtliche Fragen.
Wiesbaden im November 2018
Markus Fischer
Jürgen Sauer
Reinhard J. Wabnitz
1 Einführung in das Arbeitsrecht
Die Einführung beinhaltet die Grundlagen des Arbeitsrechts aus der Sicht von SozialarbeiterInnen.
1.1 Sonderrecht der ArbeitnehmerInnen
Das Arbeitsrecht gehört als besonderes Schuldrecht zum Zivilrecht. Es dient dem Schutz der in einem Arbeitsverhältnis beschäftigten Menschen und wird daher als das Sonderrecht der ArbeitnehmerInnen bezeichnet (Dütz/Thüsing 2017, Rn. 1a).Es wird als Sonderrecht eingestuft, da dieser Personenkreis aufgrund seiner wirtschaftlich schwächeren Position im Vergleich zu ArbeitgeberInnen als schutzbedürftig angesehen wird. Deswegen wird die im Zivilrecht geltende Vertragsfreiheit durch arbeitsrechtliche Vorschriften eingeschränkt (vgl. 105 GewO).
Die Tätigkeiten der Sozialen Arbeit werden durch ArbeitnehmerInnen, BeamtInnen und durch selbständig Tätige ausgeführt. Im Folgenden werden diese drei Tätigkeitsformen voneinander abgegrenzt.
Übersicht 1
Tätigkeitsformen in der Sozialen Arbeit
1. ArbeitnehmerInnen gem. § 611 a BGB
1.1 Arbeitsvertrag
1.2 Verpflichtung
1.2.1 zu weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit
1.2.2 in Bezug auf Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit
1.2.3 nach Gesamtbetrachtung
2. BeamtInnen
2.1 Verfassungsrechtliche Grundlagen: Art. 33 GG, 74 Abs. 1 Nr. 27 GG
2.2 Gesetzliche Grundlagen: Beamtenstatusgesetz, Landesbeamtengesetze (z. B. Hessisches Beamtengesetz)
3. Selbständige
3.1 Abgrenzung zu ArbeitnehmerInnen:
3.1.1 nicht weisungsgebunden
3.1.2 freie Arbeitszeiteinteilung bzw. Arbeitszeit nach Vereinbarung
3.1.3 eigenes Büro
3.1.4 Tragen des Unternehmensrisikos
3.1.5 mehrere AuftraggeberInnen
3.2 Unterscheidung zwischen Dienstvertrag und Werkvertrag
1.1.1 ArbeitnehmerInnen
Unter ArbeitnehmerInnen werden gem. § 611a BGB Menschen verstanden, welche auf der Grundlage eines entgeltlichen privatrechtlichen Vertrages „im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet“ sind (§ 611a BGB). Im Jahr 2013 gab es 293.000 Menschen in Deutschland, welche in der Sozialen Arbeit sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren (Orlanski 2015, 16).
Die Einordnung der Tätigkeit als unselbständig bzw. selbständig spielt im Arbeitsrecht, im Sozialversicherungsrecht und im Steuerrecht eine Rolle, wobei die arbeitsrechtliche Beurteilung durch die Arbeitsgerichte, die sozialversicherungsrechtliche Prüfung durch die Sozialgerichte und die steuerrechtliche Beurteilung durch die Finanzgerichte jeweils unabhängig voneinander vorgenommen werden (vgl. BFH 28.2.2002 - V B 31/01). Für Unselbständige bzw. ArbeitnehmerInnen gelten die Schutzbestimmungen des Arbeitsrechts, wie zum Beispiel Kündigungsschutz unter den Voraussetzungen des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG), Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG) und Begrenzung der Arbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG). Im Sozialversicherungsrecht hängt von der Unselbständigkeit im Sinne von § 7 SGB IV unter anderem das Bestehen einer gesetzlichen Krankenversicherungspflicht nach dem SGB V, einer Arbeitslosenversicherungspflicht nach dem SGB III und einer gesetzlichen Rentenversicherungspflicht nach dem SGB VI ab. Schließlich wird bei unselbständiger Tätigkeit im Steuerrecht nach § 38 EStG die Einkommenssteuer vom Arbeitslohn abgezogen. Wer als ArbeitnehmerInnen im Steuerrecht eingestuft wird, ist in § 1 LStDV geregelt.
1.1.2 BeamtInnen
Anerkannte SozialarbeiterInnen können beispielsweise in der Sozialen Arbeit als BeamtInnen im Strafvollzugsdienst und in der Bewährungshilfe tätig sein (vgl. Bildungsinstitut des niedersächsischen Justizvollzuges o. J.; Deutscher Berufsverband für Soziale Arbeit o. J. a). Als BeamtInnen stehen sie „in einem öffentlichrechtlichen Dienst- und Treueverhältnis“ (Art. 33 Abs. 4, 5 GG). Während arbeitsrechtliche Streitigkeiten vor dem Arbeitsgericht nach dem Arbeitsgerichtsgesetz stattfinden, werden beamtenrechtliche Streitigkeiten vor dem Verwaltungsgericht nach § 40 Abs. 1 VwGO geklärt.
Das Beamtenrecht ist geregelt im Beamtenstatusgesetz (BeamtStG), welches auf der Grundlage von Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG erlassen wurde. Neben dem genannten Gesetz beinhaltet das Beamtenrecht das Bundesbeamtengesetz für BundesbeamtInnen und die Landesbeamtengesetze für LandesbeamtInnen. Das Beamtenstatusgesetz regelt das Statusrecht der LandesbeamtInnen (vgl. § 1 BeamtStG).
1.1.3 Selbständige
Die Selbständigen fallen nicht unter den Sonderschutz der ArbeitnehmerInnen Im Rahmen der Sozialen Arbeit gibt es kein einheitliches Berufsfeld in Bezug auf die Selbständigkeit. Leistungen der ambulanten Jugendhilfe nach §§ 30, 31 SGB VIII und ambulante Hilfen für Menschen mit Behinderungen oder Leistungen für Menschen in besonderen sozialen Schwierigkeiten nach §§ 53, 67 SGB XII kommen beispielsweise als selbständige Tätigkeiten in Betracht (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie 2017, 6).
Aus dem Umkehrschluss aus § 611a Abs. 1 S. 2 BGB ergibt sich, dass eine arbeitsrechtliche Selbständigkeit gegeben ist, wenn die Tätigkeit im Wesentlichen frei gestaltet und die Arbeitszeit selbst bestimmt werden kann, wobei die Beurteilung sich an einer Gesamtbetrachtung aller Umstände bei der tatsächlichen Vertragsdurchführung orientiert (vgl. § 611 a Abs. 1 S. 4, 5 BGB). So kann zum Beispiel eine Schulbegleitung arbeitsrechtlich als selbständige Tätigkeit angesehen werden, obwohl Zeit und Ort der Schulbegleitung vorgegeben sind (LAG Niedersachsen 3.3.2011 - 7 Sa 1370/10).
Innerhalb der Selbständigkeit kann schließlich zwischen Dienstverträgen nach § 611 BGB, Werkverträgen nach § 631 BGB und Aufträgen nach § 662 BGB unterschieden werden. Bei Aufträgen liegt im Gegensatz zu den anderen Verträgen eine unentgeltliche Tätigkeit vor. Dienst- und Werkverträge unterscheiden sich dadurch, dass bei Werkverträgen im Gegensatz zu Dienstverträgen ein Erfolg geschuldet wird statt einer Dienstleistung. Die Erstellung eines Gutachtens kann beispielsweise im Rahmen eines Werkvertrages geleistet werden, während die Schulbegleitung mangels einer Verpflichtung zu einem bestimmten Erfolg im Rahmen eines Dienstvertrages geleistet werden kann.
1.2 Rechtsquellen des Arbeitsrechts
Die Rechtsquellen im Arbeitsrecht werden in der folgenden Übersicht dargestellt.
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