Übersicht 2
Rechtsquellen
1. Verfassungs- und Europarecht
2. Zwingende Gesetzesvorschriften
3. Rechtsverordnungen
4. Tarifverträge
5. Betriebsvereinbarungen und Dienstvereinbarungen
6. Arbeitsverträge
7. Dispositive Gesetzesvorschriften
8. Betriebliche Übung
9. Weisungen der ArbeitgeberInnen
1.2.1 Verfassungs- und Unionsrecht
Als Verfassungsrecht wirken sich die Grundrechte mittelbar auf das Arbeitsrecht aus über unbestimmte Rechtsbegriffe und Generalklauseln. Nur Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG, wonach die Koalitionsfreiheit einschränkende Abreden unwirksam sind, gilt unmittelbar (Dütz/Thüsing 2017, Rn. 54) In Bezug auf die mittelbare Drittwirkung sind insbesondere Art. 1–6 GG und Art. 12 und 14 GG bedeutsam (vgl. Linck in: Schaub 2017, § 3).
Im Rahmen des Unionsrechts gelten insbesondere die Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 45 AEUV und das Verbot der Entgeltdiskriminierung gem. Art. 157 AEUV, wonach beim Arbeitsentgelt nicht in Bezug auf das Geschlecht der ArbeitnehmerInnen unterschieden werden darf, im Arbeitsrecht unmittelbar (Dütz/Thüsing, Rn. 25; zum Entgeltdiskriminierungsverbot vgl. auch BAG 26.9.2017 - 3 AZR 733/15).
1.2.2 Gesetze und Verordnungen
Im Rahmen der Gesetze kann zwischen zwingenden und dispositiven Gesetzesvorschriften unterschieden werden.
Während zwingende Gesetzesvorschriften (vgl. §§ 619 BGB, 12 EntgFG, §§ 4 ff. MuSchG) nicht durch den Arbeitsvertrag geändert werden können, sind dispositive gesetzliche Vorschriften (vgl. § 613 BGB) vertraglich veränderbar (Dütz/Thüsing 2017, Rn. 56 f). So kann beispielsweise in einem Arbeitsvertrag für SozialarbeiterInnen über Einzelfallhilfe aufgrund § 12 EntgFG nicht vereinbart werden, dass wegen unverschuldeter Arbeitsunfähigkeit ausgefallene Arbeitstage durch ArbeitnehmerInnen nachgeholt werden müssen. Vertraglich kann dagegen abweichend von § 613 BGB in einem solchen Arbeitsvertrag vereinbart werden, dass der Sozialarbeiter für seine Dienste einen Stellvertreter einsetzen kann.
Unter den Voraussetzungen des Art. 80 GG können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen Rechtsverordnungen erlassen. Ein Beispiel für eine Rechtsverordnung im Arbeitsrecht stellt die Verordnung zur Anpassung der Höhe des Mindestlohns (MiLoV) dar, welche auf Grund § 11 Mi- LoG erlassen worden ist.
1.2.3 Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen, Arbeitsverträge, Betriebliche Übungen und Weisungen
Tarifverträge werden nach § 2 Abs. 1 TVG zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen bzw. einzelnen ArbeitgeberInnen geschlossen. Gem. § 1 Abs. 1 TVG beinhaltet ein Tarifvertrag einen schuldrechtlichen Teil und einen normativen Teil. Der schuldrechtliche Teil regelt die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien und der normative Teil bestimmt den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie die betrieblichen und betriebsverfassungsrechtliche Fragen (Dütz /Thüsing 2017, Rn. 560a). Nach dem Günstigkeitsprinzip gem. § 4 Abs. 3 TVG sind vom Tarifvertrag abweichende Regelungen zu Gunsten der ArbeitnehmerInnen zulässig.
Eine Fachgewerkschaft für die Soziale Arbeit ist der Deutsche Berufsverband für Soziale Arbeit e. V. – DBSH ( www.dbsh.de/gewerkschaft.html). Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst Sozial- und Erziehungsdienst – TvöD SuE ist ein Beispiel für einen Tarifvertrag in Bezug auf die Soziale Arbeit (vgl. dazu auch Papenheim 2007).
Betriebsvereinbarungen werden von Betriebsräten und Arbeitgebern nach § 77 BetrVG getroffen. Dienstvereinbarungen werden im Öffentlichen Dienst zwischen den Personalräten und den Arbeitgebern vereinbart (vgl. § 74 Abs.1 HPVG).
Arbeitsverträge nach § 611a BGB können als weitere Rechtsquelle wesentlich den Inhalt des Arbeitsverhältnisses gestalten (Dütz/Thüsing 2017, Rn. 62; vgl. auch Kapitel 2.3). Nach dem Arbeitsvertrag beurteilt sich das Weisungsrecht der ArbeitgeberInnen. Definiert ist das Weisungsrecht in § 106 GewO.
Durch eine betriebliche Übung können ArbeitnehmerInnen zusätzliche Leistungen auf Dauer erhalten. Sie liegt vor, wenn die ArbeitnehmerInnen aus der regelmäßigen Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen der ArbeitgeberInnen schließen können, dass eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden soll (ArbG Hamburg 1.3.2017 - 24 Ca 190/16). Ein dreimalig vorbehaltslos gewährtes Weihnachtsgeld kann beispielsweise als betriebliche Übung einen Anspruch auf künftige Weihnachtsgelder begründen.
1.3 Kirchliches Arbeitsrecht
Für die Caritas als Wohlfahrtsverband der katholischen Kirche arbeiten beruflich ungefähr 620.000 Personen in Deutschland (Caritas 2018). Bei der Diakonie, dem Wohlfahrtsverband der evangelischen Kirche, arbeiten ungefähr 465.000 hauptamtliche MitarbeiterInnen (EKD o. J.). Das kirchliche Arbeitsrecht ist aufgrund der hohen Beschäftigungszahlen daher auch für das Berufsrecht in der Sozialen Arbeit bedeutsam. Im Folgenden werden die Grundlagen des kirchlichen Arbeitsrechts dargestellt.
Nach Art.140 GG i. V. m. Art.137 Abs. 3 S.1 WRV ordnet und verwaltet jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der gesetzlichen Schranken. Dieser Grundsatz gilt auch für ihre karitativen und erzieherischen Einrichtungen, wenn sie einen Teil des kirchlichen Auftrags wahrnehmen und erfüllen (Linck in: Schaub 2017, § 184 Rn. 4). Der allgemeine arbeitsrechtliche Schutz durch die Arbeitsgerichte besteht auch im kirchlichen Arbeitsrecht, wenn nicht in innerkirchlichen Angelegenheiten ausschließlich kirchliches Recht angewandt wird und kein effektiver Rechtsschutz durch kircheneigene Gerichte oder Schlichtungsgremien gewährleistet ist wie zum Beispiel beim kirchlichen Mitarbeitervertretungsrecht(vgl. Linck in Schaub 2017, § 184, Rn. 7).
Die Arbeitsbedingungen für die kirchlichen ArbeitnehmerInnen werden durch arbeitsvertragliche Richtlinien (AVR) bestimmt. Diese Richtlinien können als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) vertraglich einbezogen werden, wobei sie der Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB unterliegen (vgl. Linck in: Schaub 2017, § 35 Rn 74). Die Erschaffung eines Arbeitsvertragsrechts durch kirchliche Kommissionen statt durch einen Gesetzgebungsakt oder Tarifvertrag wird als „Prinzip des Dritten Weges“ bezeichnet (vgl. Linck in: Schaub 2017, 2019 f.). In ihren Einrichtungen werden mit den arbeitsvertraglichen Richtlinien die arbeitsvertraglichen Bedingungen gestaltet.
Literatur
Papenheim, H-G. (2007): Arbeitsrecht für Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen im kommunalen Dienst. Ein Leitfaden zu TVöD und Arbeitsvertragsrecht, Fachhochschulverlag, Frankfurt am Main
Thiel, A. (2011): Kleines Kompendium zum kirchlichen Arbeitsrecht. Katholische Kirche, Luchterhand, Köln
Anke, H. U., de Wall, H., Heinig, H. M. (Hrsg.) (2016): Handbuch des evangelischen Kirchenrechts, Mohr Siebeck, Tübingen
1.4 Der praktische Fall: Die Einzelfallhelferin
Elisabeth ist eine anerkannte Sozialarbeiterin und auf der Basis eines Vertrages über freie Mitarbeit als Einzelfallhelferin in Bezug auf Aufgaben nach §§ 53, 54 SGB XII beim Sozialverein e. V. tätig. Sie erhält ein Stundenhonorar in Höhe von 18,00 Euro und hat ihre Aufgaben höchstpersönlich zu erfüllen. Sie unterliegt dem Vertrag nach keinen Weisungen in Bezug auf die Gestaltung ihrer Tätigkeit. Einmal im Monat hat sie an der Teambesprechung teilzunehmen. Sie arbeitet acht Stunden pro Woche und kann einen Raum für freie Mitarbeiterinnen bei Bedarf nutzen.
1. Liegt ein Arbeitsvertrag oder ein freier Dienstvertrag vor?
2. Inwiefern ist es bedeutsam, ob ein Arbeitsvertrag oder ein freier Dienstvertrag vorliegt?
Читать дальше