Vertiefung: Dasselbe gilt (seit dem 01.10.2017) gemäß § 1303 Satz 2 für den Fall einer Ehe mit einer Person, die das 16. Lebensjahr nicht vollendet hat; ob diese Regelung bei nach ausländischem Recht geschlossenen Ehen verfassungskonform ist, hat das BVerfG zu entscheiden (BGH ZKJ 2019, 107).
2.2.2 Ehefähigkeit und Eheverbote
Sodann beinhaltet das BGB in § 1303 Satz 1 sowie in den §§ 1304 ff. Rechtsvorschriften, die der Standesbeamte ebenfalls zu beachten hat. Sollte hier jedoch ein „Fehler“ unterlaufen, ist dennoch eine Ehe rechtswirksam zustande gekommen, die jedoch auf Antrag (vgl. § 1316, § 1317) gemäß § 1313 durch richterliche Entscheidung (des Familiengerichts) aufgehoben werden „kann“ (nicht: muss!).
Juristisch gesehen handelt es sich bei den genannten Vorschriften teils um persönliche Ehevoraussetzungen, teils um Eheverbote. Persönliche Voraussetzung ist insbesondere die Geschäftsfähigkeit (§ 1304), die nicht gegeben ist im Falle des § 104 Nr. 2 („nicht nur vorübergehender Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit...“). Zum anderen darf die Ehe gemäß § 1303 Satz 1 nicht vor Eintritt der Volljährigkeit eingegangen werden. Die früher bestehende Möglichkeit, dass das Familiengericht bei einer mindestens 16 Jahre alten Person vom Erfordernis der Volljährigkeit Befreiung erteilen konnte, wenn der künftige Ehegatte volljährig war, besteht seit dem 01.10.2017 nicht mehr.
Anders als in früheren Jahrzehnten, als ganzen Bevölkerungsgruppen die Eheschließung verboten war, kennt das BGB heute nur noch einige wenige Eheverbote, insbesondere für den Fall der „Doppelehe“ bei bereits bestehender anderer Ehe oder eingetragener Lebenspartnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz (§ 1306) und der sehr engen Verwandtschaft (§ 1307). Die Ehe ist in Deutschland danach nur noch zwischen „Blutsverwandten“ in gerader Linie (vgl. § 1589 Satz 1) verboten, also im Verhältnis Großeltern – Eltern – Kinder etc., und zwischen Geschwistern, die zumindest einen Elternteil gemeinsam haben („vollbürtige und halbbürtige Geschwister“), auch wenn das Geschwisterverhältnis durch Annahme als Kind (eines anderen) erloschen ist. Auch Vettern und Kusinen dürfen heiraten. Schließlich „soll“ gemäß § 1308 auch keine Ehe zwischen Personen geschlossen werden, deren juristische Verwandtschaft auf einer Annahme als Kind (Adoption) beruht. Wird allerdings gegen diese Vorschrift verstoßen, ist die (ohnehin) gültige Ehe nicht aufhebbar (vgl. § 1314 Abs. 1 Nr. 2, in dem § 1308 nicht genannt wird!).
Schließlich kann eine Ehe aufgehoben werden bei Verstößen gegen § 1311 oder in einem der Fälle des § 1314 Abs. 2, z. B. der so genannten „Scheinehe“ (Nr. 5), wenn überhaupt keine eheliche Gemeinschaft begründet werden soll oder in den weiteren, teilweise kurios anmutenden Fällen des § 1314 Abs. 2, insbesondere Nr. 1 und 2 (Eheschließung im „Zustand der Bewusstlosigkeit“ oder wenn man „nicht gewusst hat, dass es sich um eine Eheschließung handelt“).
2.2.3 Weitere Verfahrensvorschriften
Darüber hinaus gibt es weitere Verfahrensvorschriften insbesondere des Personenstandsgesetzes (PStG) für die Eheschließung, deren eventuelle Nicht-Einhaltung die rechtliche Gültigkeit der Ehe jedoch nicht berührt (§§ 11 ff. PStG).
2.3 Ehewirkungen
Die Eheschließung hat vielfältige rechtliche Konsequenzen (siehe dazu Übersicht 6) für die Eheleute – sowohl im Zivilrecht (vgl. insbesondere § 1353 ff.) als auch im öffentlichen Recht, dort u. a. mit Vergünstigungen im Sozialrecht und im Steuerrecht.
Übersicht 6
Ehewirkungen
1. Eheliche Lebensgemeinschaft
1.1 Leben in Gemeinschaft (§ 1353 Abs. 1 Satz 2)
1.2 Sorge um die gemeinsamen Angelegenheiten (§ 1353)
1.3 Gemeinsame Nutzung von Wohnung und Hausrat
1.4 Gegenseitiger Beistand (vgl. § 1353)
1.5 Gegenseitige Rücksichtnahme (vgl. § 1353)
1.6 Gleichberechtigte Partnerschaft (vgl. § 1356)
2. Ehename (§ 1355)
3. Unterhalt (§ 1360)
4. Eigentumsvermutungen (§ 1362)
5. Eheliches Güterrecht (§§ 1363 ff.)
6. Erbrecht (§§ 1371, 1922 ff.)
7. Zeugnisverweigerungsrechte
8. Vergünstigungen im Sozialrecht
9. Vorteile im Steuerrecht
2.3.1 Eheliche Lebensgemeinschaft
Gemäß § 1353 Abs. 1 Satz 1 wird die Ehe von zwei Personen verschiedenen Geschlechts oder (seit 01.10.2017) gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen – auch wenn mittlerweile in Deutschland mehr als jede dritte Ehe geschieden wird. Auch eine kinderlose Ehe ist eine juristisch vollwertige Ehe.
Zentrale rechtliche Konsequenz der Eheschließung ist gemäß § 1353 Abs. 1 Satz 2, dass die Ehegatten „einander zu ehelicher Lebensgemeinschaft verpflichtet“ sind und füreinander Verantwortung tragen. Dabei handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, die oft schwer mit konkretem juristischem Inhalt zu füllen sind. Manche Verpflichtungen sind zudem zumindest nicht prozessual durchsetzbar. Nach der Rechtsprechung und der juristischen Literatur umfasst der Begriff der „ehelichen Lebensgemeinschaft“ insbesondere Folgendes:
• Leben in Gemeinschaft. Dies bedeutet – von Missbrauchsfällen abgesehen (vgl. § 1353 Abs. 2) – regelmäßig Zusammenleben, aber nicht zwingend ständiges Zusammensein z. B. an einem Wohnsitz, wie dies bei Fernbeziehungen ohnehin nicht möglich wäre. Als juristisch zum Wesen der Ehe gehörend angesehen werden nach wie vor die Pflicht zur Wahrung der ehelichen Treue und – je nach Alter und Gesundheit – zur Geschlechtsgemeinschaft.
• Sorge um die gemeinsamen Angelegenheiten (vgl. BGH JZ 1960, 371). Dabei geht es – je nach Absprache zwischen den Eheleuten – z. B. um Haushaltsführung, Kinderbetreuung, Freizeitplanung, Vermögensdisposition.
• Gemeinsame Nutzung der Ehewohnung und Mitbenutzung der den Ehegatten gehörenden Hausratsgegenstände (vgl. BGHZ 71, 216).
• Beistand (auch) in persönlichen Angelegenheiten, soweit zumutbar, bis hin etwa auch zur Verpflichtung zur Verhinderung von strafbaren Handlungen in der Ehewohnung (BGH NJW 1954, 1818) oder des Selbstmordes des Ehepartners oder zur Verpflichtung, in steuerlichen Angelegenheiten im Sinne der jeweils günstigsten Lösung (z. B. bei der Steuerklassenwahl) zusammenzuarbeiten (BGH FamRZ 1977, 38).
• Gegenseitige Rücksichtnahme in persönlichen, beruflichen aber auch finanziellen Angelegenheiten – dabei muss das Recht auf Wahrung der eigenen Persönlichkeits- und Intimsphäre gewahrt bleiben (BGH FamRZ 1990, 846).
• Gleichberechtigte Partnerschaft. Spätestens seit Bestehen des Grundgesetzes 1949 (vgl. Art. 3 Abs. 1 und 2 GG) ist das Führen einer gleichberechtigten Partnerschaft zwischen Mann und Frau – wie nunmehr auch zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern – juristische Selbstverständlichkeit. Aber die Realität sah noch lange anders aus, teilweise bis heute.
2.3.2 Ehename
Welche Möglichkeiten ein Paar bei der Wahl des Ehenamens hat, zeigt die Übersicht 7.
Übersicht 7
Mögliche Alternativen der Namensgestaltung (§ 1355)
am Beispiel von Frau Schulz und Herrn Schmidt
1. Schulz, Schulz Ehename (§ 1355 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2)
2. Schmidt, Schmidt Ehename (§ 1355 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2)
3. Schulz, Schmidt kein Ehename (§ 1355 Abs. 1 Satz 3)
4. Falls Ehename Schulz (§ 1355 Abs. 4 Satz 1)
– a) Frau Schulz, Herr Schmidt-Schulz
– b) Frau Schulz, Herr Schulz-Schmidt
5. Falls Ehename Schmidt (§ 1355 Abs. 4 Satz 1)
– a) Frau Schulz-Schmidt, Herr Schmidt
– b) Frau Schmidt-Schulz, Herr Schmidt
Weitere Alternativen bei:
– Abweichen des Namens vom Geburtsnamen (vgl. § 1355 Abs. 4 Sätze 2 und 3)
– Tod eines Ehegatten oder Scheidung (§ 1355 Abs. 5)
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