Als typische, »klassische« und oft »einfache« (»straightforward«) Fälle gelten die Temporallappenepilepsien mit MRT-Läsionen wie der Hippokampussklerose, gutartigen Tumoren (
Fallbeispiel 1.1) oder umschriebenen Hirnmissbildungen. Inzwischen werden zunehmend auch gut zugängliche extratemporale epileptogene Läsionen hinzugerechnet.
1.3 Führende Rolle der MRT
Die MRT liefert die Hypothesen, das EEG bestätigt (oder verwirft) diese. 
Während in den ersten Jahrzehnten der prächirurgischen Diagnostik und Epilepsiechirurgie das EEG die führende Methode war (ergänzt durch die Pneumenzephalografie, die raumfordernde Läsionen, aber auch typische subtilere Läsionen wie die mediotemporale Atrophie darstellen konnte), hat sich die Wichtung durch den Siegeszug der MRT umgekehrt. Ausgangspunkt der Hypothesenbildung ist – neben der Schilderung der Anfallssemiologie – heute typischerweise eine MRT-Läsion, deren Epileptogenität durch die EEG-Diagnostik anschließend bestätigt wird.
Risiko Gedächtnisverschlechterung durch Temporallappenchirurgie. 
Die Resektion eines Temporallappens kann zu einer Verschlechterung des episodischen Gedächtnisses führen. Es ist daher bis heute eine zentrale Aufgabe prächirurgisch tätiger Zentren, durch neuropsychologische Diagnostik Risikopatienten zu identifizieren und durch Testungen sechs bis 24 Monate nach einer Operation das mnestische Outcome zu objektivieren, nicht zuletzt im Sinne der Qualitätssicherung. Besonders gefährdet sind Patienten mit guter Gedächtnisleistung und Operation auf der sprachdominanten linken Seite. Aber auch scheinbar unproblematische Resektionen, z. B. solche auf der nichtdominanten Seite, können zu gewissen – wenngleich oft nicht alltagsrelevanten – Verbalgedächtnisverschlechterungen führen (
Fallbeispiel 1.1). Weiterführende Informationen geben Kapitel 7 und Kapitel 12.
1.5 Gesichtsfeldeinschränkung
Durch eine Temporallappenteilresektion kann es aufgrund einer teilweisen Durchtrennung der Meyerschen Schleife zu einer homonymen Quadrantenanopsie zur Gegenseite kommen.
1.6 Früh postoperative Anfälle
In den ersten Tagen bis Wochen können Anfälle auftreten, die man auf eine vorübergehende Schwellung zurückführt und die keinen negativen prognostischen Effekt haben.
Eine standardisierte neuropathologische Aufarbeitung des resezierten Gewebes dient der Qualitätssicherung und liefert wertvolle prognostische Hinweise. Es sollten international anerkannte und vergleichbare Diagnosen verwendet werden (
Kap. 15).
1.8 Outcome-Klassifikation
Die weltweit am weitesten verbreitete Klassifkation des operativen Outcomes ist die nach Engel. 
Es ist empfehlenswert, das Ergebnis einer Operation bezüglich der Anfallssituation nicht nur deskriptiv, sondern nach einem international akzeptierten Schema zu kategorisieren, damit zahlenmäßige Auswertungen und Vergleiche über die Zeit oder zwischen Zentren möglich werden. Eine solche Klassifikation des epilepsiechirurgischen Outcomes erfolgt üblicherweise nach Engel in vier durch römische Ziffern bezeichneten Klassen, weiter differenziert durch nachgestellte Großbuchstaben (Engel 1993). Diese Klassifikation wird im Epilepsie-Zentrum Bethel verwendet:
Klasse I: frei von behindernden Anfällen
IA: komplett anfallsfrei seit der Operation
IB: ausschließlich nichtbehindernde, einfach-fokale Anfälle (bewussterlebte fokale Anfälle)
IC: einige behindernde postoperative Anfälle, jedoch in den letzten 2 Jahren keine behindernden Anfälle
ID: ausschließlich generalisierte Anfälle (bilateral tonisch-klonischen Anfälle) bei Absetzen der antiepileptischen Therapie
Klasse II: seltene behindernde Anfälle (»nahezu anfallsfrei«)
IIA: anfänglich anfallsfrei, aber nunmehr seltene Anfälle
IIB: seltene behindernde Anfälle seit der Operation
IIC: mehr als seltene behindernde Anfälle postoperativ, jedoch in den letzten 2 Jahren seltene Anfälle
IID: ausschließlich nächtliche Anfälle
Klasse III: lohnende Verbesserung
IIIA: lohnende Anfallsreduktion
IIIB: längere anfallsfreie Intervalle für mehr als die Hälfte der mindestens 2-jährigen Follow-up-Periode
Klasse IV: keine lohnende Verbesserung
IVA: signifikante Anfallsreduktion
IVB: keine wesentliche Änderung
IVC: Verschlechterung der Anfälle
Die Internationale Liga gegen Epilepsie hat ein verfeinertes Schema veröffentlicht (Wieser et al 2001), das aber die Engel-Klassifikation nicht verdrängen konnte. Die Outcome-Klassen sollen jährlich bestimmt werden und bezeichnen damit die Anfallssituation nur im vorangegangenen Jahr im Vergleich zur Phase vor der Operation. Man hat also im Langzeitverlauf mehr Klasse-1/2 als Engel-IA/IB-Outcomes, da immer ein Teil der Patienten im Verlauf anfallsfrei wird:
Klasse 1: völlig anfallsfrei, keine Auren (1a: ohne Antikonvulsivum)
Klasse 2: nur Auren, keine anderen Anfälle
Klasse 3: ein bis drei Anfallstage pro Jahr, ± Auren
Klasse 4: 4 Anfallstage pro Jahr bis zu mehr als 50 %iger Reduktion der Baseline-Anfallstage, ± Auren
Klasse 5: unter 50 %ige Anfallsreduktion bis zu 100 %iger Zunahme der Anfallstage im Vergleich zur Baseline, ± Auren
Klasse 6: Mehr als 100 %ige Zunahme der Anfallstage im Vergleich zur Baseline, ± Auren
Hintergrundinformationen 1
Latenz bis zur prächirurgischen Epilepsiediagnostik
Im Mittel neun Jahre von Epilepsiebeginn bis zur Pharmakoresistenz. 
Zwei große deutsche Studien zeigten durchschnittliche Latenzen von 16 bzw. 18 Jahren von Epilepsiebeginn bis zur Prächirurgie (Bien et al. 2013; Cloppenborg et al. 2016), eine europäische von 20 Jahren (Blümcke et al. 2017) und eine englische von sogar 21 Jahren (de Tisi et al. 2011). Zu bedenken ist dabei, dass es im Mittel neun Jahre dauert, bevor eine pharmakoresistente fokale Epilepsie sich als solche erweist (Berg et al. 2003).
Prinzipien der prächirurgischen Diagnostik und der Epilepsiechirurgie
Nach ersten Ansätzen einer Epilepsiechirurgie in Großbritannien (Hughlings Jackson 1869) und Deutschland (Foerster und Penfield 1930; Hübner und Bien 2018) begründeten der Neurochirurg Wilder Penfield und der Neurologe Herbert Jasper am Montreal Neurological Institute die moderne, systematisch betriebene Epilepsiechirurgie (Penfield und Jasper 1954). In Europa verbesserte der Neurochirurg Murray A. Falconer die Temporallappenchirurgie, indem er die anteriore Temporallappenresektion unter Einschluss der medialen Strukturen zum Standardeingriff bei konsistent durch prächirurgische Diagnostik ausgewählten Patienten entwickelte (Falconer et al. 1955). Yasargil und Wieser verkleinerten diesen Eingriff auf die selektive Amygdalohippokampektomie, um möglichst wenig nicht betroffenes Gewebe zu resezieren (Wieser und Yasargil 1982).
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