Es gab einen Rückschlag bei der Rückkehr meiner Frau in Ratingen, unser Sohn Sascha lag mit einer Magendarminfektion im Bett.
Meine Frau steckte sich an, mit dem komplizierten Virus „Rota“ und musste wieder eine Woche nach Düsseldorf in die Augusta-Klinik.
Wieder das schlimme Gefühl, nicht helfen zu können, nicht dabei zu sein in den schwierigen Tagen.
Der einzige Trost, ich wusste, unser Sohn Sascha, schützt und behütet seine Mutter mit vollem Einsatz seiner Kräfte.
Dafür bin ich ihm ewig dankbar.
Für meine Frau folgte ein Jahr mit Gehhilfen, erst zwei Stöcke, dann eine längere Zeit mit einem Stock, ich habe meine Frau nie mit den Gehhilfen gesehen. Die Gehhilfen liegen im Keller.
Dann gab es noch einen „Schlag“. In meinem Beisein, erst zwei Wochen ohne Gehhilfen, ist meine Frau gestürzt, beide Hände gebrochen. Für mich war das der Beginn der großen Hilfe im Haushalt, ich habe viel lernen müssen, Respekt für alle Hausfrauen.
Neben dem Kontakt zur Familie und bei mir persönlich, zur Sicherstellung des sportlichen Trainings ist im Gefängnis zum Überleben ganz wichtig, die richtigen Leute in der Zelle zu haben.
In der Regel ist das nicht steuerbar. Seit meinem „Umzug“ in die Etage 2c hatte ich, durch die Unterstützung des Capo Reparto, ein großes Schild an der Tür: „Non Fumatori“ Nichtraucher.
Als einziger Gefangener im Knast in Viterbo, eine derartige „Sonderbehandlung“ gab es normalerweise nicht. Es kamen und gingen zwei Leute, aber am 4. April kam ein neuer Mann, Rumäne, daraus wurde ein schlimmes Finale meiner Zeit im Gefängnis Viterbo.
Er war der 17. Mann, mit dem ich seit Rumänien im Mai 2016 zusammenleben musste.
Grundsätzlich muss man sich vorstellen, das ist ein Zusammenleben mit den großen und kleinen Verbrechern, die man normalerweise nur aus den Krimiserien oder realen Berichten im Fernsehen kennt.
Das ist eine grundsätzlich komplizierte Situation. Verschärft wird die Lage, da es sich für mich nur um Ausländer handelte, die weder Deutsch noch Englisch sprechen konnten, manche der Typen etwas Russisch.
Mein neuer Rumäne war 38 Jahre alt, von einem kleinen Dorf in der Walachei, vier Jahre Schule, ein sehr komplizierter Fall.
Aufgegriffen betrunken unter einer Brücke in Rom, durch die Carabinieri. Im Schnellverfahren zu einem Jahr verurteilt, dann zusätzlich 2,5 Jahre. Was wirklich vorlag, weiß ich nicht, vielleicht Diebstahl. Vielleicht im Rahmen des Systems organisierter Abschiebungen nach Rumänien, egal wie die Gründe waren, der 17. Mann war bei mir und ein großes Problem begann.
Der Typ hatte kein Geld, somit war das Wichtigste, von mir Mineralwasser, aus den gekauften Vorräten.
Ansonsten Wasser aus der Leitung fast täglich, wo das Wasser für Stunden abgestellt wurde.
Wie er mir erzählte, hatte er in der italienischen Landwirtschaft einen Vertrag für 4 € in der Stunde, ausgezahlt 2 €.
In Italien sind diese undenkbar niedrigen Löhne vorstellbar.
Eigentlich wollte der Rumäne seine Mutter unterstützen, aber er landete im Suff unter der Brücke. Das Problem begann mit dem Fernsehen in der Nacht. Ich wollte schlafen, der Typ unbegrenzt nächtelang fernsehen. Wir trafen eine Absprache, 22 Uhr ist das Ende, der Rumäne hielt sich natürlich nicht daran, jede Nacht Schreierei auf der Toilette: „Alle Deutschen erschießen, Carabinieri erschießen!“ Und das setzte sich am Tag auf dem Hof fort, lautes Schreien: „Gebt mir Dynamit und Kalaschnikows, alle Carabinieri, alle Deutschen erschießen!“
Besonders unangenehm im täglichen Umgang, der Rumäne hatte am ganzen Körper Geschwüre, er kratzte sich ständig, leckte dann seine Finger ab, besonders auch beim Essen. Ich konnte am Tisch nicht mehr zusammen mit dem Typen essen, also immer später, dass Essen wurde kalt, egal.
Ich sprach mit den Sanitätern, Nr. 17 wurde einem Arzt vorgeführt, bekam 2 Tabletten, sollte jeden Tag eine weitere Tablette bekommen.
Er nahm die ersten 2 Tabletten ein und fragte mich, warum sind die Geschwüre jetzt nicht weg. Ein reiner Psychopath war in meiner Zelle gelandet. Draußen lachten die Leute über die Schreierei nach einer Kalaschnikow, ich musste handeln. Meine Freunde Senna und andere Serben verwarnten den Typen. Das Wort Verwarnung ist im italienischen Gefängnis mit der Drohung zusammenschlagen verbunden.
Im Mai verschwand die Nummer 17 kurzzeitig in eine andere Zelle, bei einem Rumänen, er kam leider wieder zurück und schwor bei seinem orthodoxen Glauben, vernünftig zu sein. Er lag 3 Wochen nur noch im Bett, am Tag nur TV, 14 bis 16 Stunden, nachts war Schluss.
Als dann im Juni die Schreierei nachts wieder begann, kamen Albaner aus der Nachbarzelle, mit denen ich immer ein gutes Verhältnis hatte, zeigten dem Rumänen am nächsten Tag den zufälligen Transport im schwarzen Sack, machten der Nr. 17 klar, dass er so enden könnte. Das hatte der Rumäne endlich begriffen. Bis zu meinem Abgang im Juli nach Deutschland lief die Sache jetzt normal.
Draußen auf dem Hof lernte ich natürlich auch andere Rumänen kennen. Ein interessanter Typ, mit einer guten militärischen höheren Ausbildung im heutigen Rumänien.
In der Nähe von Bukarest hat er vier Jahre die Militärschule besucht, mit Abschluss Abitur und Dienstgrad Sergeant.
Vormittag normale Schule, 6 Stunden, aber jeden Nachmittag militärische Ausbildung. Schießen mit Kalaschnikow, Pistole „Karpat“ (rumänische Pistole), ständig Übungen im Gelände. In Rumänien gibt es drei derartige Militärschulen, Heer, Luftwaffe und Marine. Gewaltige Bewerbungen von mehreren Tausend je Schule, genommen werden jedes Jahr nur 150 Schüler.
Die meisten Absolventen bleiben beim Militär und werden Offiziere. Der Mann ist mit Familie nach Deutschland gegangen. BASF in Ludwigshafen. Nach ruhigen Jahren in Deutschland in Rom verhaftet, Grund ist mir nicht bekannt.
Juni und Juli 2017 war in Italien eine gewaltige Hitzewelle, ständig über 40 °C.
Im TV wurde gemeldet, in Ferrara 49 °C. In unserem Hof, von Gebäuden eingeschlossen, waren ständig 40–45 °C im Schatten. Trotz der großen ungewohnten Hitze lief ich jeden Tag meine Runden, mindestens 30 Minuten, und machte im Schatten Liegestütze in 30er-Serien. Der Betonboden im Hof war bereits stark beschädigt, die Zementschicht aufgerissen, Kieselsteine ragten heraus. Die Aufmerksamkeit lag beim Laufen, anderen Typen, die ihre Runden gehen.
Diese Leute nicht anzustoßen, und die Aufmerksamkeit galt nicht den Bodenverhältnissen. Normalerweise ging das alles gut, am 19. Mai bin ich an einem herausragenden Stein hängen geblieben und schwer gestürzt. Beide Kniescheiben und Ellbogen aufgeschlagen, das Blut lief an mir herunter.
Für mich war wichtig, nur cool bleiben und schnell zum Sanitäter, um Infektionen zu vermeiden. Auf dem Hof sind die Türen abgeschlossen und hinter den Türen hält sich keine Wache auf. Mein Freund Arthur, ein Albaner und sehr guter Läufer, der beste Mann im Laufen in Viterbo, nahm die Sache sofort in die Hand.
Er schlug und trat gegen die Tür und machte einen richtigen Aufruhr.
Die Tür ging auf und ich wurde in den Sanitätsbereich gebracht. Wie häufig hatte ich Glück, zwei gute Schwestern machten ihren Job ausgezeichnet, sodass außer großen Narben, die geblieben sind, alles ohne weitere Probleme ablief.
Aber erst einmal hatte ich zwei Wochen Verbände an Knien und Armen. Ich lief trotzdem langsam jeden Tag weiter.
Neben Senna und Arthur (beide 41 Jahre) hatte ich in Viterbo einen dritten Freund, Askanio, 25 Jahre jung. Im Januar hatte ich durch einen Zufall Askanio kennengelernt, er spricht gut Deutsch.
Dann kam die Überraschung, er lebte 6 Monate in Schöningen, einem Dorf bei Wolfenbüttel, wo ich in den Siebzigerjahren neun Jahre gelebt habe. In Schönigen hatte ich meine Reitpferde und ich war in dieser Zeit Direktor im Hüttenwerk Salzgitter.
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