(2)Erheblich sind die Folgen bei einem Verstoß gegen bestimmte Vorschriften. So ist grundsätzlich der Arbeitsvertrag zwischen Verleiher und Arbeitnehmer unwirksam, wenn
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dem Verleiher die nach § 1 I 1 AÜG erforderliche Erlaubnis fehlt, § 9 I Nr. 1 Hs. 1 AÜG, oder |
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die Arbeitnehmerüberlassung entgegen § 1 I 5, 6 AÜG nicht ausdrücklich als solche bezeichnet und/oder die Person des Leiharbeitnehmers nicht konkretisiert wurde, § 9 I Nr. 1a Hs. 2 AÜG, oder |
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die Überlassungshöchstdauer von § 1 Ib AÜG überschritten wird, § 9 I Nr. 1b Hs. 1 AÜG. |
Durch diese auf den ersten Blick merkwürdige Konsequenz soll der Arbeitnehmer geschützt werden, und zwar dergestalt, dass in diesen Fällen zugleich ein Arbeitsvertrag zwischen ihm und dem Entleiher fingiertwird, § 10 I 1 AÜG(zu dessen Inhalt s. § 10 I 2-5 AÜG). Es kommt also zu einem vom Willen der Beteiligten unabhängigen Vertragsübergang kraft Gesetzes. Jedoch hat (nur!) der Arbeitnehmer die Möglichkeit, durch eine sog. Festhaltenserklärungdiese Rechtsfolgen – Unwirksamkeit des Arbeitsvertrages mit dem Verleiher und Fiktion eines solchen mit dem Entleiher – zu verhindern (Details s. § 9 I Nr. 1-1b, II, III AÜG).
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In Fall 3fehlt es P an der nach § 1 AÜG erforderlichen Erlaubnis. Der eigentlich zwischen ihr und A bestehende Arbeitsvertrag ist daher nach § 9 I Nr. 1 Hs. 1 AÜG unwirksam, A hat auch keine dies verhindernde Festhaltenserklärung (§ 9 I Nr. 1 Hs. 2 AÜG) abgegeben. Nach § 10 I 1 AÜG besteht somit ein Arbeitsverhältnis zwischen A und U.
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Achtung:Die Arbeitnehmerüberlassung i.d.S. ist streng zu unterscheiden von Situationen, in denen sich ein Unternehmer gegenüber einem anderen Unternehmer im Rahmen eines Werkvertrags zur Ausführung von Arbeiten in dessen Betrieb verpflichtet und hierfür seine eigenen Arbeitnehmer einsetzt. Hier kommt es nicht zu einer Arbeitnehmerüberlassung, vielmehr sind und bleiben die Arbeitnehmer stets Erfüllungsgehilfen ihres Arbeitgebers. Die Abgrenzung erfolgt nach dem objektiven Geschäftsinhalt und dem wahren Willen der Parteien (nicht dem im Vertrag verlautbarten), sie kann in der Praxis äußerst schwerfallen.
Beispiel:
Ein Malerunternehmen verpflichtet sich, die Geschäftsräume eines Kaufhauses neu zu streichen und setzt hierfür seine eigenen Maler ein.
§ 2 Arbeitnehmerbegriff und andere Begriffe› C. Besondere „Arten“ von Arbeitsverhältnissen › V. Kirchliche Arbeitnehmer
V. Kirchliche Arbeitnehmer
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Für Arbeitnehmer, die bei Kirchen oder deren Einrichtungen (z.B. Caritas) beschäftigt sind, gelten sowohl im Individual- wie Kollektivarbeitsrecht angesichts der verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie der Religionsgemeinschaften (Art. 140 GG, 137 III WRV) Besonderheiten. So können die Kirchen den „ihr angehörenden Arbeitnehmern die Beachtungjedenfalls der tragenden Grundsätze der kirchlichen Glaubens- und Sittenlehre[auferlegen] und […] verlangen, dass sie nicht gegen die fundamentalen Verpflichtungen verstoßen, die sich aus der Zugehörigkeit zur Kirche ergeben und die jedem Kirchenglied obliegen“[54]. Das wirkt sich in vielen Bereichen des Arbeitsrechts aus, z.B. im AGG, das in seinem § 9 einen speziellen Rechtfertigungstatbestand für Kirchen enthält ( Rn. 263 ff.), oder bei der Beurteilung von Kündigungen (z.B. wegen Kirchenaustritts).[55]
§ 2 Arbeitnehmerbegriff und andere Begriffe› C. Besondere „Arten“ von Arbeitsverhältnissen › VI. Beschäftigte
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Keine eigenständige Kategorie stellt der „Beschäftigte“ dar. Er wird vielmehr in einigen neueren arbeitsrechtlichen Spezialgesetzen aus sprachlichen Gründen als Sammelbegriff verwendet und umfasst i.d.R. Arbeitnehmer, arbeitnehmerähnliche Personen sowie zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte (z.B. §§ 6 I AGG, 7 I PflegeZG).
§ 2 Arbeitnehmerbegriff und andere Begriffe› D. Der Arbeitgeber und seine Organisation
D. Der Arbeitgeber und seine Organisation
§ 2 Arbeitnehmerbegriff und andere Begriffe› D. Der Arbeitgeber und seine Organisation › I. Begriff
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Arbeitgeber ist, wer mindestens einen Arbeitnehmer beschäftigt.[56] Das kann eine natürliche oder juristische Person des Privatrechts (z.B. GmbH, AG) oder des öffentlichen Rechts, eine oHG oder KG und nunmehr auch eine GbR sein;[57] Arbeitgeber ist hier die Gesellschaft selbst und nicht die Gesellschafter. Weitere Voraussetzungen bestehen nicht, insb. kann Arbeitgeber auch sein, wer weder über eine Betriebsstätte noch materielle Produktionsmittel verfügt und auch kein Gewerbe betreibt oder einer selbstständigen beruflichen Tätigkeit nachgeht.
Beispiel:
Engagiert ein Pflegebedürftiger eine private Pflegerin, so ist er Arbeitgeber.
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Der Arbeitgeber kann somit zwar zugleich Unternehmeri.S.v. § 14 BGB sein (und ist das auch in der Regel), zwingend ist das aber nicht, wie das obige Beispiel zeigt. Ob er (auch) Kaufmannist, entscheidet sich unabhängig von der Unternehmer- und Arbeitgebereigenschaft nach §§ 1 ff. HGB.[58]
§ 2 Arbeitnehmerbegriff und andere Begriffe› D. Der Arbeitgeber und seine Organisation › II. Organisationseinheiten
II. Organisationseinheiten
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Für die „Binnenstruktur“ des Arbeitgebers spielen meist zwei bzw. drei Organisationsformen eine bedeutende (praktische) Rolle:
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Unter Betrieb wird grundsätzlich[59] eine organisatorische Einheit verstanden, „innerhalb derer ein Unternehmer allein oder in Gemeinschaft mit seinen Mitarbeitern mit Hilfe von sächlichen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zweckefortgesetzt verfolgt“.[60] Der Begriff des arbeitstechnischen Zwecks ist dabei nicht eng i.S.e. maschinellen Vorgangs zu verstehen, sondern vielmehr weit und umfasst z.B. die Produktion oder den Vertrieb von Gütern sowie die Erbringung von Dienstleistungen (z.B. in einer Arztpraxis).[61]
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Die „Fotowerkstatt Ellwanga“ in Fall 4ist ein Betrieb i.d.S.: Unter Heranziehung von Arbeitnehmern wird mit Hilfe sachlicher Betriebsmittel (z.B. Regale, Rohstoffe) ein bestimmter arbeitstechnischer Zweck (= Produktion des in anderen Betrieben zu verkaufenden Kamerazubehörs) angestrebt. (Fortsetzung Rn. 69 )
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Der Betrieb selbst ist nicht rechtsfähig, sondern lediglich eine Organisationseinheit. Entsprechend kann er niemals Arbeitgebersein – die im Alltag häufig anzutreffende Frage, „bei welchem Betrieb“ man angestellt sei, ist also falsch.
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In Fall 4ist die „Fotowerkstatt Ellwanga“ also nicht Arbeitgeber des A. (Fortsetzung Rn. 74 )
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Der Betriebsbegriff ist dennoch von erheblicher Bedeutung, weil er Anknüpfungspunkt zahlreicher arbeitsrechtlicher Gesetze ist.
Beispiele:
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Für die Wahl von Betriebsräten nach dem Betriebsverfassungsgesetzist die zentrale Bezugseinheit der Betrieb (vgl. § 1 I BetrVG). |
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Das Eingreifen des allgemeinen Kündigungsschutzes nach dem KSchGhängt grundsätzlich davon ab, dass in dem Betrieb, in dem der gekündigte Arbeitnehmer tätig ist, mindestens eine bestimmte Zahl von Arbeitnehmern beschäftigt wird, § 23 I 2, 3 KSchG.[62] |
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Das Recht des Betriebsübergangs(§ 613a BGB) knüpft direkt an den Betrieb an. |
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