Beide Rechtsverhältnisse sind voneinander rechtlich unabhängigund können folglich ein unterschiedliches rechtliches Schicksal nehmen. So führt insb. die Abberufung nicht von sich aus zu einer Beendigung des Anstellungsvertrages.[43]
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Da das Anstellungsverhältnis regelmäßig durch einen Dienstvertrag begründet wird, stellt sich die Frage, ob Organmitglieder Arbeitnehmersein können. Insoweit ist zu unterscheiden:
(1)Im rein nationalenKontext ist man sich weitestgehend einig, dass jedenfalls AG-Vorständewegen § 76 I AktG, wonach sie die Gesellschaft „unter eigener Verantwortung“ und damit weisungsfrei leiten, niemals Arbeitnehmer sein können; Gleiches wird für GmbH-Eigengeschäftsführer– d.h. solche Geschäftsführer, die Gesellschafter der GmbH sind – angenommen. Umstritten ist dagegen die Einstufung der GmbH-Fremdgeschäftsführer(also solche, die nicht Gesellschafter der GmbH sind). Auch bei ihnen lehnt es der BGH apodiktisch ab, sie als Arbeitnehmer einzustufen. Das BAG stimmt dem zwar im Grundsatz zu, hält es aber für möglich, sie in Ausnahmefällen als Arbeitnehmer zu qualifizieren.[44]
(2)Nach dem EuGHhingegen sind bei einem „Mitglied der Unternehmensleitung, das gegen Entgelt Leistungen gegenüber der Gesellschaft erbringt, die es bestellt hat und in die es eingegliedert ist, das seine Tätigkeit nach der Weisung oder unter der Aufsicht eines anderen Organs dieser Gesellschaft ausübt und das jederzeit ohne Einschränkung von seinem Amt abberufen werden kann, dem ersten Anschein nach die Voraussetzungen [erfüllt], um als Arbeitnehmer [...] zu gelten“.[45] Jedenfalls GmbH-Fremdgeschäftsführerund GmbH-Eigengeschäftsführer[46] mit einer nur geringen Beteiligung, die keinen erheblichen Einfluss auf die übrigen Gesellschafter haben, könnendemnach Arbeitnehmer sein, wobei auch stets alle Umstände des Einzelfalles maßgeblich sind.
Aber Achtung: Diese Judikatur gilt nur im Bereich des Unionsrechts selbst und den unionsrechtlich geprägten Bereichendes nationalen Rechts, d.h. insb. solchen, denen Richtlinien zugrunde liegen (z.B. im Bereich des MuSchG [Mutterschutz-RL 92/85/EWG] oder § 17 KSchG [Massenentlassungs-RL 98/59/EG]). Im nicht unionsrechtlich überlagerten nationalen Recht (z.B. §§ 1 ff. KSchG, PflegeZG) verbleibt es dagegen beim nationalen Arbeitnehmerbegriff.
§ 2 Arbeitnehmerbegriff und andere Begriffe› C. Besondere „Arten“ von Arbeitsverhältnissen › III. Berufsauszubildende und Praktikanten
III. Berufsauszubildende und Praktikanten
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Den im BBiGgeregelten Berufsausbildungsverhältnissenliegt ein Berufsausbildungsvertrag zugrunde (§ 10 I BBiG). Dieser ist kein Arbeitsvertrag, sondern ein atypischer Dienstvertrag. Denn Zweck ist nicht der Austausch von Arbeitsleistungen gegen Lohn, sondern die Ausbildung primär im Interesse der Auszubildenden.[47] Allerdings sind nach § 10 II BBiGgrundsätzlich die für Arbeitsverträge geltenden Rechtsvorschriften anwendbar; etwas anderes gilt bei entsprechender gesetzlicher Anordnung (z.B. § 22 III Alt. 1 MiLoG) oder wenn Wesen und Zweck des Berufsausbildungsverhältnisses entgegenstehen (z.B. Einschränkung bzw. sogar Unmöglichkeit der Anordnung von Kurzarbeit[48]). Sonderregelungen enthält das BBiG für den Vertragsschluss (§§ 10-12 BBiG), die Pflichten der Parteien (§§ 13-19 BBiG) und die Beendigung und ihre Folgen (§§ 20-23 BBiG).
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In Fall 2geht A einer Konkurrenztätigkeit nach. Während eines laufenden Arbeitsverhältnisses ist eine nicht genehmigte Konkurrenztätigkeit verboten (s. Rn. 699). Nach § 10 II BBiG gilt das auch für Ausbildungsverhältnisse, es sei denn, es ergibt sich aus deren Wesen oder aus Gesetz etwas anderes. Beides ist nicht der Fall, insb. können weder eine geringe Ausbildungsvergütung noch die noch nicht voll entwickelten Berufskenntnisse angeführt werden. U kann daher Unterlassung (und ggf. sogar Schadensersatz) verlangen.[49]
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Nach § 26 BBiGgelten einige Vorschriften des BBiG auch für „andere Vertragsverhältnisse“, bei denen zusammengefasst der Erwerb beruflicher Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten im Vordergrund steht. Das sind v.a. Praktikanten(vgl. Definition in § 22 I 3 MiLoG) und Volontäre. Demgegenüber sind Schüler/Studenten während eines schul-/studienbegleitenden Pflichtpraktikums in der Regel weder Arbeitnehmer noch Auszubildende. Werkstudentenhingegen wiederum sind meist Arbeitnehmer.[50]
Hinweis:
Detailwissen kann hier kaum verlangt werden. Wichtig ist aber § 10 II BBiG, der es dem Klausurersteller erlaubt, über das „unbekannte“ Berufsausbildungsverhältnis allgemeine arbeitsrechtliche Fragen zu prüfen. Überdies sollte bekannt sein, dass das MiLoG – wenn auch mit zahlreichen Ausnahmen – im Grundsatz auf Praktikanten anwendbar ist (§ 22 I 2 MiLoG, vgl. auch Rn. 380).
§ 2 Arbeitnehmerbegriff und andere Begriffe› C. Besondere „Arten“ von Arbeitsverhältnissen › IV. Leiharbeitnehmer/Arbeitnehmerüberlassung
IV. Leiharbeitnehmer/Arbeitnehmerüberlassung
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Viel Aufmerksamkeit in Politik und Öffentlichkeit erfuhr in den letzten Jahren die Arbeitnehmerüberlassung. Modellbeschreibung: Bei der auch Leiharbeit genannten Konstruktion besteht ein Arbeitsvertrag zwischen Leiharbeitnehmerund dem sog. Verleiher, der ihn aufgrund eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrags an den Entleiher„verleiht“ (§ 1 I 1 AÜG) und dafür im Gegenzug ein Entgelt erhält. Der Leiharbeitnehmer wird in der Folge rein tatsächlich für den Entleiher tätig, ohne dass zwischen beiden ein Arbeitsvertrag bestünde. Der Leiharbeitnehmer steht damit dem sog. Stammarbeitnehmer gegenüber, der direkt beim „Einsatzarbeitgeber" angestellt ist. Grafisch lässt sich die Arbeitnehmerüberlassung wie folgt darstellen:
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Die Arbeitnehmerüberlassung „funktioniert“ wegen der im Zweifel bestehenden Nichtabtretbarkeit des Anspruchs auf die Dienstleistung (§ 613 S. 2 BGB, s. Rn. 587) nur, wenn der Leiharbeitnehmer mit ihr einverstanden ist; in der Praxis wird das Problem aber dadurch „umschifft“, dass der Arbeitnehmer sich im Arbeitsvertrag generell mit dem Einsatz bei Dritten im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung einverstanden erklärt.[51] Überdies ist die Arbeitnehmerüberlassung nur in dem vom AÜG vorgegebenen Rahmen zulässig. Erforderlich ist insb., dass der Verleiherüber eine öffentlich-rechtliche Erlaubniszur Arbeitnehmerüberlassung verfügt (§§ 1 I 1, 2-5 AÜG). Nach § 1 Ib AÜG beträgt die Höchstdauerfür die Überlassung an denselben Entleiher 18 aufeinander folgende Monate. Grundsätzlich unzulässig ist die Arbeitnehmerüberlassung im Baugewerbe(§ 1b AÜG).
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In Bezug auf die Rechtsfolgender Arbeitnehmerüberlassung ist es zentral, zwischen der zulässigen und der unzulässigen Überlassung zu unterscheiden:
(1)Ist die Arbeitnehmerüberlassung zulässig, so bleibt Vertragsarbeitgeberder Verleiher, der deshalb insb. Schuldner der Vergütungsansprüche ist. Nach § 8 AÜGhat der Verleiher dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren ( equal-treatment-Grundsatzbzw. equal-pay-Grundsatz; für Ausnahmemöglichkeiten vgl. § 8 II AÜG). Jedoch treffen den Entleihereinige aus der Fürsorgepflicht abzuleitende Nebenpflichten, insb. die Schutzpflichten für Gesundheit, Leben, Persönlichkeitsrecht, Eigentum und ggf. Vermögen des Leiharbeitnehmers (vgl. zu den Nebenpflichten des Arbeitgebers Rn. 661 ff.).[52] Im Gegenzug überträgt der Verleiher dem Entleiher sein Weisungsrecht (Rn. 582 ff.), so dass dieser den Arbeitnehmer nach seinem Gutdünken einsetzen kann.[53] Es kommt also zu einer Aufspaltung der Arbeitgeberfunktionen.
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