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Bei Teilnehmernrichtet sich bei den subjektiven täterbezogenen Mordmerkmalendie Strafbarkeit nach § 28.
Nach Auffassung des BGH ist der Mord ein eigenständiges Deliktmit der Folge, dass die Mordmerkmale strafbegründendsind. Demnach ist auf Teilnehmer § 28 Abs. 1anwendbar, was zur Folge hat, dass die Teilnehmer abhängig von der Haupttat des Täters wegen Anstiftung zum Mord oder Totschlag bestraft werden, im Einzelfall jedoch die Strafe gemildert werden muss, wenn das Mordmerkmal des Haupttäters beim Teilnehmer fehlt.
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Nach Auffassung der Literaturist der Mord eine Qualifikation zum Totschlag, so dass die Mordmerkmale strafschärfendsind. § 28 Abs. 2ist anwendbar, mit der Folge, dass eine Durchbrechung der Akzessorietät in Betracht kommt. Denkbar sind in diesem Zusammenhang folgende Konstellationen,bei denen Rechtsprechung und Literatur zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen:
1. |
Der Haupttäterverwirklicht ein Mordmerkmal, z.B. Habgier, der Teilnehmerhat kein eigenesMordmerkmal • Der BGH bestraft den Teilnehmer wegen Beihilfe/Anstiftung zum Mord und mildert die Strafe. • Die Literatur bestraft wegen Beihilfe/Anstiftung zum Totschlag. |
2. |
Der Haupttäterhat kein Mordmerkmal,der Teilnehmerhingegen schon,z.B. wieder Habgier • Der BGH bestraft wegen Beihilfe/Anstiftung zum Totschlag. Das Vorhandensein des Mordmerkmals beim Teilnehmer bleibt außer Betracht. • Die Literaturwendet § 28 Abs. 2 an und gelangt zu einer Strafbarkeit wegen Beihilfe/Anstiftung zum Mord, auch wenn die vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat nur ein Totschlag ist. |
3. |
Der Haupttäterverwirklicht ein Mordmerkmal, z.B. Habgier, der Teilnehmerverwirklicht ebenfalls ein Mordmerkmal, aber ein anderesals der Haupttäter, z.B. Verdeckungsabsicht • Der BGH müsste eigentlich feststellen, dass dem Teilnehmer das Mordmerkmal des Haupttäters fehlt und bei konsequenter Anwendung des § 28 Abs. 1 eine Strafmilderung vorsehen. Da dieses Ergebnis allerdings unbefriedigend erscheint, hat der BGH die Theorie der sich „kreuzenden Mordmerkmale“entwickelt. Da sich die Mordmerkmale der ersten und dritten Gruppe in ihrer Vorwerfbarkeit entsprechen, kommt eine Strafmilderung nicht in Betracht.[70] Der BGH bestraft wegen Beihilfe/Anstiftung zum Habgiermord. • Die Literaturwendet § 28 Abs. 2 zweifach an und gelangt zur Beihilfe/Anstiftung zum Verdeckungsmord. |
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Beachten Sie, dass es in den vorgenannten Konstellationen für den BGH wichtigist, dass der Teilnehmer das Mordmerkmal des Haupttäters kennt.Weiß er schon gar nicht, dass dieser ein Mordmerkmal verwirklicht, dann weiß er auch nicht, dass dieser einen Mord begehen wird, § 28 Abs. 1 ist insoweit nicht anwendbar. Für die Literaturist der Vorsatz bezüglich des Mordmerkmals des Haupttäters letztlich irrelevant, da gem. § 28 Abs. 2 nur entscheidend ist, ob der Teilnehmer selber ein Mordmerkmal verwirklicht. Kennt also der Teilnehmer das Mordmerkmal des Haupttäters nicht, hat er aber ein eigenes, so ist er unabhängig vom Vorsatz über § 28 Abs. 2 wegen Teilnahme am Mord zu bestrafen.
Beispiel
A will seine Eltern aus Habgier töten. B besorgt ihm wieder das Gewehr, weiß aber von der Habgier nichts.
In diesem Fall hat sich B nach allen Auffassungen nur wegen Beihilfe zum Totschlag strafbar gemacht. Der BGH würde darauf abstellen, dass der Vorsatz des B nur auf einen Totschlag als rechtswidrige Haupttat gerichtet war, die Literatur würde darauf abstellen, dass eine Tatbestandsverschiebung gem. § 28 Abs. 2 vorliegt, da B kein eigenes Mordmerkmal aufweist.
JURIQ-Klausurtipp
In der Klausur beginnen Sie mit Beihilfe/Anstiftung zu der Tat, die der Haupttäter, dessen Strafbarkeit Sie zuerst geprüft haben, verwirklicht hat.
Achten Sie zunächst beim Vorsatz darauf, dass dem Teilnehmer die Mordmerkmale des Haupttäters bekannt sind, da das jedenfalls für den grundsätzlich in Frage kommenden § 28 Abs. 1 relevant ist. Bei tatbezogenenMordmerkmalen reicht allein das aus, § 28 ist hier nach allen Auffassungen uninteressant.
Nachdem Sie den Vorsatz geprüft haben, können Sie jetzt die Frage nach einer Tatbestandsverschiebung gem. § 28 Abs. 2 stellen. Möglich ist auch, diese Problematik erst nach der Schuld zu erörtern. Im Rahmen des § 28 Abs. 2müssen dann dessen Voraussetzungengeprüft werden:
1. |
Haupttäter hat oder hat kein persönliches Mordmerkmal |
2. |
Teilnehmer hat oder hat kein persönliches Mordmerkmal |
3. |
Mordmerkmal ist strafbegründend – an dieser Stelle erfolgt die Darstellung der unterschiedlichen Auffassungen von BGH und Literatur! |
[1]
Wessels/Hettinger/Engländer Strafrecht BT 1 Rn. 119.
[2]
Joecks/Jäger § 211 Rn. 10, BGHSt 22, 375.
[3]
Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT Rn. 674.
[4]
Wessels/Hettinger/Engländer Strafrecht BT 1 Rn. 100 ff.
[5]
BGHSt 9, 385, 389; 11, 139; 30, 105.
[6]
BGH Entscheidung vom 17.9.2008 Az 5 StR 189/08 – abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de.
[7]
LG Bremen StV 2007, 418.
[8]
Schönke/Schröder-Eser/Sternberg- Lieben § 211 Rn. 10 m.w.N.
[9]
BGHSt 9, 385, 389; 11, 139; 30, 105.
[10]
Fall nach BGHSt 30, 105.
[11]
BGH JZ 83, 967.
[12]
BGH Urteil vom 21.2.2018 Az 5 StR 267/17.
[13]
BGHSt 11, 139.
[14]
BGHSt 9, 385, 390.
[15]
Schönke/Schröder-Eser/Sternberg- Lieben § 211 Rn. 26; Bockelmann Strafrecht BT 2 § 3 IV, 1977.
[16]
BGHSt 28, 210, 211 f.; 30, 105, 115.
[17]
BGH NStZ 87, 554; NStZ-RR 97, 294; Jäger Strafrecht BT Rn. 32.
[18]
BGH Entscheidung vom 4.12.2012 Az 1 StR 336/12 – abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de.
[19]
BGHSt 9, 385; BGHSt NStZ 2001, 86.
[20]
BGH Beschluss vom 3.4.2008 Az 5 StR 525/07 – abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de.
[21]
BGHSt 20, 301.
[22]
Ab einem Alter von drei bis vier Jahren kann ein Kind arglos sein, vgl. BGH NJW 78, 709; NStZ 95, 230.
[23]
Wessels/Hettinger/Engländer Strafrecht BT 1 Rn. 128.
[24]
BGH Urteil vom 21.11.2012 Az 2 StR 309/12 – abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de, dazu auch lesenswert die Anmerkung von Thiele ZJS 3/2013, 307.
[25]
BGHSt 8, 216.
[26]
Schönke/Schröder-Eser/Sternberg- Lieben § 211 Rn. 24.
[27]
BGH Entscheidung vom 10.5.2007 Az 4 StR 11/07 – abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de.
[28]
BGH Entscheidung vom 19.6.2008 Az 1 StR 217/08 – abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de.
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