Aus § 40 BGB ergibt sich, dass der Verein bei der Ausgestaltung seiner Binnenstruktur grundsätzlich frei ist. Da § 32 BGB dispositives Recht enthält (§ 40 BGB), sind auch virtuelle Mitgliederversammlungenzulässig.[14]
221
Die Mitgliederversammlung trifft ihre Entscheidungen durch Beschlussfassung, d. h. durch Stimmabgabe der Mitglieder und Feststellung des Ergebnisses. Bei der Beschlussfassung entscheidet die Mehrheit der abgegebenen Stimmen (§ 32 Abs. 1 S. 3 BGB). Damit ist klargestellt, dass Stimmenthaltungen nicht als Nein-Stimmen zu werten sind. Die Satzung kann – da es sich bei § 32 BGB gem. § 40 BGB um dispositives Recht handelt – festlegen, wie viele Stimmen ein Mitglied hat und welche Art von Mehrheit für bestimmte Entscheidungen maßgeblich sein soll. Die Mitgliederversammlung muss über die in der Satzung genannten Fälle hinaus einberufen werden,
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wenn das Interesse des Vereins das erfordert (§ 36 BGB) oder |
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der durch die Satzung bestimmte Teil oder, falls eine solche Bestimmung fehlt, eine Minderheit von 10 % der Mitglieder dies unter Angabe des Zweckes und der Gründe fordert (§ 37 Abs. 1 BGB). |
b) Fehlerhafte Beschlüsse
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Fehlerhafte Beschlüsse der Mitgliederversammlung sollen nach der noch h. M.[15] ipso jure nichtig bzw. unwirksam sein. Die Nichtigkeit ist durch Feststellungsklage gem. § 256 ZPO geltend zu machen, nachdem die vereinsinternen Rechtsbehelfe ausgeschöpft sind[16]. Eine Unterscheidung zwischen nichtigen Beschlüssen – etwa wegen Verstoßes gegen die §§ 134, 138 BGB – einerseits und lediglich anfechtbaren Beschlüssen andererseits, wie sie im Aktienrecht in den §§ 241 ff. AktG, die auf die GmbH entsprechend anwendbar sind, geregelt ist, ist im Vereinsrecht noch nicht anerkannt (vgl. zur Anwendung der §§ 241 ff. AktG Rn. 659 ff.und 785 f.). Der BGH[17] hat eine entsprechende Anwendung der §§ 241 ff. AktG auf Vereinsbeschlüsse verneint, jedenfalls soweit sie eine Anfechtungsklage vorsehen. Mit Recht fordert K. Schmidt [18], auf Beschlüsse des Vereins wie bei der GmbH die §§ 241 ff. AktG analog anzuwenden. Seine Begründung dafür, der Verein sei schließlich ein parteifähiger Verband mit einem auf Mehrheitsbeschlüsse angelegten Willensbildungsorgan, vermag zu überzeugen. Hinzu kommt, dass auch im Hinblick auf Vereinsbeschlüsse das Bedürfnis vorhanden ist, zwischen nichtigen Beschlüssen einerseits und nur anfechtbaren Beschlüssen andererseits zu unterscheiden.
3. Der Vorstand
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Der von der Mitgliederversammlung durch Beschluss bestellte Vorstand besteht in der Regel aus mehreren Personen. Er ist das Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan des Vereins. Er vertritt diesen gerichtlich und außergerichtlich (§§ 26 ff. BGB). Handlungen und Willensäußerungen des Vorstandes sind die des Vereins. Grundsätzlich ist der Umfang der Vertretungsmacht des Vorstandes gem. § 26 Abs. 2 S. 1 BGB unbeschränkt; er kann allerdings gem. § 26 Abs. 2 S. 2 BGB mit Wirkung gegen Dritte durch die Satzung beschränkt werden. Eine entsprechende Bestimmung in der Satzung muss allerdings eindeutig die Beschränkung der Vertretungsmacht des Vorstandes erkennen lassen[19].
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Häufig ist es zweckmäßig, in die Satzung Bestimmungen über die Art und Weise der Beschlussfassung im Vorstand aufzunehmen und – je nach Art des Vereins – den Vorstandsmitgliedern bestimmte Aufgabengebiete zuzuweisen. Diese Fragen können jedoch auch durch eine Geschäftsordnung für den Vorstand geregelt werden.
Beispiel:
Der Vorstand eines Sportvereins kann nach der Satzung z. B. aus dem ersten Vorsitzenden und dessen Stellvertreter, dem Schatzmeister, dem Sportwart und dem Jugendbeauftragten bestehen.
b) Die Haftung des Vorstandes gegenüber dem Verein
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Auf die Geschäftsführung des Vorstandes finden die §§ 664 bis 670 BGB über den AuftragAnwendung (§ 27 Abs. 3 BGB). Für die Verletzung von Pflichten, die sich aus dem organschaftlichen Rechtsverhältnis zwischen Verein und Vorstand ergeben können, haften die Vorstandsmitglieder dem Verein gegenüber aus § 280 BGB für den daraus erwachsenden Schaden. Daneben können auch Ansprüche aus unerlaubter Handlung entstehen. Der Haftungsmaßstab ergibt sich grundsätzlich aus § 276 BGB. Jedoch ist eine beschränkte Vorstandshaftung durch § 31a BGB eingeführt worden. Vorstandsmitglieder, die unentgeltlich tätig sind oder für ihre Tätigkeit eine Vergütung erhalten, die jährlich 500 € nicht übersteigt, haften dem Verein für einen in Wahrnehmung von Vorstandsaufgaben verursachten Schaden nur bei Vorliegen von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit.
Beispiel:
Vorstandsmitglied A, welches die Aufgaben eines Kassenwartes ehrenamtlich wahrzunehmen hat und in dieser Eigenschaft auch für die Bezahlung von Rechnungen zuständig ist, vergisst es wegen starker beruflicher Inanspruchnahme, eine Handwerkerrechnung in Höhe von 23.000 € rechtzeitig zu begleichen. Der Handwerker macht zu Recht einen Verzugsschaden in Höhe von 345 € dem Verein gegenüber geltend. Diesen Schaden könnte der Verein von A gem. § 280 BGB ersetzt verlangen, es sei denn A hat, wovon hier auszugehen ist, nur leichte Fahrlässigkeit zu vertreten (§ 31a BGB).
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Bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Vereins hat der Vorstand die Eröffnung des Insolvenzverfahrenszu beantragen. Versäumt der Vorstand dies, so haftet er dem Verein gegenüber aus § 280 BGB auf Ersatz des dadurch entstandenen Schadens. Den Gläubigern gegenüber ist er aus § 42 Abs. 2 S. 2 BGB unmittelbar für den daraus entstehenden Schaden verantwortlich[20].
c) Die Haftung des Vereins für zum Schadenersatz verpflichtende Handlungen seiner Organe
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Der Verein ist zum Ersatz derjenigen Schäden verpflichtet, die seine Organe in Ausführung einer ihnen zustehenden Verrichtung durch zum Schadensersatz verpflichtende Handlungen einem Dritten zugefügt haben (§ 31 BGB). Da diese Regelung jede Möglichkeit der Entlastung, wie sie etwa § 831 BGB zulässt, ausschließt, wird der Verein durch § 31 BGB so gestellt, als ob er die zum Schadensersatz verpflichtende Handlung selbst begangen hätte[21].
§ 31 BGB allein ist keine Anspruchsgrundlage. Er erlegt nur dem Verein die Schadensersatzpflichten auf, die nach anderen Vorschriften der Person oder den Personen entstanden wären, wenn diese für sich und nicht als Organ für den Verein gehandelt hätten. Eine Schadensersatzpflicht des Vereins für Handlungen seiner Organe entsteht also über § 31 BGB nur in Verbindung mit anderen Anspruchsgrundlagen, seien sie vertraglicher Art, wie z. B. § 280 BGB, oder aus dem Deliktsbereich, wie z. B. §§ 823 ff. BGB[22].
Beispiel:
Das dafür zuständige Vorstandsmitglied zahlt den Kaufpreis aus einem Kaufvertrag nicht, der zwischen dem Verein und V zustande gekommen ist. V entsteht dadurch ein Verzugsschaden, den er gem. §§ 280, 286 BGB i. V. m. § 31 BGB von dem Verein fordern kann.
Dem § 31 BGB kommt über den Bereich des eingetragenen Vereins hinaus große Bedeutung zu, weil er auf alle juristischen Personen und auch auf die BGB-Gesellschaft, die OHG und die KG entsprechend angewandt wird.
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Lösung zu Fall 19:
Fraglich ist, ob die Klausel in der Satzung des Vereins, nach der Änderungen der Satzung ausschließlich durch Rechtsverordnung der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinschaft in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland (Augustana-Gemeinde) erfolgen können, gegen den Grundsatz der Vereinsautonomie verstößt, was als Rechtsfolge die Nichtigkeit bewirken könnte. Für den bürgerlich-rechtlichen Verein gilt der Grundsatz der Vereinsautonomie, der als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal aus § 40 BGB abgeleitet wird. Vereinsautonomie bedeutet, dass Verbände, also auch die Vereine befugt sind, ihre Struktur und ihre inneren Verhältnisse selbst zu gestalten; notwendiger Bestandteil ist die Satzungsautonomie, die durch die Mitgliederversammlung ausgeübt wird. Aus dem Grundsatz der Vereinsautonomie wird abgeleitet:
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