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Der reine Idealverein kann sich auch nicht auf die Niederlassungsfreiheit nach Art. 43, 48 EGV (jetzt Art. 49, 54 AEU-Vertrag) berufen, da die sachliche Anwendbarkeit der sog. Grundfreiheiten des Europäischen Gemeinschaftsrechtseine ausgeübte Tätigkeit zum Wirtschaftsleben voraussetzt. Der Idealverein ist eben kein kommerzielles Unternehmen, es sei denn, er beschafft sich die für die Verfolgung gemeinnütziger Zwecke benötigten Mittel durch wirtschaftliche Aktivitäten, die entgeltlich erbracht werden, und jedenfalls mittelbar einem Erwerbszweck dienen[2].
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II. Die Verfassung des rechtsfähigen Vereins
1. Begriff und Inhalt der Verfassung des Vereins
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Als die Verfassung des Vereins ist die Summe der Regelungen zu verstehen, die den inneren Aufbau und das innere Verbandsleben – die Mitgliedschaft, das Verhältnis der Organe zueinander, die Auflösung, das Schicksal des Vermögens bei der Beendigung – sowie die äußere Gestaltung – wie Zweck, Name, Sitz des Vereins sowie die Vertretung – enthält.
Die Verfassung setzt sich zusammen:
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aus den zwingenden Vorschriftendes BGB über den Verein, |
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aus der Satzung |
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und aus den dispositiven Vorschriftendes BGB, soweit die Satzung keine Bestimmungen trifft, die diese ersetzen. |
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Für den bürgerlich-rechtlichen Verein gilt der Grundsatz der Vereinsautonomie, der aus der Erlaubnis in § 40 BGB abgeleitet wird[3]. Über den Inhalt der Vereinsautonomie besteht weitgehend Einigkeit: Sie ist die Befugnis der Verbände, ihre Struktur und ihre inneren Verhältnisse selbst zu gestalten; notwendiger Bestandteil ist die Satzungsautonomie, die durch die Mitgliederversammlung ausgeübt wird[4].
Letztlich werden dem Grundsatz der Vereinsautonomie zwei verschiedene, voneinander zu trennende Bedeutungen zugemessen:
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Der Verein soll die Freiheit genießen, seine eigenen Angelegenheiten unabhängig, d. h. ohne Fremdeinfluss, bestimmen zu können („Selbstbestimmungsrecht“). |
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Für die Ausübung dieser Freiheit soll, von zulässigen Delegationsmöglichkeiten abgesehen, die Mitgliederversammlung zwingend zuständig sein (Gebot der „Letztzuständigkeit der Mitgliederversammlung“)[5]. |
Zwingende Vorschriften, die durch die Satzung weder ersetzt noch abgeändert werden können, sind: §§ 26, 27 Abs. 2, 28 Abs. 2, 29, 30, 31, 34, 35, 36, 37, 39, 41 BGB (s. § 40 BGB).
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Soweit die Bestimmungen des Vereinsrechts dispositiv sind, können die Mitglieder eines Vereins sich grundsätzlich jede von ihnen gewünschte Ordnung geben. Diese Gestaltungsfreiheit findet ihre Grenze jedoch dort, wo die Privatautonomie allgemein endet; diese Grenzen ergeben sich insbesondere aus den §§ 134, 138, 242 und 826 BGB. Die Grenze des Erlaubten ist jedenfalls dann überschritten, wenn die Satzung den Verein so stark unter fremden Einfluss bringt, dass er zu einer eigenen selbstständigen Willensbildung nicht mehr in der Lage ist[6].
2. Die Rechtsnatur der Satzung
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Über die Rechtsnatur der Satzung als Teil der Verfassung des Vereins besteht wie bei der Beurteilung der Rechtsnatur des Gründungsvertrages keine einhellige Meinung. Die Rspr.[7] geht davon aus, dass die Satzung zunächst zwar auf einem von den Gründern geschlossenen Vertrag beruht, nach der Entstehung des Vereins aber ein „unabhängiges rechtliches Eigenleben“ erlangt, zur „körperschaftlichen Verfassung des Vereins“ wird und fortan das rechtliche Wollen des Vereins als der Zusammenfassung seiner Mitglieder objektiviert.
Nach h. M.[8] beruht die Satzung zwar auf einem Rechtsgeschäft; sie ist jedoch nach ihrem Inkrafttreten nach den Grundsätzen zu behandeln, die für die Beurteilung objektiven Rechts anwendbar sind. Insbesondere gelten die Grundsätze für die Auslegung von Gesetzen, nicht die für die Auslegung von Verträgen.
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Ob die Satzung ihren rein rechtsgeschäftlichen Charakter beibehält oder nach den Grundsätzen für die Beurteilung objektiven Rechts zu behandeln ist, wird z. B. relevant bei der Frage, ob auf die Satzung § 139 BGB anwendbar ist oder nicht. Folgt man der h. M., ist § 139 BGB nicht anwendbar[9].
3. Der Inhalt der Satzung
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Die Satzung eines Vereins muss einen Mindestinhalt aufweisen. Aus ihr müssen der Zweckdes Vereins, sein Nameund sein Sitzentnommen werden können. Es muss aus ihr auch hervorgehen, dass der Verein eingetragen werden soll (§ 57 BGB).
Außerdem soll die Satzung eine Reihe weiterer Bestimmungen enthalten (§ 58 BGB), nämlich solche
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über den Eintritt und Austritt von Mitgliedern, |
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über die Frage, ob und ggf. welche Beiträge die Mitglieder zu leisten haben, |
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über die Bildung des Vorstandes, |
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über die Voraussetzungen, unter denen die Mitgliederversammlung zu berufen ist, |
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über die Form der Berufung der Mitgliederversammlung und |
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über die Beurkundung der Beschlüsse. |
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Das Registergerichtprüft vor der Eintragung, ob die in §§ 57 und 58 BGB aufgeführten Voraussetzungen vorliegen. Es prüft auch, ob im Übrigen zwingende Rechtsvorschriften verletzt worden sind, die zur Nichtigkeit der Satzung führen können. Unerheblich ist, ob das Gericht die Satzung für unzweckmäßig oder unklar hält.[10] Wegen der Satzungsautonomie unterliegen der Prüfungsbefugnis des Registergerichts solche Bestimmungen der Satzung nicht, die lediglich vereinsinterne Bedeutung haben.[11]
Ob darüber hinaus Vereinssatzungen einer richterlichen Inhaltskontrolleunterworfen werden können, ist umstritten[12]. Der BGH[13] hat eine richterliche Inhaltskontrolle gem. § 242 BGB jedenfalls im Hinblick auf solche verbandsinternen Normen bejaht, die die Rechtsstellung in denjenigen Vereinen und Verbänden regeln, die im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich eine überragende Machtstellung innehaben.
Auf Vereinssatzungen finden gem. § 310 BGB die Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB) keine Anwendung.
Teil III Die juristischen Personen des BGB: Eingetragener Verein und rechtsfähige Stiftung› § 11 Gründung und Verfassung des Vereins› III. Die Organe des Vereins
III. Die Organe des Vereins
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Der Verein muss jedenfalls zwei Organe haben: die Mitgliederversammlung und den Vorstand. Weitere Organe können gebildet werden. Sie sind vom Gesetz jedoch nicht zwingend vorgeschrieben.
Beispiel:
Die Satzung eines Vereins kann vorsehen, dass ein „Ältestenrat“ oder „Beirat“ zu bilden ist, zu dessen Aufgaben u. a. die Ausübung der „Vereinsstrafgewalt“ (die Verhängung von Strafen, wie Geldbußen, Ausschluss aus dem Verein etc.) nach Maßgabe der Satzung gehören soll.
2. Die Mitgliederversammlung
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Man kann die Mitgliederversammlung als das oberste Organ des Vereins bezeichnen, weil sie über alle Angelegenheiten zu entscheiden hat, deren Besorgung nicht durch Gesetz oder Satzung dem Vorstand übertragen ist (§ 32 BGB). Sie führt ihre Entscheidungen nicht selbst aus. Diese Aufgabe obliegt dem Vorstand, dem auch die Vertretung des Vereins nach außen zusteht. Die Mitgliederversammlung ist unter den im Gesetz oder in der Satzung genannten Voraussetzungen auch zur Satzungsänderung befugt.
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