3. Rechtsfolgen der Drittleistung
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Wenn der gem. § 267 leistungsberechtigte Dritte mit Tilgungswillen geleistet hat, erlischt insoweit die Schuld. Die weiteren Konsequenzen sind nicht in § 267 geregelt. Denkbar ist, dass der Dritte im Innenverhältnis vom Schuldner Aufwendungsersatz (beispielsweise nach dem Auftragsrecht oder den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag) verlangen kann.
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Wenn jemand auf eine nur vermeintlich bestehende Schuld geleistet hat (Putativschuldner)greift § 267 nicht ein (s. schon oben). Daher wird die tatsächlich bestehende Schulddes Schuldners durch die Zahlung des Putativschuldners grundsätzlich nicht getilgt. Dem Putativschuldner stehen dann auch keine Bereicherungsansprüche gegen den Schuldner zu, sondern nur gegen den Gläubiger.[32] In manchen Fällen ist damit den Interessen des Putativschuldners nicht optimal gedient, etwa wenn der Gläubiger zahlungsunfähig ist, nicht aber der Schuldner. Der BGH kommt diesen Interessen des Putativschuldners entgegen: Er hält es für möglich, dass der Putativschuldner in den Grenzen von Treu und Glauben eine nachträgliche Tilgungsbestimmungtrifft und damit die Tilgungswirkung des § 267 nachträglich herbeiführt.[33] So wird dem Putativschuldner der Regress beim Schuldner aus ungerechtfertigter Bereicherung ermöglicht.[34] Das ist in der Lehre allerdings auf teils heftige Kritik gestoßen:[35] Es sei unbillig, dass der Putativschuldner sich aussuchen kann, ob er lieber den Schuldner in Anspruch nimmt (durch nachträgliche Tilgungsbestimmung) oder aber den Gläubiger (keine nachträgliche Tilgungsbestimmung).
Im Fall 28hat D an G geleistet, da er irrtümlich davon ausging, zum Schadensersatz verpflichtet zu sein. Eine Tilgungsbestimmung, auf die Schuld der tatsächlich schadenersatzpflichtigen S zu leisten, lag nicht vor. Die rechtsgrundlose Leistung kann D gem. § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. von G kondizieren. Nach der Rechtsprechung kann D jedoch auch durch eine nachträgliche Tilgungsbestimmung die Rechtsfolgen des § 267 auslösen. Damit kommt seiner Leistung an G Erfüllungswirkung zu. Er kann dann S aus Bereicherungsrecht in Anspruch nehmen (§ 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt.; sog. Rückgriffskondiktion).
4. Ablösungsrecht des Dritten (§ 268)
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Wenn einem Dritten durch die Zwangsvollstreckunggegen den Schuldner besondere Gefahren drohen, kann er besonders daran interessiert sein, den Gläubiger zu befriedigen – eben um diese Gefahren für seine Interessen abzuwenden. Dieses Interesse ist in § 268 dadurch berücksichtigt, dass sein Leistungsrecht gegenüber der allgemeinen Regel des § 267 gestärktwird. Das in § 268 vorgesehene Ablösungsrecht des Dritten besteht ohne Widerspruchsmöglichkeit des Schuldners (§ 267 Abs. 2)und verschafft dem Dritten auch die Inhaberschaft an der Forderung (gesetzlicher Forderungsübergang).
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§ 268 setzt voraus, dass die Zwangsvollstreckung in einem dem Schuldner gehörenden Gegenstand betrieben wird. Für dingliche Sicherungsrechte sieht das Gesetz ähnliche Ablösungsrechte vor (für die Hypothek: §§ 1142 f, 1150; für das Pfandrecht §§ 1249, 1273). Deshalb ist § 268 nach hM darauf beschränkt, dass die Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung betrieben wird (also gem. §§ 803 ff ZPO).[36] Die Zwangsvollstreckung wird betrieben, wenn ein Vollstreckungsantrag des Gläubigers gestellt wurde; das Ablösungsrecht endet mit Abschluss der Vollstreckung. Dem Dritten muss durch die Vollstreckung der Verlust eines dinglichen Rechts (beispielsweise eines Pfandrechts oder einer Hypothek) an dem Gegenstand oder des Besitzes an dem Gegenstand (§ 268 Abs. 1 S. 2) drohen. Hauptanwendungsfall des § 268 Abs. 1 S. 2 ist der Besitz des Mieters: Stellen Sie sich vor, dass die an Sie vermietete Wohnung zwangsversteigert wird. In diesem Fall hat der Erwerber ein Kündigungsrecht gem. § 57a ZVG – er könnte Sie also „vor die Tür setzen“. Um das zu verhindern, gewährt das Gesetz dem Mieter ein Ablösungsrecht: Sie könnten also die Schulden Ihres Vermieters bezahlen, um den Besitzverlust zu verhindern.
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Unmittelbare Rechtsfolge des § 268 ist gem. § 268 Abs. 1 S. 1 das Ablösungsrechtdes Dritten, das ihm ein Befriedigungsrecht gibt, bei dem der Widerspruch des Schuldners keine Konsequenzen hat. § 267 Abs. 2 ist dadurch ausgeschaltet. Die Rechtsposition des Drittenist ferner dadurch gestärkt, dass er anders als bei § 267 die Befriedigung auch durch Hinterlegung und Aufrechnung vornehmen kann (§ 268 Abs. 2). Und schließlich kommt es gem. § 268 Abs. 3 zu einem gesetzlichen Forderungsübergang iSd § 412, soweit der Dritte den Gläubiger befriedigt. Der Forderungsübergang kann nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden. Der Gläubiger soll durch die Drittleistung also nicht schlechter stehen. Das hat vor allem Bedeutung bei anteiliger Befriedigung durch den Dritten. So führt der Forderungsübergang bei teilweiser Zahlung auf Hypotheken oder Grundschulden zu einem Nachrangverhältnis des Dritten zugunsten des Gläubigers.[37]
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B könnte gegen A einen Anspruch auf die Zahlung weiterer Verszugszinsen aus §§ 288 Abs. 1, 286 haben.
I.A war im Schuldnerverzug.
II.Der Schuldnerverzug könnte durch den Annahmeverzugs des B beendet worden sein, weil der Annahmeverzug des Gläubigers den Schuldnerverzug über dieselbe Schuld ausschließt.[38]
1.D hat B die Zahlung tatsächlich iSd § 294 angeboten. Gem. § 267 Abs. 1 kann die Leistung auch durch Dritte erfolgen. Nach § 267 Abs. 1 S. 2 ist dafür keine Einwilligung des Schuldners erforderlich. Eine höchstpersönliche Leistungspflicht besteht nicht. B hat das Zahlungsangebot auch zurückgewiesen.
2.Der Annahmeverzug könnte aber gem. § 267 Abs. 2 ausgeschlossen sein. Gem. § 267 Abs. 1 S. 2 ist zwar eine Einwilligung oder Erlaubnis des Schuldners für die Drittzahlung nicht erforderlich. Wenn der Schuldner aber widerspricht, hat der Gläubiger ein Ablehnungsrecht. A hat der Zahlung des D widersprochen, so dass B gem. § 267 Abs. 2 zur Ablehnung berechtigt war. B war daher nicht im Gläubigerverzug.
3.Der Schuldnerverzug des A ist also nicht durch den Gläubigerverzug ausgeschlossen.
Ergebnis:B hat gegen A weiterhin Anspruch auf Zahlung der Verzugszinsen aus §§ 288, 286 Abs. 1.
Teil II Der Inhalt von Schuldverhältnissen› § 6 Modalitäten der Leistungserbringung› IV. Teilleistungen (§ 266)
IV. Teilleistungen (§ 266)
Fall 29:
A schuldet B die Lieferung von fünf Kaninchen. Diese sollen allesamt aus einem Wurf stammen, welcher in Kürze erfolgen soll.
a)A und B haben bei Abschluss des Vertrags vereinbart, dass A einzelne Kaninchen zurückhalten darf, wenn dessen Tochter bestimmte Kaninchen besonders süß findet. Die Tochter des A findet nach erfolgtem Wurf zwei Kaninchen besonders süß.
b)Aus dem Wurf haben nur drei Kaninchen überlebt.
A bietet nunmehr dem B drei Kaninchen an. B weigert sich, die drei Kaninchen anzunehmen und besteht auf Lieferung von fünf Kaninchen. Es ergebe sich nämlich aus dem BGB, dass er Teilleistungen nicht anzunehmen brauche. Dadurch entstehen dem A in der Folgezeit Fütterungskosten in Höhe von 30 Euro.
A möchte nun von einem befreundeten Jurastudenten wissen, ob er diese Kosten von B ersetzt verlangen kann? Lösung Rn 340
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