112
Soweit die Liquidatorender Pensionskassen – in der Regel also die ehemaligen Vorstandsmitglieder – wissen, dass unbekannte Gläubiger nicht vorhanden sind und Schadensersatzansprüche dementsprechend auch nur theoretischer Natur sind, werden in der Praxis mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde auch schon während des Sperrjahres größere Abschlagszahlungen an die Berechtigten am Vereinsvermögen gezahlt. Mindestens werden die bisher gezahlten Renten an die Rentenempfänger als Abschlagszahlung auf den Vermögensverteilungsanspruch ausgekehrt.
113
Zum Zeitpunkt der Auflösung ist vor allem die Deckungsrückstellung zu berechnen und eine Bilanz zu erstellen. Dauert das Liquidationsverfahren mehrere Kalenderjahre, ist wie bei der aktiven Pensionskasse zum jeweiligen Abschluss des Geschäftsjahres ein Jahresabschluss zu erstellen. Nach der Beendigung der Liquidation muss eine Schlussbilanz erstellt werden, aus der ersichtlich ist, dass nunmehr das gesamte Vermögen der Pensionskasse an die Berechtigten verteilt ist. Muss nach der Satzung der Jahresabschluss der Mitgliederversammlung vorgelegt werden, gilt dies grundsätzlich auch für die Schlussbilanz (ggf. können hier aber mit der Aufsichtsbehörde besondere Verabredungen getroffen werden).
cc) „Versilberung“ des Vermögens und Verteilung an die Berechtigten
114
Die Liquidatoren haben das Vereinsvermögen in Geld umzusetzen. Insbesondere sind also evtl. Immobilien zu verkaufen, die Ausgleichsforderungen zum Kauf anzubieten usw. Das Vermögen ist dann an die Berechtigten auszukehren. Hierbei ist schon während des Liquidationsverfahrens darauf zu achten, dass mit der Schlusszahlung an die Berechtigten möglichst das gesamte Vereinsvermögen auch ausgekehrt werden kann und keine größeren Beträge übrig bleiben. Die Auskehrung von Restvermögen an mildtätige Organisationen u. Ä. ist nur im äußerst beschränkten Maße möglich, da Anspruchsberechtigte am Vereinsvermögen ausschließlich die Versicherten selbst sein dürfen.
dd) Aufbewahrung von Unterlagen
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Nach Beendigung der Liquidation ist daran zu denken, dass die bisherigen Unterlagen der Pensionskasse noch einige Zeit aufbewahrt werden müssen. Bei großen Vereinen richten sich die Aufbewahrungsvorschriften nach dem Handelsrecht. Bei kleineren Vereinen ist die Aufbewahrung mit der Aufsichtsbehörde abzustimmen.
116
Statt der Auflösung der Pensionskasse mit anschließender Vermögensverteilung an die Mitglieder und Rentenempfänger kann die Pensionskasse auch durch Übertragung ihres Bestandes auf ein anderes Versicherungsunternehmen als Rechtssubjekt ihre Beendigung finden. Bei der Bestandsübertragung können die Versicherungsverhältnisse fortgeführt werden. Sie wird daher regelmäßig der vollständigen Auflösung der Pensionskasse vorgezogen. Die oben geschilderten arbeits- und steuerrechtlichen Problemstellungen tauchen hier dann nicht auf. Materiell rechtlich bedeutet die Bestandsübertragung die Auflösung der Pensionskasse, bei der statt der Liquidation alle Rechte und Pflichten der Pensionskasse auf ein übernehmendes Versicherungsunternehmen übergehen. Die Bestandsübertragung richtet sich nach §§ 13 und 200 VAG.
a) Bestandsübertragungsvertrag
117
Grundlage der Bestandsübertragung ist ein Bestandsübertragungsvertrag, der vom Vorstand der Pensionskasse mit dem Vorstand des anderen Versicherungsunternehmens – in der Regel ebenfalls eine Pensionskasse oder ein Lebensversicherungsunternehmen – geschlossen wird. In dem Vertrag wird bestimmt, dass der Versichertenbestand der Pensionskasse auf das übernehmende Unternehmen mit allen Rechten und Pflichten übergeht. Materielle Änderungen dieser Rechte und Pflichten, also insbesondere Änderungen der Versicherungsverhältnisse, dürfen in dem Vertrag nicht geregelt werden. Möchte also z. B. das übernehmende Unternehmen den Bestand der Pensionskasse nur zu den Bedingungen bei sich weiterführen, die für ihren eigenen Bestand gelten, kann dies nicht Gegenstand des Übertragungsvertrages sein. Vielmehr muss die zu übertragende Pensionskasse durch ihr oberstes Organ vor der Bestandsübertragung (logische Sekunde) ihre Satzungs- und Versicherungsbedingungen denen des übernehmenden Versicherungsunternehmens anpassen. In diesem Fall besteht dann im Zeitpunkt der Bestandsübertragung Identität zwischen den Versicherungsbedingungen der übertragenden Pensionskasse und der übernehmenden Versicherungsgesellschaft. Die Bestandsübertragung selbst ändert nicht die Rechte des zu übernehmenden Bestands.
118
Der Bestandsübertragungsvertrag muss schriftlichgeschlossen werden.
b) Beschluss der obersten Vertretung
119
Der Bestandsübertragungsvertrag bedarf zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung der obersten Vertretung der übertragenden Pensionskasse. Das übernehmende Unternehmen braucht den Bestandsübertragungsvertrag vorbehaltlich einer anders lautenden Satzungsbestimmung der obersten Vertretung nicht vorzulegen.
120
Der Beschluss bedarf einer Mehrheit von ¾ der abgegebenen Stimmen, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt.
121
Sollten – wie oben dargelegt – auch die Versicherungsbedingungen im Zusammenhang mit der Bestandsübertragung geändert werden, wird diese Änderung regelmäßig auch in der Mitgliederversammlung beschlossen, die die Bestandsübertragung genehmigt.
c) Genehmigung der Aufsichtsbehörde
122
Die Bestandsübertragung bedarf der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. Die Aufsichtsbehörde hat dabei auch zu prüfen, ob etwaige soziale Belange von Beschäftigten der übertragenden Pensionskasse gewahrt sind.
123
Die Aufsichtsbehörde prüft insbesondere, ob durch die Bestandsübertragung Belange der Versicherten tangiert sind. Es ist also darzulegen, dass bei der übertragenden Pensionskasse nicht mehr stille Reserven vorhanden sind bzw. die Verlustrücklage nicht größer ist, als dies bei der übernehmenden Unternehmung der Fall ist. Stille Reserven und auch die Verlustrücklage stellen Vermögenswerte dar, die den Versicherten der übertragenden Pensionskasse grundsätzlich erhalten bleiben müssen. Umgekehrt dürfen durch die Bestandsübertragung bei der übernehmenden Versicherung deren Versicherte nicht etwa dadurch nachteilig betroffen werden, dass die von ihnen aufgebaute Verlustrücklage nunmehr auch für den übernommenen Bestand zu einem höheren Vermögensanteil führt. Die Aufsichtsbehörde prüft weiterhin, ob auch die Überschussbeteiligung für den zu übertragenden Versicherungsbestand nach der Übertragung nicht niedriger ist als vor der Übertragung (§ 13 Abs. 4 VAG). Darüber hinaus wird geprüft, ob die Mitglieder eines VVaG für den eventuellen Verlust ihrer Rechte als Vereinsmitglied ein angemessenes Entgelt erhalten haben, §§ 13 Abs. 3, 201 Abs. 1 VAG. Im Ergebnis sollen die Versicherten von der Bestandsübertragung praktisch in allen Belangen ihrer versicherungsrechtlichen Ansprüche nicht schlechter gestellt werden.
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Der Bestandsübertragung ist ein sog. Übertragungsgutachten zu Grunde zu legen. Hier werden auch die versicherungstechnischen Grundlagen dargestellt. Neben der Berücksichtigung der stillen Reserven und der Anteile der Verlustrücklage wird das übernehmende Unternehmen auch beurteilen wollen, ob die zu übernehmenden Versicherungsrisiken unter Berücksichtigung ihrer eigenen Rechnungsgrundlagen ausreichend finanziert sind.
d) Wirkung der Bestandsübertragung
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Mit der Bestandsübertragung gehen alle Rechte und Pflichten der übertragenden Pensionskasse auf das neue Versicherungsunternehmen über. Die Versicherten der Pensionskasse sind nunmehr Versicherte der übernehmenden Versicherungsgesellschaft. Die Beiträge müssen an das übernehmende Unternehmen gezahlt werden, alle Verbindlichkeiten und Versicherungsansprüche werden von der übernehmenden Unternehmung erfüllt. Es handelt sich insoweit um eine echte Schuldübernahme, die allerdings nicht der Einzelzustimmung jedes Versicherten oder dritten Gläubigers bedarf. Dies ist ausdrücklich auch in § 13 Abs. 5 Hs. 2 VAG klargestellt.
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