249
§ 381 AO tritt gegenüber einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung oder einer leichtfertigen Steuerverkürzung zurück; dies folgt aus § 21 OWiG und der Subsidiaritätsklausel des § 381 Abs. 2 AO. Auch tritt § 381 AO hinter die Sondervorschrift der Gefährdung von Einfuhr- und Ausfuhrabgaben gem. § 382 AO zurück.
Allerdings geht § 381 AO der Steuergefährdung gem. § 379 AO als Sonderdelikt vor.[31]
250
Der subjektive Tatbestand gem. § 381 AO erfordert Vorsatz oder Leichtfertigkeit. Aufgrund der unübersichtlichen, unsystematischen und unklaren Vorschriften des Verbrauchssteuerrechts ergeben sich jedoch erhebliche Schwierigkeiten beim Nachweis einer leichtfertigen Begehung, wenn dem Täter kein vorsätzliches Verhalten angelastet werden kann.[32]
251
Die Vorschriften über die strafbefreiende Selbstanzeige sind mangels Verweisung in § 381 AO nicht anwendbar. Liegt bei vollendeter Steuerhinterziehung oder leichtfertiger Steuerverkürzung eine wirksame Selbstanzeige vor, besteht auch hier Streit darüber, ob die Ahndung einer parallel begangenen Ordnungswidrigkeit gem. § 381 AO ebenfalls ausgeschlossen ist.[33]
Eine Ordnungswidrigkeit gem. § 381 AO kann mit Geldbuße bis zu 5.000 € geahndet werden.
e) Gefährdung von Einfuhr- und Ausfuhrabgaben, § 382 AO
252
§ 382 AO schützt die vollständige Erfassung der Einfuhrabgaben und dient der Sicherung der zollamtlichen Überwachung des Warenverkehrs über die Grenzen des EU-Zollgebiets und der Freizonengrenzen.[34] Zu diesem Zweck werden Vorbereitungshandlungen, die geeignet sein können, Einfuhr- und Ausfuhrabgaben zu verkürzen, bußgeldrechtlich geahndet. Da es z.Zt. jedoch in der EU keine Ausfuhrzölle gibt, ist die Gefährdung von Ausfuhrabgaben nicht möglich.[35] Auch bei § 382 AO handelt es sich um eine Blankettvorschrift, die durch die Zoll- und Verbrauchssteuergesetze, die dazu ergangenen Rechtsverordnungen sowie durch die Verordnungen des Rates oder der Kommission der Europäischen Gemeinschaft[36] ausgefüllt wird. § 382 Abs. 4 AO enthält diesbezüglich eine Ermächtigung für den Bundesminister der Finanzen, durch Rechtsverordnung die Verordnungen des Rates oder der Kommission der Europäischen Gemeinschaft zu bezeichnen, bei deren Verletzung § 382 AO Anwendung findet (vgl. z.B. § 30 Abs. 4–7 ZollVO). Für die Ahndung einer Ordnungswidrigkeit gilt gem. § 382 Abs. 1 AO ein Rückverweisungsvorbehalt; d.h. § 382 AO ist nur anwendbar, wenn Zollvorschriften explizit für bestimmte Tatbestände auf diese Bußgeldvorschrift verweisen.
253
Einfuhrabgaben i.S.v. § 382 Abs. 1 AO sind gem. § 1 Abs. 1 S. 3 ZollVG i.V.m. Art. 4 Nr. 10 ZK Zölle, Abschöpfungen, Einfuhrumsatzsteuer und die für eingeführte Ware zu erhebenden Verbrauchssteuern sowie bei der Einfuhr erhobene Abgaben im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik und der Sonderregelungen für landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse.[37]
Das Zollrecht enthält in §§ 30, 31 ZollVG einen abschließenden Verweisungskatalog, in dem sämtliche Zollordnungswidrigkeiten genannt sind.[38] Zu beachten ist im Rahmen der Verteidigung auch die Vorschrift gem. § 32 ZollVG, wonach leichte Zollstraftaten oder –ordnungswidrigkeiten im grenzüberschreitenden Reiseverkehr – statt mit Strafen oder Geldbußen – grundsätzlich mit einem „Zuschlag“ geahndet werden können, wenn die Einfuhr ausschließlich zu privaten Zwecken erfolgt und der Einfuhrabgabenbetrag 130 €nicht übersteigt (siehe Ausnahmen gem. § 32 Abs. 2 ZollVG).
254
Gemäß § 382 Abs. 3 AO ist die Ordnungswidrigkeit gem. § 382 AO gegenüber der leichtfertigen Steuerverkürzung gem. § 378 AO subsidiär und tritt gem. § 21 OWiG gegenüber einer Steuerhinterziehung zurück. Da für die Erfüllung des subjektiven Tatbestandes gem. § 382 AO einfach Fahrlässigkeitgenügt, greift die Subsidiaritätsklausel nicht, wenn dem Täter zwar weder Vorsatz noch Leichtfertigkeit, jedoch einfache Fahrlässigkeit nachgewiesen werden kann.[39]
§ 382 AO stellt gegenüber § 381 AO eine Sondervorschrift dar.[40]
255
Die Regelungen über die strafbefreiende Selbstanzeige finden keine Anwendung; gleichwohl ist im Fall der Selbstanzeige an die Einstellungsmöglichkeit gem. § 47 OWiG zu denken.
Ordnungswidrigkeiten gem. § 382 AO können mit Geldbuße bis zu 5.000 € geahndet werden.
f) Unzulässiger Erwerb von Erstattungs- und Vergütungsansprüchen § 383 AO
256
§ 46 Abs. 4 AO untersagt den geschäftsmäßigen Erwerb von Erstattungs- und Vergütungsansprüchen aus dem Steuerverhältnis zum Zwecke der Einziehung oder sonstigen Verwertung auf eigene Rechnung. Ausgenommen sind lediglich die Fälle der Sicherheitsabtretung; der geschäftsmäßige Erwerb oder die Einziehung der zur Sicherheit abgetretenen Ansprüche ist Unternehmen gestattet, denen das Betreiben von Bankgeschäften i.S.d. § 32 KWG erlaubt ist.
Die jeweiligen Erstattungs- und Vergütungsansprüche des Steuerpflichtigen ergeben sich aus der AO oder aus den Einzelsteuergesetzen.[41]
Hervorzuheben ist, dass eine Ordnungswidrigkeit gem. § 383 AO nur vorsätzlich begangen werden kann (vgl. § 377 Abs. 2 AO, § 10 OWiG).
257
Eine strafbefreiende Selbstanzeige ist auch hier nicht möglich, wobei eine Nichtverfolgung bzw. Einstellung gem. § 47 OWiG stets in Betracht kommen kann, wenn der Täter den ohnehin gem. § 134 BGB i.V.m. § 46 Abs. 4 AO nichtigen, verbotswidrigen Erwerb rückgängig macht.[42]
Das Bußgeld beträgt bei § 383 Abs. 2 AO bis zu 50.000 €.
Teil 2 Die Tatbestände des Steuerstraf- und -ordnungswidrigkeitenrechts› III. Steuerordnungswidrigkeiten› 2. Steuerordnungswidrigkeiten außerhalb der AO
2. Steuerordnungswidrigkeiten außerhalb der AO
a) In Bundesgesetzen
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Eigene Ordnungswidrigkeitentatbestände enthalten:
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§ 50c EStG bei Verletzung von Mitteilungspflichten nach § 45d EStG; |
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§ 50e EStG bei Nichtanmeldung geringfügig Beschäftigter in Privathaushalten; |
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§ 26a UStG bei Verletzung umsatzsteuerlicher Aufbewahrungs- oder Meldepflichten; |
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§ 26b UStG bei Schädigung des Umsatzsteueraufkommens;[43] |
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§ 33 Abs. 4 ErbStG bei Verletzung der Anzeigepflicht im Todesfall; |
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§§ 31a, 31b ZollVG bei Verletzung zollrechtlicher Anzeigepflichten; |
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§§ 160 ff. StBerG bei unerlaubter Hilfe in Steuersachen, bei unbefugter Nutzung der Bezeichnung „Steuerberatungsgesellschaft“, „Lohnsteuerhilfeverein“, „Landwirtschaftliche Buchstelle“ o.Ä., Verletzung spezifischer Pflichten von Lohnsteuerhilfevereinen; |
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§§ 132 f. WPO Verbot verwechslungsfähiger Berufsbezeichnungen, Verletzung von Berufsbezeichnungen. |
bb) Verletzung der Aufsichtspflicht, § 130 OWiG
259
§ 130 OWiG ahndet die Verletzung betrieblicher Aufsichtspflichten und kann auch bei steuerlich relevanten Sachverhalten Anwendung finden.[44]
Wer als Inhaber eines Betriebes oder als vertretungsberechtigtes Organ gem. § 9 OWiG vorsätzlich oder fahrlässig diejenigen Aufsichtsmaßnahmen unterlässt, die erforderlich sind, um in dem Betrieb oder Unternehmen Zuwiderhandlungen gegen Pflichten zu verhindern, handelt ordnungswidrig gem. § 130 OWiG. Somit wird gem. § 130 OWiG das Aufsichts- oder Organisationsverschulden in Bezug auf unternehmensbezogene Pflichten geahndet.[45] Da § 130 OWiG auch die Einhaltung der steuerrechtlichen Regelkonformität, die sog. Tax Compliance, betrifft, haben Unternehmen in den letzten Jahren mit erheblichem Aufwand Compliance-Strukturen geschaffen, um etwa durch innerbetriebliche Funktions- und Informationssysteme die richtige Anwendung und Überprüfung steuerrechtlicher Vorgaben und Fristen, die Erfüllung steuerlicher Mitwirkungs- und Zahlungspflichten sowie die Einhaltung von Dokumentations- und Aufzeichnungspflichten zu gewährleisten.[46]
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