1 ...7 8 9 11 12 13 ...43 Ob das Verteidigungsziel als das, was für den Mandanten entscheidend ist und ihn letztlich ausschließlich interessiert, erreicht wird, steht natürlich auf einem anderen Blatt. Aber gerade die Festlegung des Verteidigungsziels gemessen am Rahmen der möglichen Rechtsfolgen und das Aufzeigen des Wegs macht auch die Verteidigung für den Mandanten transparent und kann auch besser die Akzeptanz eines Verfahrensergebnisses, gerade im Hinblick auf eine einvernehmliche Verfahrenserledigung, vermitteln.
Teil 1 Allgemeine Grundfragen› I. Der Verteidiger im Steuerstrafverfahren› 3. Gemeinschaftliche Verteidigung
3. Gemeinschaftliche Verteidigung
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Aus dieser Konstellation des Steuerstrafrechts im materiellen wie im prozessualen Bereich ergibt sich ein „ Gebot der Doppelverteidigung“: D.h., dass dort, wo ein Verteidiger tätig ist, der nicht gleichermaßen Steuerrechtler wie auch Strafverteidiger ist, wo aber beides gefordert ist, immer ein zweiter Verteidiger hinzugezogen wird, der das andere Rechtsgebiet beherrscht. Nur so ist in der Regel eine sachgerechte Verteidigung gewährleistet. Dabei muss die Zuziehung des zweiten Verteidigers frühestmöglich erfolgen. Diese Notwendigkeit ergibt sich daraus, dass sich eine getrennte Betrachtungsweise des Steuerstrafverfahrens in Steuerrecht einerseits und Strafrecht sowie Strafprozessrecht andererseits verbietet, alle Aspekte greifen von Anfang an ineinander über.[33] Es geht nicht, die Verteidigung im Ermittlungsverfahren gegenüber Steuerfahndung und Straf- und Bußgeldsachenstelle auf die rein steuerrechtliche Seite zu beschränken und die strafrechtliche Auseinandersetzung der Hauptverhandlung zu überlassen. Die Weichen eines Strafverfahrens werden im Ermittlungsverfahren gestellt.[34] Bereits im Ermittlungsverfahren werden strafprozessuale, insbesondere taktische Überlegungen relevant, man denke nur an das Problem der Einlassung des Beschuldigten, die Verteidigungsschrift, der Präsentation weiterer Beweismittel, insbesondere von Zeugen, die Frage nach der Reaktion auf Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse, das Verteidigerhandeln bei Erlass und Vollzug eines Haftbefehls.[35] Umgekehrt darf sich eine Verteidigung im Ermittlungsverfahren nicht nur auf strafprozessuales Reagieren beschränken, gerade für die steuerrechtliche Seite des Falles bedarf es der Auseinandersetzung und damit der Tätigkeit des Steuerrechtlers. Hinzuweisen ist noch auf zwei Aspekte der gemeinschaftlichen Verteidigung: Es sind zwei Beschuldigte vorhanden, z.B. Ehegatten, bei denen Vorwurf, prozessuale Situation und Interessen völlig gleich gelagert sind, so dass die Verteidigung identisch ist. Hier ist die Verteidigung des einen durch den Steuerrechtler, die des anderen durch den Strafverteidiger allein denkbar, wobei intern eine gemeinschaftliche Verteidigung mit gleicher Argumentation und gleichem Ziel geführt wird.
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Die Zuziehung eines weiteren Verteidigers kann auch noch unter einem anderen Aspekt geboten sein: Bei Ortsverschiedenheit von Sitz des Verteidigers und Sitz der Straf- und Bußgeldsachenstelle und/oder Gericht kann die Vertrautheit eines ortsansässigen Verteidigers mit den örtlichen Gepflogenheiten und Usancen eine wertvolle Hilfe für die Verteidigung sein.[36]
b) Verteidiger und steuerlicher Berater
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Gerade die Möglichkeit des § 392 AO scheint es nahe zu legen, die Verteidigung gemeinsam mit dem bisherigen steuerlichen Berater des Beschuldigten zu führen, indem Anwalt und steuerlicher Berater sich legitimieren und gemeinsam als Verteidiger tätig werden. Dafür spricht sicher die genaue Kenntnis des steuerlichen Beraters von steuerlichen Sachverhalten, seine Kenntnis der steuerrechtlichen Probleme und auch seine oftmals besseren Kontakte zu den Finanzbehörden einschließlich der Steuerfahndung.[37]
Dem stehen andererseits folgende Bedenken oder auch zwingende Gründe entgegen:
aa) Der Berater als Zeuge
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Der Berater unterliegt einer strafbewehrten Schweigepflicht, § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB. Von dieser Schweigepflicht kann er ganz oder teilweise von seinem Mandanten entbunden und so als (Entlastungs)zeuge in das Verfahren eingeführt werden. Diese Zeugenrolle steht seiner Stellung als Verteidiger nicht entgegen,[38] seine Verteidigerfunktion kann (und wird) aber seine Zeugenrolle in der Regel entwerten und zwar umso mehr, je gewichtiger seine Zeugenaussage für das Verfahren ist.[39] Nicht nur aus optischen Gründen steht daher die Möglichkeit einer Zeugenstellung einer Übernahme der Mitverteidigung entgegen.[40]
bb) Mandatsbedingte Befangenheit
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Zum einen ergibt sich gerade aus der steuerberatenden Tätigkeit unter Umständen eine gewisse Befangenheit des steuerlichen Beraters, die ihm die notwendige Distanz zum Untersuchungsgegenstand unmöglich macht oder auch das Vertrauensverhältnis zum Beschuldigten tangiert. Es ist nicht zu übersehen, dass der steuerliche Berater, ohne dass ein strafrechtlicher Vorwurf gegen ihn erhoben wird, leicht in die Situation geraten kann, seine eigene Tätigkeit zu rechtfertigen. Er ist zwangsläufig involviert.[41] Hieraus kann zudem ein Glaubwürdigkeitsverlust gegenüber den Ermittlungsbehörden entstehen.
cc) Mandatsbedingte Interessenkollision
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Häufig ist der Berater vor dem Steuerstrafverfahren im Zusammenhang mit dem Beratungsverhältnis auch noch für Dritte tätig, die von dem Steuerstrafverfahren direkt oder indirekt betroffen sind. Man denke nur an ein Beratungsverhältnis mit dem Beschuldigten, dem von ihm als Geschäftsführer vertretenen Unternehmen, den weiteren Gesellschaftern, weiteren Geschäftsführern. Diese mitberatenen Dritten können selbst zu Beschuldigten werden oder es können aus den strafrechtlichen Vorwürfen zivilrechtliche Schadensersatzansprüche erwachsen. Allein daraus erwachsen Interessenkonflikte, die eine Mandatsübernahme verbieten. Die Strafbarkeitsproblematik des § 356 StGB (Parteiverrat) verdeutlicht dies nur.[42]
dd) Der Berater als Mitbeschuldigter
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Darüber hinaus kann der steuerliche Berater aufgrund seiner Nähe zum Untersuchungsgegenstand selbst sehr leicht zum Mitbeschuldigten werden.[43] Eine Tendenz, zumindest steuerliche Berater in den Kreis der Tatverdächtigen einzubeziehen, erscheint unverkennbar[44] und sei es nur deshalb, um damit der Problematik des § 97 StPO aus dem Weg zu gehen.[45] Unabhängig davon, dass in diesem Fall Interessenkonflikte voll aufbrechen können (aber nicht müssen), scheidet der Berater als Verteidiger in diesem Fall aus.[46] Dies führt im Endergebnis zum Ausschluss als Verteidiger (s. nachf. Rn. 41).
ee) Ausschluss als Verteidiger
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Zwingend ausgeschlossen ist der Berater als Verteidiger, wenn aus dem einfachen Tatverdacht ein dringender oder ein hinreichender Tatverdacht wird; § 138a StPO gilt auch für den Personenkreis des § 392 AO.[47]
ff) Ausscheiden als Verteidiger
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Die Entscheidung über eine Mitverteidigung des steuerlichen Beraters lässt sich nur vom Einzelfall her treffen. Befangenheit und Interessenkollision sind fast immer nahe liegend. Wir meinen, dass grundsätzlich die steuerlichen Berater des Beschuldigten nicht als Verteidiger auftreten sollten.[48]
gg) Der Berater als Informationsquelle
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Auch wenn der steuerliche Berater nicht Verteidiger ist, kann und muss in jedem Fall mit ihm eng zusammen gearbeitet werden.[49] Das Wissen aus der oft jahrelangen Beratung, Detailkenntnisse und die steuerrechtliche Kompetenz muss sich der Verteidiger zunutze machen. Insoweit verfügt er über eine Informationsquelle, die den Ermittlungsbehörden gerade verschlossen ist. Dies sind z.B. die Kenntnisse über Gespräche, Verhandlungen mit den Veranlagungsbeamten oder Prüfern über streitige Sachverhalte, eventuell in Aussicht gestellte Zusagen etc. über die sich nichts oder nur Teile in den Akten befinden. Zu vermeiden ist daher, soweit möglich, eine Konfliktsituation mit dem bisherigen Berater, die insbesondere durch Beschuldigungen des Mandanten/Verteidigers ausgelöst wird. Hierdurch verschließt man nicht nur eine Informationsquelle, vielleicht die wichtigste, sondern baut Gegnerschaften auf, die im Ergebnis nur der Ermittlungsbehörde nützen.[50]
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