Das immer aggressivere Auftreten Chinas verschärft die Spannungen in der asiatisch-pazifischen Region, deren Stabilität durch historisch bedingte Streitigkeiten, ungeklärte Gebietsansprüche oder den nuklearen Ambitionen Nordkoreas ohnehin brüchig ist. Dabei entwickelt sich diese lange als regional verstandene Instabilität zunehmend zu einem globalen Problem. Ein militärischer Konflikt in der Region könnte etwa neuralgische Schifffahrtswege wie die Straße von Malakka blockieren und damit weltwirtschaftliche Verwerfungen auslösen. Ein Angriff Chinas auf Taiwan hätte ein gewaltiges Eskalationspotenzial, da mit heftiger Gegenwehr Taiwans zu rechnen wäre und auch Länder wie die USA mit einbezogen werden könnten. Auch stoßen im erweiterten asiatisch-pazifischen Raum sechs Atommächte aufeinander (China, Indien, Pakistan, Russland, Nordkorea und die USA), die sich untereinander als Gegner verstehen – eine nukleare Krise oder gar ein Einsatz nuklearer Waffen sind somit nicht auszuschließen.
Die Reaktionen Europas und der USA auf die Entwicklungen im asiatisch-pazifischen Raum sind sehr unterschiedlich. Für Washington ist China eine aufsteigende Macht, die wirtschaftlich, politisch und auch militärisch immer stärker zu den USA aufschließt und den amerikanischen globalen Führungsanspruch zunehmend infrage stellt. Da China dem westlichen Wertekanon nicht entspricht, kann aus der wirtschaftlich-militärischen Konkurrenz ein Konflikt um die künftige Weltordnung erwachsen. Folglich verlagern die USA ihren geostrategischen Blickwinkel von Europa, wo ein absteigendes Russland eine noch akute, aber langfristig schwindende Bedrohung darstellt, immer pointierter in die Asien-Pazifik-Region. Erfolgte dies unter Präsident Trump noch in sprunghaft-vulgären Schritten ohne erkennbare Strategie, verfolgt Präsident Biden eine klar erkennbare Politik der Einhegung Chinas auf zweierlei Wegen: Zum einen sollen die wirtschaftlichen Fähigkeiten der USA (wieder) gestärkt werden, um damit auch genügend Ressourcen für ein politisches und militärisches Agieren in der Region zu schaffen. Zum anderen sollen engere Verbindungen vor allem zu demokratischen Ländern im asiatisch-pazifischen Raum geknüpft werden, um dadurch ein Netzwerk zur Einhegung chinesischer Machtansprüche aufzubauen. Darüber hinaus wird China klar als Bedrohung und als zentrale Herausforderung für die kommenden Jahre benannt – was allerdings eine Kooperation mit China in Fragen von gemeinsamem Interesse (Klimaschutz) nicht grundsätzlich ausschließt.
Die EU und Deutschland haben China lange Zeit weniger kritisch gesehen und gingen davon aus, dass starke wirtschaftliche Verflechtungen langfristig auch zu politischen Verhaltensänderungen auf chinesischer Seite führen würden (Wandel durch Annäherung). Hier hat allerdings insbesondere nach den Entwicklungen in Hongkong ein schrittweises Umdenken eingesetzt. Dennoch bestehen zwischen China und vielen EU-Mitgliedern enge wirtschaftliche Beziehungen, die eine einheitliche Position der EU erschweren und eine kohärente europäisch-amerikanische Politik gegenüber Peking bislang verhindern, da China sowohl als Gegner als auch als Partner wahrgenommen wird. Entsprechend definierte die EU China Ende 2019 als »Partner, Wettbewerber und strategischen Rivalen«.
Dieser differenziertere Ansatz spiegelt sich auch in den im September 2020 verabschiedeten »Leitlinien zum Indopazifik« der Bundesregierung wider. Darin benennt Deutschland sechs Oberziele: Stärkung einer regelbasierten Ordnung in der Region, Kampf gegen den internationalen Terrorismus, Verhinderung nuklearer Proliferation, Cyber-Sicherheit, Schutz von Bundesbürgern und die Bewahrung freier Handelswege. Zwar verfolgen die Leitlinien grundsätzlich einen inklusiven Ansatz und wenden sich an alle Länder des indopazifischen Raums. Allerdings hat gerade die Bundesministerin der Verteidigung, Annegret Kramp-Karrenbauer, immer wieder verdeutlicht, dass sich der Ausbau der sicherheitspolitischen Kooperation in einem ersten Schritt auf die Wertepartner in der Region – und hier vor allem Australien, Neuseeland, Südkorea und Japan – konzentrieren solle und in einem zweiten Schritt die Mitgliedstaaten des ASEAN-Bündnisses einbeziehen müsse. Um das eigene Engagement in der Region zu betonen, hat Deutschland im Sommer 2021 eine Fregatte in die Region entsandt (Indo-Pacific Deployment 21), die auch durch das Südchinesische Meer gefahren ist, um so die Freiheit der Seewege zu betonen.
In der Perspektive zeichnet sich ab, dass der asiatisch-pazifische Raum Schauplatz einer bipolaren Weltordnung werden könnte, in der aber – anders als im Kalten Krieg – die beiden Kontrahenten USA und China wirtschaftlich eng miteinander verwoben sind. Die Europäische Union wird sich in dieser Bipolarität eindeutig positionieren und vor allem eine strategische Handlungsfähigkeit entwickeln müssen, um ihre eigenen Interessen zu vertreten und um die USA als engsten Partner zu entlasten. Die NATO wird hingegen ihr Augenmerk stärker auf den asiatisch-pazifischen Raum richten müssen, ohne ihre klassische Aufgabe der Friedenssicherung im euro-atlantischen Raum zu vernachlässigen.
Assigned Forces NATO Streitkräfte
Assignierung NATO Assignierung
Associated Support
Einheiten unterstehen keiner taktischen Kontrolle durch den Kommandeur der Operation und unterstützen lediglich im Rahmen der eigenen Operationsführung ohne unmittelbares Unterstellungsverhältnis, z. B. während eines Transits durch ein bestimmtes Seegebiet.
In der internationalen Politik die Angliederung eines Staates an eine Internationale Organisation oder an ein Bündnis ohne den Erwerb der vollen Mitgliedschaft und damit ohne die vollen Rechte und Verpflichtungen. Beobachter; Westeuropäische Union
Aufnahme und Schutz eines Flüchtlings aus einem Drittstaat vor politischer, ethnischer und religiöser Verfolgung, solange der Grund zur Flucht weiter besteht.
Person, die in ihrem Heimatland aufgrund politischer Einstellung, Religion oder ethnischer Zugehörigkeit verfolgt wird und der in einem anderen Land Asyl gewährt wird. Flüchtling
Ausländer, die vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge oder einer verwaltungsgerichtlichen Instanz als asylberechtigt nach Art. 16a Grundgesetz anerkannt worden sind.
Asylbewerber sind Ausländer, die Schutz als politisch Verfolgte nach Art. 16a Abs. 1 des Grundgesetzes oder Schutz vor Abschiebung oder einer sonstigen Rückführung in einen Staat beantragen, in dem ihr Leben oder ihre Freiheit wegen ihrer Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung bedroht ist.
Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die diesen Begriff unter Anknüpfung an den Regelungsgehalt des Art. 1 A der Genfer Flüchtlingskonvention näher bestimmt, ist politische Verfolgung grundsätzlich staatliche, also vom Staat ausgehende oder ihm zumindest zuzurechnende Verfolgung. Dem Staat stehen dabei solche staatsähnlichen Organisationen gleich, die den jeweiligen Staat verdrängt haben oder denen dieser das Feld überlassen hat und die ihn daher insoweit ersetzen.
Auch in einer Bürgerkriegssituation kann nach dem Fortfall der bisherigen Staatsgewalt von einer Bürgerkriegspartei politische Verfolgung ausgehen. Das beurteilt sich maßgeblich danach, ob diese zumindest in einem Kernterritorium ein solches Herrschaftsgefüge von gewisser Stabilität – im Sinne einer übergreifenden Friedensordnung – tatsächlich errichtet hat.
Auf Art. 16a Abs. 1 des Grundgesetzes kann sich nicht berufen, wer aus einem sicheren Drittstaat im Sinne des § 26a Abs. 2 des Asylverfahrensgesetzes einreist. Genfer Flüchtlingskonvention; Schengener Abkommen
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