Originalausgabe
© 2021 Hirnkost KG, Lahnstraße 25, 12055 Berlin;
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Alle Rechte vorbehalten
1. Auflage September 2021
Vertrieb für den Buchhandel:
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Privatkunden und Mailorder:
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Layout: www.benSwerk.com
Lektorat: Klaus Farin
ISBN:
PRINT:978-3-948675-71-4
PDF:978-3-948675-73-8
EPUB:978-3-948675-72-1
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Heike Brandt,geboren 1947 in Jever, aufgewachsen in Berlin, wo sie immer noch lebt, hat Pädagogik studiert und in diversen Kollektiven gearbeitet: In einem Kinderladen, einer Notunterkunft und im Kinderbuchladen Kreuzberg , den sie mitgegründet hat. Und sie war an der Gründung von UMVERTEILEN! Stiftung für eine, solidarische Welt beteiligt, in der sie immer noch (freiwillig und unbezahlt) tätig ist. Mitte der achtziger Jahre begann ihre freiberufliche (und bezahlte) Arbeit als Rezensentin, als Rundfunkautorin, als Übersetzerin aus dem Englischen und als Schriftstellerin – zumeist im Bereich der Kinder- und Jugendliteratur. Der tote Rottweiler ist ihre erste Veröffentlichung bei Hirnkost.
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Epilog
Danksagung
Die Waffe liegt da, wo sie immer liegt. Im Safe. Der Schlüssel dazu im Schreibtisch, in der zweiten Schublade von oben. Der schmächtige, blonde Junge schiebt sich die Haare aus der Stirn, schließt den Safe auf und greift nach dem schwarzglänzenden Metall. Er legt den Finger um den Abzugshahn, streckt den Arm, kneift ein Auge zu, zielt.
Drückt ab.
Klick.
Ein Sportschütze darf seine Waffe nicht geladen aufbewahren. Die Munition muss immer getrennt von der Waffe lagern.
Sie liegt in der dritten Schublade von oben.
Der Junge lädt mit schnellen Griffen die Pistole und steckt sie sich dann in den Hosenbund, unter das T-Shirt.
Sein Atem geht schnell.
Es ist niemand im Haus, das weiß er, trotzdem guckt er sich vorsichtig um, bevor er das Arbeitszimmer verlässt, hastig den Flur und die Küche durchquert und dann durch die Hintertür in den Garten huscht.
Auch hier niemand zu sehen.
Der Junge rennt über den Rasen, den kleinen Hang hinauf und verschwindet im Rhododendrongebüsch. Den hohen Zaun, der den Garten vom Wald trennt, überwindet er wie im Schlaf, landet sicher auf dem weichen Boden dahinter und folgt dem kleinen Pfad bis zum nächsten Waldweg. Dort liegt, im Gebüsch versteckt, sein Fahrrad.
Er vergewissert sich, dass die Waffe festsitzt, überprüft den Waldweg in beide Richtungen, bevor er aufs Rad steigt und losfährt.
Ein Eichhörnchen witscht vor ihm über den Weg und flitzt einen Baum hinauf. Ein Eichelhäher schlägt an. Ein Specht klopft. Manchmal streifen überhängende Zweige den Oberkörper des Jungen. Der tritt unbeirrt mit aller Kraft in die Pedale, blickt stur geradeaus, auf sein Ziel zu, will nichts anderes sehen, nichts denken. Doch immer wieder schiebt sich ein Bild vor sein inneres Auge. Das Auto, das wackelt. Die nackten Körper. Das eine, ihm zugewandte, das vertraute Gesicht mit den geschlossenen Augen und der verschmierten Wimperntusche.
Falsches Clownsgesicht.
Falsch. Falsch. Falsch.
Er wird es richtig machen.
Zehn Minuten später versteckt er sein Fahrrad im Gebüsch und biegt auf einen schmalen Pfad ab, der sich durch hohe Bäume und dichtes Gestrüpp bis zu einer Lichtung mit einem kaputten Hochsitz schlängelt. Seit dem tödlichen Sturz von Krügers Paul jagt hier niemand mehr. Man hat nie herausgefunden, was genau geschehen ist. Ein unheimlicher Ort. Die neue Holzhütte auf der anderen Seite der Lichtung wird nicht genutzt.
Doch der Hund ist da. Ein kräftiger, dunkler Rottweiler, angeleint am zugewucherten, moosbedeckten Holzpfosten des eingefallenen Hochsitzes. Der Hund wedelt mit dem Schwanz, längst bevor er den Jungen sehen kann. Die Vorderpfoten aufgestemmt, die Brust breit, den Blick erwartungsvoll auf den Pfad gerichtet, auf dem jetzt der Junge auftaucht.
Der bleibt stehen, atmet einmal tief durch, zieht die Waffe aus dem Hosenbund, geht ein paar Schritte auf den Hund zu, sagt: „Ruhig, ganz ruhig“, streckt den Arm aus, legt den Finger um den Abzug, zielt, drückt ab.
Ein trockener Knall.
Der Hund kippt zur Seite. Blut sickert aus der Wunde.
Der Junge verharrt einen Moment, sichert die Pistole, steckt sie in den Hosenbund, hebt die Patronenhülse auf, lässt den Hund nicht aus den Augen.
Doch der rührt sich nicht mehr. Auch nicht, als der Junge ihn mit dem Fuß anstößt.
Sauberer Schuss. Jetzt gibt es kein Alibi mehr.
Das war’s. Er hat es getan. Er hat es wirklich getan.
Mit zitternden Knien macht er sich auf den Heimweg. Was jetzt wird, liegt nicht mehr in seiner Hand.
Julika schwimmt. Bei jedem zweiten Zug dreht sie kurz den Kopf aus dem Wasser, atmet, taucht wieder ein. Ihre Beine schlagen kräftig und regelmäßig, ihre Arme recken sich fast ruckartig nach vorne und strecken ihren kurzen Körper in die Länge. Julika weiß, dass das nicht sehr elegant aussieht, aber das ist ihr egal.
Sie schwimmt ihre Bahnen, nicht sehr schnell, aber ausdauernd. Mit offenen Augen. Verfolgt ihren eiligen Schatten auf dem silbrigen Boden unter sich, verfolgt die vielen kleinen Luftbläschen, die von ihren Händen ausströmen, registriert für den kurzen Moment des Auftauchens die bunte Kugelkette der Bahn neben sich, lauscht dem dumpfen Gurgeln und Glucksen des Wassers um sich.
Irgendwann hat Julika genug vom Kraulen, rollt sich wie ein Seehund auf den Rücken, wieder schlagen ihre Beine kräftig und regelmäßig, wieder pflügen ihre Arme ruckartig durchs Wasser, nur andersherum. Jetzt schaut sie hinauf in den Himmel, versenkt sich in sein klares Blau und die bauschigen weißen Wolkenfetzen dazwischen.
Sobald sie spürt, dass Arme und Beine schwer werden, schiebt sie sich am Beckenrand in den Stütz, steigt aus dem Wasser und streicht ihre kurzen, dunkelblonden Haare aus dem Gesicht. Julika geht fast jedes Wochenende Schwimmen. Irgendwann nach dem Aufstehen braust sie mit dem Rad den Hang hinunter ins Zentrum der kleinen Stadt, den Fluss entlang, durchs Gewerbegebiet in der Flussaue.
Das supermoderne Schwimmbad dort wurde vor ein paar Jahren von der Firma, bei der auch Julikas Eltern arbeiten, gespendet, als Geschenk an die Stadt anlässlich des zweihundertjährigen Jubiläums der örtlichen Kleinwaffenproduktion. Für die Kinder der Angestellten des Werks gibt es kostenlose Dauerkarten. Das findet Julika sehr praktisch.
Nach dem Schwimmen geht sie hinüber zu den Leuten aus ihrer Schule, wo sie vorhin ihre Tasche abgelegt hat. Es ist kein verabredeter Treffpunkt, aber wer vom Otto-Hahn-Gymnasium ins Bad geht, sitzt hier, auf den terrassenartig angelegten Flächen neben den Sprungtürmen. Sie nickt den anderen kurz zu, legt sich auf ihr dunkelrotes Badehandtuch und lässt sich von der Sonne trocknen.
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