Für meinen guten Freund Terence, den Mac Carthy Mor, Fürst von Desmond, in direkter ununterbrochener männlicher Linie in der
51. Generation ein Nachkomme des Königs Eoghan
Mor von Cashel (gest. 192 n. Chr.), der Schwester Fidelma freundlich in die Familie seiner
Vorfahren aufgenommen hat!
Gesetze sind wie Spinnennetze: Wenn ein armes schwaches Geschöpf dagegenfliegt, verfängt es sich darin, doch ein größeres kann es durchstoßen und entkommen.
Solon von Athen (geb. um 640 v. Chr. - gest. nach 561 v. Chr.)
Diese Geschichte ereignete sich in dem Monat, den die Iren des siebenten Jahrhunderts als Cet-Soman kannten und der später Beltaine oder Mai genannt wurde. Sie spielt im Jahre 666.
Leser früherer Abenteuer der Schwester Fidelma kennen bereits die Unterschiede zwischen der irischen Kirche des siebenten Jahrhunderts, die man jetzt gewöhnlich die keltische Kirche nennt, und der römischen Kirche. In vielem wich die irische Liturgie und Philosophie von der römischen ab. Ich habe schon erläutert, daß der Begriff des Zölibats bei Mönchen und Nonnen zu der Zeit nicht populär war, weder in der keltischen Kirche noch in der römischen. Man muß sich vor Augen halten, daß in Fidelmas Tagen viele Klöster häufig beide Geschlechter beherbergten und Mönche und Nonnen oft heirateten und ihre Kinder zum Dienst im Glauben erzogen. Sogar Äbte und Bischöfe durften damals heiraten und taten es auch. Das muß man bedenken, wenn man Fidelmas Welt verstehen will.
Da den meisten Lesern das Irland des siebenten Jahrhunderts recht wenig vertraut sein wird, habe ich eine Skizze des Königreichs Muman beigegeben. Ich habe lieber diesen Namen beibehalten, als die anachronistische Bezeichnung zu benutzen, die dadurch entstand, daß man im neunten Jahrhundert die nordische Endung stadr (Ort) an Muman anhängte, woraus der moderne Name Munster wurde. Weil auch viele irische Eigennamen des siebenten Jahrhunderts unbekannt sein werden, habe ich eine Liste der Hauptpersonen als Hilfsmittel beigefügt.
Zum besseren Verständnis des Lesers erwähne ich noch, daß die Währungseinheit cumal einen Wert von drei Milchkühen besaß. Als Einheit der Ackergröße entsprach ein cumal etwa 13,85 Hektar.
Schließlich muß der Leser wissen, daß Fidelma im Rahmen des alten irischen Gesellschaftssystems agiert, dessen Gesetze der Fenechus besser unter der Bezeichnung Gesetze der Brehons (von breaitheamh = Richter) bekannt sind. Sie ist als Anwalt bei Gericht zugelassen, eine Stellung, die Frauen im Irland jener Zeit häufig bekleideten.
Hauptpersonen
Schwester Fidelma von Kildare, eine dalaigh oder Anwältin bei Gericht im Irland des siebenten Jahrhunderts
Bruder Eadulf Von Seaxmund’s Ham, ein angelsächsischer Mönch aus dem Lande des Südvolks
Cathal, Abt von Lios Mhor Bruder Donnan, ein Gerichtsschreiber
Colgü von Cashel, König von Muman und Fidelmas Bruder
Beccan, Oberrichter der Corco Loigde
Bressal, ein Herbergswirt
Morna, Bressals Bruder
Eber, Fürst von Araglin
Cranat, Ebers Ehefrau
Cron, Ebers Tochter und seine Tanist, seine designierte Nachfolgerin
Teafa, Ebers Schwester Moen, ein blinder Taubstummer
Duban, Kommandeur der Leibwache Ebers
Critan, ein junger Krieger
Menma, oberster Pferdewärter im rath von Araglin
Dignait, die Hausverwalterin Grella, eine Dienerin
Pater Gorman von Cill Uird
Archü, ein junger Bauer aus Araglin
Scoth, seine Verlobte
Muadnat vom Schwarzen Moor, sein Vetter
Agdae, Muadnats Oberhirt und Neffe
Gadra, ein Einsiedler
Clidna, eine Bordellwirtin
Der Donner grollte um die hohen kahlen Gipfel der Berge, die den Maoldomhnach umgaben und nach ihm genannt wurden. Gelegentlich erhellte ein Blitz die runde Kuppe und ließ die Schatten schnell über das Tal von Araglin gleiten, das inmitten seiner nördlichen Vorberge lag. Es war eine dunkle Nacht, in der sich die Gewitterwolken zusammenballten und über den Himmel jagten, als würden sie vom mächtigen Atem der alten Götter durcheinandergewirbelt.
Auf den hochgelegenen Weiden drängten sich die zottigen Rinder zusammen, manchmal aufgeregt brüllend, nicht nur, um sich vor dem drohenden Gewitter zu schützen, sondern auch, um einander vor dem allgegenwärtigen Geruch hungriger Wolfsrudel zu warnen, die durch die dichten Wälder am Rande der Bergwiesen streiften. In einer weit von den Rindern entfernten Ecke der Weiden stand ein majestätischer Hirsch und bewachte besorgt seine Hirschkühe und ihre Kälber. Ab und zu warf er den Kopf mit dem weitverzweigten Geweih hoch und sog mit zitternden Nüstern die Luft ein. Trotz der Dunkelheit, der schweren Wolken und des nahen Gewitters spürte er die heraufziehende Dämmerung hinter den fernen Gipfeln im Osten.
Unten im Tal, an dem düsteren, murmelnden Fluß, lag eine Gruppe unbefestigter Gebäude in völliger Finsternis. Kein Hund rührte sich um diese Zeit, und es war noch zu früh für die Hähne, den Anbruch eines neuen Tages zu verkünden. Selbst die Vögel hatten ihren Morgengesang noch nicht begonnen und hockten schläfrig in den Bäumen ringsum.
Doch ein menschliches Wesen regte sich bereits in dieser finsteren Stunde, ein Mann erwachte in dieser Zeit der Stille, in der die Welt wie tot und verlassen wirkte.
Menma, der oberste Pferdewärter Ebers, des Fürsten von Araglin, ein großer, schwerfälliger Mann mit einem buschigen roten Bart und einem Hang zum Trinken, blinzelte, warf das Schaffell ab und erhob sich von der Strohmatratze seines Bettes. Ab und zu erhellte ein Blitz seine einsame Hütte. Menma stöhnte und schüttelte den Kopf, als würde ihn das von den Nachwirkungen des Besäufnisses vom Vorabend befreien. Er langte zum Tisch, suchte mit zitternden Händen nach Feuerstein und Zunder und steckte die Talgkerze auf dem Tisch an. Dann reckte er seine verkrampften Glieder. Obwohl er soff, besaß Menma ein eigentümliches angeborenes Zeitgefühl. Sein ganzes Leben lang war er in der dunklen Stunde vor dem Morgengrauen aufgestanden, wie spät er auch sinnlos betrunken auf sein Bett gefallen sein mochte.
Sein Morgenritual bestand darin, die gesamte Schöpfung zu verfluchen. Menma fluchte gern. Manche Leute begannen den Tag mit einem Gebet, andere mit ihrer Morgenwäsche. Menma von Araglin begann den Tag damit, daß er seinen Herrn, den Fürsten Eber, verfluchte und ihm alle möglichen Todesarten wünschte: Ersticken, Krämpfe, Zerfleischen, Ruhr, Gift, Ertrinken, Erdrosseln und noch ein paar andere, so weit seine dürftige Phantasie reichte. Nachdem er seinen Herrn nach allen Regeln der Kunst verwünscht hatte, ging Menma dazu über, seine eigene Existenz zu verfluchen und seine Eltern, weil sie nicht reich und mächtig waren, sondern einfache Bauern, und ihn dadurch zu einem Leben als gewöhnlichen Pferdewärter verurteilt hatten.
Seine Eltern hatten als arme Landarbeiter auf den Höfen ihrer reicheren Vettern gelebt. Sie hatten keinen Erfolg im Leben, und daraus hatte sich Menmas eigene untergeordnete Lebensstellung ergeben. Menma war neidisch und verbittert und mit seinem Schicksal unzufrieden.
Dennoch erhob er sich automatisch in der Dunkelheit des frühen Morgens und zog sich an. Er machte sich nie die Mühe, sich zu waschen oder die verfilzte Masse seines schulterlangen roten Haares und seines großen buschigen Bartes zu kämmen. Ein langer Zug aus dem Krug mit corma, dem ekelhaften Met, der immer neben seinem Bett stand, war die ganze Säuberung, die er für den Tag brauchte. Der Gestank seines Körpers und seiner Kleidung verriet allen, die ihm na-he genug kamen, um den üblen Geruch einzuatmen, daß Menma und Sauberkeit nicht zueinander paßten.
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