»Die Zulassung der Frauen war ihr Hauptstreich«, murmelte Father Blackmore, indem er sich noch etwas Rotwein einschenkte.
»Es ist merkwürdig, dass sie damit so lange zögerten«, bemerkte Percy.
Auch einige andere äußerten sich in diesem Sinne. Es schien, dass auch sie in letzter Zeit durch das Umsichgreifen der Freimaurerei Beichtkinder eingebüßt hatten. Auch wurde die Vermutung geäußert, dass oben, in der Kanzlei des Erzbischofs, ein Hirtenbrief sich in Vorbereitung befinde, der sich mit der Frage befasse.
Monsignore schüttelte bedeutungsvoll den Kopf. »Es braucht mehr als das«, meinte er.
Percy erinnerte daran, dass die Kirche ihr letztes Wort in der Sache ja bereits vor einigen Jahrhunderten gesprochen habe: Sie hatte alle Mitglieder geheimer Gesellschaften mit der Exkommunikation belegt und damit alles getan, was sie tun konnte.
»Ausgenommen, die Sache immer und immer wieder ihren Kindern vorzustellen«, fügte Monsignore bei; »ich werde nächsten Sonntag darüber predigen.«
Percy machte sich, als er wieder auf seinem Zimmer war, eine kurze rasche Notiz, entschlossen, auf diese Angelegenheit in seinem nächsten Schreiben an den Kardinalprotektor nochmals zurückzukommen. Öfters hatte er schon in früheren Berichten des Freimaurertums erwähnt, aber es schien ihm Zeit, abermals die Aufmerksamkeit darauf zu lenken. Dann begab er sich daran, die vorgefundenen Briefe zu öffnen, zuerst jenen, den er als von der Hand des Kardinals kommend erkannte.
Es war ein merkwürdiges Zusammentreffen, dass, als er eine Reihe von Fragen überflog, die Kardinal Martins Brief enthielt, eine derselben sich eben auf diese Angelegenheit bezog, von der man bei Tisch gesprochen hatte. Sie lautete: »Was haben Sie über die Freimaurer zu berichten? Felsenburgh soll denselben angehören. Sammeln Sie alles, was Sie über ihn erfahren. Senden Sie einige englische oder amerikanische Lebensbeschreibungen desselben. Verlieren Sie noch immer Katholiken durch die Loge?«
Er durchlas auch die übrigen Fragen. Sie bezogen sich hauptsächlich auf frühere Bemerkungen von ihm selbst, aber auch in ihnen kehrte Felsenburghs Name zweimal wieder.
Percy legte das Blatt weg und sann ein wenig nach.
Es war doch merkwürdig, dachte er, wie der Name dieses Mannes sich in aller Munde befand, trotzdem so wenig über ihn bekannt war. Er hatte auf der Straße, rein aus Neugier, drei Fotografien gekauft, welche diese merkwürdige Person darstellen sollten, und wenn auch eine derselben echt sein mochte, alle drei konnten es nicht sein. Er entnahm sie dem Schreibtischfache und legte sie nebeneinander vor sich hin.
Die eine stellte einen grimmigen, bärtigen Mann von dem Aussehen eines Kosaken, mit großen starren Augen, dar. Nein: Innere Gründe lehnten dies Bild ab; es war genau das, was eine rohe Fantasie sich unter einem Manne vorstellt, der einen großen Einfluss im Osten besaß. Die Zweite zeigte ein volles Gesicht mit kleinen Augen und einem Knebelbarte; sie konnte möglicherweise echt sein. Er drehte sie um und las auf der Rückseite den Namen einer New Yorker Firma. Dann wandte er sich der Dritten zu. Diese zeigte ein langes, glattrasiertes Gesicht von unleugbar klugem, aber kaum starkem Ausdruck, mit Pincenez, 1während Felsenburgh zweifelsohne ein willensstarker Mann sein musste.
Percy neigte zu der Annahme, dass das zweite Bild die größte Wahrscheinlichkeit für sich habe, aber sicher konnte man bei keinem derselben sein, und so schob er sie achtlos wieder zusammen und legte sie in das Fach zurück.
Dann stützte er die Ellenbogen auf den Tisch und begann nachzudenken.
Er gab sich Mühe, sich ins Gedächtnis zurückzurufen, was Mr. Varhaus, der amerikanische Senator, ihm über Felsenburgh gesagt hatte, und doch schien es nicht genügend, um als Tatsache gelten zu können. Felsenburgh schien keine der in der modernen Politik gebräuchlichen Methoden in Anwendung gebracht zu haben. Er beachtete keinerlei Zeitung, tadelte niemanden und trat auch für niemanden ein; er hatte keine Mithelfer und machte keinen Gebrauch von den gewohnten Mitteln, sich durch Bestechung Anhänger zu verschaffen; es gab keinerlei Beschuldigung, die gegen ihn hätte erhoben werden können. Es schien eher, als ob seine Originalität in seinen reinen Händen und in seiner makellosen Vergangenheit läge — darin, und in seinem magnetischen Charakter. Er war eine Erscheinung, wie sie eher dem Zeitalter des ritterlichen Sinnes angehörte, eine reine, offene Persönlichkeit, die gleich einem frohen, unschuldigen Kinde sofort für sich einnahm. Er hatte das Volk überrascht, als er damals wie eine Vision den finsteren, wogenden Wassern des amerikanischen Sozialismus entstiegen war — jenen Wassern, die seit einem Jahrhundert, seit der Zeit der grundstürzenden, sozialen Revolution unter den Nachfolgern und Jüngern Hearsts, nur mit Gewalt zurückgehalten werden konnten, um nicht in einem neuen Sturme sich zu entfesseln. Der Erfolg jener Revolution war das Ende der Plutokratie gewesen; die bekannten alten Gesetze von 1914 hatten einige der Eiterbeulen jener Zeit zum Bersten gebracht, und die Verordnungen von 1915 und 1916 hatten die Neubildung solcher in einer, der ehemaligen ähnlichen, Stärke verhindert. Das war ohne Zweifel die Rettung Amerikas gewesen, wenn diese Rettung auch von einer nichts weniger als begeisternden, sondern geradezu trostlosen Art war; und nun war dieser abgestandenen, sozialistischen Hefe diese romantische Erscheinung, die ihresgleichen bisher nicht aufzuweisen hatte, entstiegen … So hatte es wenigstens der Senator dargestellt. Die Sache bot bisher zu wenig sichergestellte Momente für Percy, und so ließ er sie vorläufig fallen.
Es war doch eine leidige Welt, sagte er zu sich selbst, indem seine Gedanken sich der Heimat zuwandten. Alles schien so hoffnungs- und wirkungslos. Auch wenn er sich bemühte, seine geistlichen Mitbrüder außer Erwägung zu lassen, so musste er sich doch immer wieder sagen, dass sie nicht die Männer waren, wie die gegenwärtige Lage sie erforderte. Nicht, als ob er sich selbst über sie stellte, nein, er war sich vollkommen bewusst, dass auch er durchaus untauglich sei. Hatte er das nicht eben dem armen Father Francis gegenüber bewiesen, und vorher bei ungezählten anderen, die sich während der letzten zehn Jahre in dem Todeskampfe ihres Glaubens an ihn geklammert hatten? Sogar der Erzbischof, ein so heiligmäßiger Mann er auch sein mochte, mit seinem kinderfrommen Glauben — war das der Mann, wie er zur Führung der englischen Katholiken und zur Vernichtung ihrer Gegner notwendig war? Es schien auf dieser Erde keine Riesen mehr zu geben.
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