„Ihr meint wirklich, dass ich mit den Zierleisten betrogen wurde?“, fragte er noch einmal.
„Dad, was soll das werden!“, entfuhr es Sarah wütend.
„Ach ja, wo war ich stehen geblieben?“ Er wand sich Lizzy zu, die den Eindruck machte, als würde sie jeden Augenblick vor lauter aufgestauten Worten der Rechtfertigung explodieren.
„Dad, was soll denn nur das Ganze? Daniel wird wegen Hochverrat am eigenen Königshaus gesucht. Der ist doch keine Gefahr für uns, im Gegenteil. Und im Übrigen sei gesagt, dass ich wusste, wer er ist und welches Risiko ich mit dem Wissen eingegangen bin.“ An Sarah gerichtet fügte sie unwirsch hinzu:
„Und stell dir vor, er hat es mir gesagt.“
Sarah sah perplex ihre Schwester an. Aller Wind war ihr mit einem Schlag aus den Segeln genommen.
Doch ein Triumph blieb ihr noch, sie hatte den Kronprinzen gefangen, dass würde ein herrliches Lösegeld von Corlens Castle geben. Sie wurde ein zweites Mal enttäuscht.
Lizzy ließ es sich nicht nehmen, mit dem Brieföffner Daniels Fesseln zu durchschneiden.
„Das ist doch alles albern hier“, wetterte sie unverblümt, ohne weder auf Sarah noch auf die fragend aufsehenden Wachen zu achten.
William stand von seinem Schreibtisch auf. Ein kurzer Blick auf Gregory gerichtet bestätigte ihm, dass die Entscheidung, welche er nun zu treffen gedachte, die richtige war.
„Liebt ihr meine Tochter?“, ging seine kurze und knappe Fragestellung an Daniel. Dieser bejahte ebenso kurz wie entschlossen.
„Lizzy, liebst du diesen Mann?“
„Natürlich, von ganzem Herzen“, gab sie mit fester Stimme zurück.
Der König setzte sich wieder in seinen bequemen Sessel, während sich Lizzy schützend neben Daniel stellte, der sich die Handgelenke rieb. Sarah wollte erneut aufbegehren, wurde aber dieses Mal von Gregory zum Schweigen aufgefordert. Für einen kurzen Moment verschwand William unter dem Schreibtisch. Als er nach einigem Suchen in den untersten Schubladen fündig wurde, tauchte er wieder auf mit einem vergilbten Schriftstück in den Händen. Etwas mühselig breitete er das alte Dokument auf dem Schreibtisch aus, warf einen kurzen, bestätigenden Blick darauf und nickte zufrieden.
„Ich verbiete euch beiden mit sofortiger Wirkung, euch am Green Lake herumzutreiben. Ab sofort und das ist mein bitterer Ernst, erfolgen Ausritte grundsätzlich mit Begleitschutz, besonders was die Corlens Ländereien betrifft. Das gilt für euch beide und ich hoffe, ich habe mich klar ausgedrückt. Mit jetziger Wirkung …“, er richtete seine Worte speziell an Daniel, „mit jetziger Wirkung werdet Ihr Euch als mein lieber, etwas unerfahrener Urgroßneffe Sir Daniel Craine ausgeben und die Räumlichkeiten neben Lizzy bewohnen.“ Wie zu sich selbst fügte er etwas leiser hinzu:
„Die Zimmer haben Verbindungstüren.“
„In meinem alten Zimmer!“, empörte sich Sarah erneut. William ignorierte diese Feststellung.
„Vor zwei Tagen seid Ihr mit dem Frachtschiff Santa Lucretia angekommen und habt Euch abenteuerlustig auf unseren Ländereien herumgetrieben. Sarah hat Euch gegen Euren Widerstand eingesammelt und an Euren Bestimmungsort geschafft. Ihr wurdet von Euren völlig überforderten Verwandten geschickt, um in unserem Haus den sogenannten ‚letzten gesellschaftlichen Schliff‘ zu erhalten.“
Daniels Augen wurden groß wie Wachteleier vor Verblüffung. Eigentlich hatte er sich darauf eingestellt, dass er sich in der nächsten Zeit in der untersten Etage des Schlosses aufhalten werden müsse. Dass das Blatt sich derart wenden würde, darauf war er nicht vorbereitet.
„Selbstverständlich steht es Euch frei, das Schloss zu verlassen, damit ihr Euren Verbindlichkeiten weiter nachgehen könnt“, schloss der König seine Rede, um der Angelegenheit ein Ende zu setzen.
Freudestrahlend hatte sich Lizzy an Daniels Hals gehängt. Sachte drückte er sie zurück.
„Du erwürgst mich“, sagte er leise zu ihr, ohne seinen ernsten und überlegten Gesichtsausdruck zu ändern.
Sarah brauste auf wie eine von der Kette gelassene Dogge.
„Was tust du da Dad? Dieser Mistkerl kann uns gut verpackt Lösegeld, Freibriefe, Wegerechte und, und, und einbringen! Und was tust du? Einer Laune folgen? Und du Lizzy solltest dich schämen, dich mit einem Corlens einzulassen und … ich wage gar nicht weiter zu denken.“
„Ist auch zu spät“, antwortete Lizzy spitz.
„Es ist jetzt genug Sarah. Mäßige dich in deinem unangemessenen Tonfall. Ich bin noch nicht senil mein Töchterchen. Ich weiß was ich tue. Im Übrigen steht der junge Mann hier auf unsere Seite. Lass endlich Vernunft walten Sarah und beschäme uns nicht. Mein Entschluss steht fest. Damit ist das Gespräch hier beendet und ihr könnt euch alle entfernen.“
Während sich das Zimmer leerte, nahm Dr. Gregory zwei Kristallgläser aus dem Schrank und füllte sie mit Brandy. Stumm reichte er seinem verärgerten Freund ein Glas.
„Ich hätte es nicht besser machen können“, sagte er immer noch leicht amüsiert.
„Ich weiß nicht, was in Sarah gefahren ist. So kenne ich sie nicht.“ Mit einem Zug leerte William das ihm gereichte Glas.
„Instinkt, einfach nur Instinkt“, sagte Gregory schmunzelnd.
Sarah war mit der prompten Entscheidung ihres Vaters in keinster Weise einverstanden.
Daniel gehörte einer Mörderfamilie an, die ihre Macht durch Hochmut und Tyrannei ausweitete.
So einer konnte nicht unschuldig sein, niemals. Fest von der Richtigkeit ihrer Einschätzung überzeugt, würde sie Möglichkeiten finden, Daniel zu überführen. Doch zuvor musste sie seine Schwachstellen finden und diese bei passender Gelegenheit gegen ihn ausspielen. Sie würde ihn demütigen, kompromittieren, beleidigen und verhöhnen, bis er sein wahres Ich zeigen würde. Dann war sie am Zug zu handeln.
Vorerst musste sie sich geschlagen geben. Die Dauer dieser Niederlage lag nun ganz allein in ihrer Hand.
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