150. Noch sagten mir die Eingebornen, daß dieser See sich in die Libysche Syrte ergieße, indem er sich unter der Erde, längs dem Gebirg, hinter Memphis, gegen Abend, in das Binnenland hineinziehe. Da ich nun nirgends einen Schutt aus diesem Graben liegen sah, und es mir gleichwohl darum zu thun war, fragte ich die nächsten Anwohner des Sees, wo der ausgegrabene Schutt wäre. Und Diese haben mir, wo man ihn hinaus geworfen hat, angezeigt, und mich's leicht glauben gemacht, weil ich durch Erzählung wußte, wie auch in der Asyrischen Stadt Ninus ein Gleiches geschehen war. Nämlich die Schätze vom König Sardanapallus, Ninus Sohn, welche groß waren und in Schafkammern in der Erde vermehrt, nahmen Diebe sich vor, auszugraben. Da zogen diese Diebe von ihrem Hause in der Richtung zum königlichen Hause einen unterirdischen Graben; und den Schuttauswurf aus diesem Graben warfen sie, so oft es Nacht wurde, in den Tigrisfluß, der an Ninus vorbeiströmt; bis sie zu Stand gebracht hatten, was sie wollten. Ein Gleiches, hörte ich, sey auch bei dem Graben am Aegyptischen See geschehen, und hier nicht des Nachts, sondern am Tage: daß nämlich die Aegyptier den Schutt, den sie ausgruben, in den Nil geworfen, der ihn aufnahm und sonach verschwemmte. So, sagt man, sey dieser See gegraben worden.
151. Die zwölf Könige nun, die immer Gerechtigkeit gehalten hatten, opferten einmal im Heiligthum des Hephäst; und als sie am letzten Tage des Festes eben die Spendung ausgießen wollten, brachte der Oberpriester die goldenen Schalen heraus, womit sie zu spenden pflegten, aber für die zwölf Mann nur eilf, weil er sich verzählte. Wie also der letzte in der Reihe, Psammitichus, keine Schale hatte, nahm er seinen Helm von Erz herunter, hielt ihn dar und spendete damit. Auch die andern Könige trugen nämlich insgesammt Helme, wie sie auch damals solche auf hatten. Psammitichus hatte indessen ohne allen böslichen Vorsatz den Helm dargehalten; aber die Andern faßten diese Handlung des Psammitichus und den Orakelspruch zu Herzen, worin ihnen gesprochen war, Welcher von ihnen spende mit eherner Schale, der würde allein König von Aegypten werden; und in Erinnerung dieses Spruches hielten sie zwar nicht für gut, den Psammitichus zu tödten, da sie nach Untersuchung befanden, daß er's ohne Absicht gethan; beschloßen aber, ihn des besten Theils seiner Macht zu entkleiden, und in die Marschländer zu treiben, von wo aus er mit dem übrigen Aegypten Nichts verkehren dürfe.
152. Diesen Psammitichus nun hatten von einer früheren Flucht vor dem Aethiopier Sabako, der seinen Vater Neko getödtet - von dieser damaligen Frucht nach Syrien hatten ihn, nach dem der Aethiopier auf sein Traumgesicht hin abgezogen war, die Aegyptier zurückgeholt, und zwar Die aus dem Saitischen Kreise: und jetzt, als König, traf es ihn, daß er zum zweitenmal vor den eilf Königen, wegen des Helms, in die Marschländer fliehen mußte. Nun nahm er sich aber vor, im Bewußtseyn, daß sie ihn schändlich behandelt hätten, an seinen Vertreibern sich zu rächen. Da kam ihm auf seine Sendung nach der Stadt Buto an's Leto-Orakel, woselbst die Aegyptier ihre untrüglichste Weissagung haben, der Spruch zu, vom Meere her werde ihm in der Erscheinung eherner Männer Rache kommen. Dagegen trug er einen starten Unglauben in sich, daß eherne Männer ihm zu Hülfe kommen würden. Es dauerte aber nicht lange, so mußten Ionische und Karische Männer, die nach Beute ausgeschifft waren, nach Aegypten verschlagen werden; und als Diese in ihrer ehernen Rüstung an's Land gestiegen waren, kommt in die Marschländer zu Psammitichus ein Aegyptier, mit der Botschaft (da er nämlich zuvor noch keine Männer in eherner Rüstung gesehen hatte), es seyen eherne Männer vom Meere hergekommen, die das Feld plündern. Da merkte er die Erfüllung des Götterspruches, machte sich den Ioniern und Kariern Freund, und bewog sie durch große Versprechungen, zu ihm zu treten. Und als er sie bewogen hatte, stürzte er wirklich mit den ihm gleichgesinnten Aegyptiern und diesen Hülfstruppen die Könige.
153. Als nun Psammitichus von ganz Aegypten Herr geworden war, errichtete er in Memphis dem Hephäst die Vorhallen, die gegen den Südwind liegen, und baute dem Apis einen Hof, worin Derselbe, so oft er sich zeigt, unterhalten wird, gegenüber von den Vorhallen, ganz mit Säulen umgeben und voll Bildwerte; und anstatt der Pfeiler stützen diesen Hof zwölfellenhohe Colosse (Hochbilder), Apis ist aber nach der Hellenischen Sprache Epaphus.
154. Den Ioniern aber und Denen, die für seine Sache mitgearbeitet hatten, gab Psammitichus Ländereien zur Niederlassung, die einander gegenüber liegen, indem der Nil die Mitte hält; und "Lager" war der Name, den sie bekamen. Diese Ländereien gab er ihnen, und leistete auch sonst noch alle seine Versprechungen; zu dem übergab er ihnen Aegyptische Knaben zum Unterricht in der Hellenischen Sprache. Und von Diesen, welche die Sprache erlernt haben, stammen die jetzigen Dolmetscher in Aegypten. So bewohnten nun die Ionien und Karier lange Zeit hindurch jene Ländereien, die gegen das Meer hin, ein wenig unterhalb der Stadt Bubastis, an der sogenannten Pelusischen Mündung des Nil gelegen sind. Doch in späterer Zeit hieß sie König Amasis dieselbe räumen und sofort in Memphis sich niederlassen, um an ihnen eine Wache gegen die Aegyptier zu haben. In Folge dieser ihrer Niederlassung in Aegypten wissen nun wir Hellenen, durch Verkehr mit ihnen, Alles, was seit König Psammitichus und nachmals in Aegypten geschah, mit Bestimmtheit. Denn sie waren die ersten von fremder Zunge, welche Niederlassung in Aegypten erhielten. Auch befanden sich in jenen Gegenden, die nie räumten mußten, wirklich noch zu meiner Zeit die Walzen (Werfte) ihrer Schiffe und Die Trümmer ihrer Wohnungen. So gewann Psammitichus Aegypten.
155. Nachdem ich des Orakels von Aegypten schon vielmal gedacht habe, will ich jetzt eigens davon sprechen, wie es denn auch der Rede werth ist. Dieses Orakel von Aegypter ist nämlich der Leto heilig und gegründet in einer großen Stadt bei der sogenannten Sebennytischen Mündung des Nil, wo man vom Meere landeinwärts schifft. Der Name dieser Stadt, wo das Orakel sieht, ist Buto, wie ich sie zuvor schon namhaft gemacht habe. In diesem Buto steht ein Heiligthum des Apollo und der Artemis. Nun ist der Tempel der Leto, worin eben das Orakel ist, selbst schon recht groß, und seine Vorhallen erheben sich zu einer Höhe von zehn Klaftern; woran ich aber unter Dem, was in die Augen fällt, mein größtes Wunder hatte, das will ich anzeigen. In diesem heiligen Bezirk der Leto steht nämlich ein Tempel, der aus Einen Stein in die Höhe und in die Länge gearbeitet ist, und bei gleichen Wänden überall vierzig Ellen mißt. Auch als Schlußdecke liegt wieder ein Stein darauf mit einem vierellenbreiten Krongesimse.
156. Dieser Tempel also ist mir von Dem, was bei diesem Heiligthume in die Augen fällt, das Bewundernswürdigste; nächstdem aber die Insel mit Namen Chemmis, welche in einem tiefen und breiten See an dem Heiligthum in Buto siegt, und von der die Aegyptier sagen, daß sie eine schwimmende Insel sey. Ich selbst habe sie nun weder schwimmen, noch sich bewegen seh'n; nur hörte ich's mit Staunen, daß es wirklich eine schwimmende Insel gebe. Auf eben dieser Insel steht ein großer Tempel des Apollo, und sind dreierlei Altäre errichtet: zugleich ist sie dicht mit Palmen und einer. Menge anderer, fruchtbarer und unfruchtbarer, Bäume bepflanzt. Zu ihrer Behauptung, daß sie schwimmend sey, führen nun die Aegyptier die Sage an, daß auf dieser Insel welche vorher nicht schwimmend gewesen sey, Leto, eine aus dem Geschlecht der acht ersten Götter und wohnhaft in der Stadt Buto, wo sie eben dieses Orakel hat, den Apollo verborgen habe, den sie von der Isis sich hatte anvertrauen lassen, und ihn so auf dieser Insel, die jetzt eine schwimmende heißt, damals gerettet habe, als Typhon überall herum suchte, um den Sohn des Osiris aufzufinden. Apollo nämlich und Artemis, sagen sie, seyen Kinder des Dionysus und der Isis, Leto aber ihre Pflegerin und Retterin gewesen. Auf Aegyptisch nun ist Apollo: Orus; Demeter: Isis; und Artemis: Bubastis. Aus dieser, und keiner andern Sage, hat auch Aeschylus, Euphoriou's Sohn, Das genommen, was ich gleich anzeigen will, und worin er der Einzige ist unter den frühern Dichtern. Er hat nämlich die Artemis zu einer Tochter des Demeter gemacht. Also auf diese Art soll die Insel schwimmend gewesen seyn. Das ist es, was sie sagen.
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