(Chephren, 1132 - 1076.)
127. Fünfzig Jahre, sagten die Aegyptier, sey dieser Cheops König gewesen, und nach seinem Ende das Königthum an seinen Bruder Chephren gekommen, der es wiederum ganz auf dieselbe Weise gehalten und insbesondere gleichfalls eine Pyramide errichtet habe, die jedoch in ihrem Maß der andern nicht gleichkommt (wie denn Dieses auch ich gemessen habe); und so sind auch keine unterirdischen Gemächer darunter, und es geht kein Rinngraben des Nil hinein, wie er in die andere strömt, wo er in einem gemauerten Hohlgang immer eine Insel umströmt, worauf sie sagen, daß Cheops selber liege. Hingegen führte er das erste Stockwerk von buntem Aethiopischem Stein auf, blieb vierzig Fuß unter der Größe jener andern (Pyramide), und baute sie an die große hin. Beide stehen nun auf demselben Hügel, der so ziemlich hundert Fuß Höhe hat. Und Chephren, sagten sie, sey sechs und fünfzig Jahre König gewesen.
128. Dieß sind hundert und sechs Jahre an der Zahl, daß es in Aegypten ganz schlecht verging, und die Tempel verschlossen waren, ohne in dieser ganzen Zeit geöffnet zu werden. Diese Namen wollen die Aegyptier vor Haß gar nicht aussprechen; sondern nennen auch die Pyramiden "die Pyramiden von Philition" (Philitis), einem Hirten, der zu dieser Zeit seine Heerden in diesen Gegenden weidete.
(Mycerinus, 1076 - 1056.)
129. Nach Diesem, sagten sie, sey Mycerinus, des Cheops Sohn, König über Aegypten gewesen, der an seines Vaters Werken Mißfallen gehabt und selbst wieder die Tempel öffnen, und das, bis zur äußersten Noth bedrückte, Volk zu seinen Arbeiten und Opfern habe zurückkehren lassen, auch am gerechtesten unter allen Königen Recht gesprochen habe. In diesem Stücke loben sie unter sämmtlichen Königen, die je Aegypten hatte, Diesen am meisten; wiefern er, außerdem, daß er gut richtete, namentlich, wenn sich Einer in Folge seines Gerichts beschwerte, den Unmuth desselben mit einer besondern Gabe aus seinem Eigenthum gestillt habe. Während dieser Mycerinus so mild gegen die Landesfinder war, und Dieses ihm so anlag, habe sein Unglück zuerst mit dem Tode seiner Tochter angefangen, als des einzigen Kindes in seinem Hause. Da habe er in seinem großen Schmerz über den Unfall und um seine Tochter auf eine übergewöhnliche Weise zu bestatten, eine Kuh von Holz und hohl machen lassen, alsdann dieselbe Vergoldet, und darin eben diese verstorbene Tochter bestattet.
130. Diese Kuh wurde nicht in der Erde begraben, sondern war noch zu meiner Zeit zu sehen, in der Stadt Sais befindlich, wo sie in der Königsburg steht, in einem Prunkgemach, und bei ihr jeglichen Tag allerlei Räucherwerk verbrannt wird, und jede Nacht eine Lampe die ganze Nacht hindurch brennt. Nahe bei dieser Kuh in einem andern Gemach stehen die Bildnisse der Krebsweiber des Mycerinus, wie die Priester in der Stadt Sais sagten; und wirklich stehen da Hochbilder (Kolossen) von Holz, ungefähr zwanzig an der Zahl, nackend gearbeitet; was sie indessen sind, darüber weiß ich Nichts anzugeben, als nur das Gesagte.
131. Etliche aber erzählen über diese Kuh und die Hochbilder folgende Sage: Mycerinus sey in seine eigene Tochter verliebt gewesen, und habe sich sonach mit ihr, gegen ihren Willen, vermischt. Hernach, sagen sie, erhängte sich die Jungfrau aus Gram; worauf er sie in der Kuh bestattete, ihre Mutter aber den Dienerinnen, welche die Tochter dem Vater preisgegeben, die Hände abhieb; und so sey nun an ihren Bildnissen Dasselbe geschehen, was an ihnen im Leben geschah. Doch, was sie da sagen, sind meines Erachtens lauter Possen, insbesondere das von den Händen der Hochbilder; hier habe ich's ja selbst gesehen, daß sie durch die Zeit ihre Hände verloren haben, die man noch zu meiner Zeit bei ihren Füßen liegen sieht.
132. Dieselbe Kuh ist fast ganz mit einem Purpurgewand überdeckt, und nur am Nacken und Kopf zeigt sie sich vergoldet mit dickem Gold, und zwischen ihren Hörnern ist der Sonnenkreis in Gold abgebildet. Sie ist nicht aufrecht, sondern auf den Knieen liegend, und in der Große, wie eine große lebendige Kuh. Alljährlich wird dieselbe aus ihrem Gemach, herausgetragen. Wann nämlich die Aegyptier sich schlagen um des Gottes willen, den ich bei einer solchen Sache nicht nenne, dann tragen sie auch die Kuh an's Licht heraus. Denn sie selbst soll, behauptet man, sterbend ihren Vater Mycerinus gebeten haben, einmal im Jahre sie die Sonne sehen lassen.
133. Was nun zum zweiten, nach dem Trauerfall seiner Tochter, diesem Könige soll widerfahren seyn, war, daß ihm eine Weissagung aus der Stadt Buto 78zukam: "es stehe ihm bevor, nur noch sechs Jahre zu leben und am siebenten zu endigen." Das sey ihm arg gewesen, und er habe an das Orakel gesandt mit Vorwürfen an die Gottheit, indem er sich darüber aufhielt, daß sein Vater und Oheim, welche die Tempel verschlossen, der Götter nicht gedacht, vielmehr auch die Menschen in's Verderben gebracht haben, doch so lange Zeit gelebt hätten, ihm aber, bei seiner Frömmigkeit bevorstehen solle, so schleunig zu endigen. Darauf sey ihm aus dem Orakel der zweite Ausspruch zugekommen: "Darum eben beschleunige sich sein Leben, wiefern er nicht gethan, Was zu thun war. Denn es sollte mit Aegypten schlimm gemacht werden hundert und fünfzig Jahre lang, was die zwei Könige vor ihm gemerkt haben, er aber nicht." Auf diese Antwort habe Mycerinus, da er einmal hiezu verurtheilt sey, sich Lampen die Menge machen lassen, die er, so oft es Nacht ward, anzündete, dabei trank und sich's wohl seyn ließ, ohne Aufhören bei Tag und bei Nacht, auch mit Umherschweifen in den Marschländern und Hainen oder wo er sonst erfuhr, daß die gelegensten Lustwörter seyen. Dieß stellte er denn in der Absicht an, um das Orakel Lügen zu strafen, auf daß er, anstatt seiner sechs Jahre zwölfe herausbrächte, indem er die Nächte zu Tagen machte.
134. Auch Dieser hinterließ eine Pyramide, die viel kleiner ist, als die seines Vaters, und an jeder Seite zwanzig Fuß ermangelt zu drei Prethren, vierseitig von Gestalt, und zur Hälfte von Aethiopischem Stein; von ihr behaupten ein und andere Hellenen, sie sey von der Buhlerin Rhodopis, was nicht richtig ist. Ja, wenn sie Dieses sagen, sey ich, daß sie nicht einmal wissen, wer Rhodopis war; sonst würden sie ihr nicht die Errichtung einer solchen Pyramide zuschreiben, wozu man, daß ich so sage, unzählige Tausende von Talenten braucht; außerdem, so hat Rhodopis unter dem König, Amasis geblüht und nicht unter Diesem. Nämlich gar viele Jahre nach diesen Königen, welche diese Pyramiden hinters ließen, lebte Rhodopis, gebürtig von Thracien, und war Jadmon's Sklavin, eines Sohnes von Hephästopolis, aus Samos, und Mitsklavin Aesop's, des Fabeldichters. Denn auch Dieser war bei Jadmon, wovon Das nicht den schwächsten Beweis abgab, daß auf den oftmaligen Aufruf der Delphier, nach göttlichem Spruch: "Wer den Bußzoll für das Leben Aesop's erheben wolle" sonst Niemand erschien, als der Sohn von Jadmon's Sohne, auch ein Jadmon, der ihn erhob. Also war auch Aesop bei Jadmon.
135. Rhodopis nun kam nach Aegypten, indem sie der Samier Xanthus dahin brachte, und zwar zu Gewerb, wurde aber hier um einen hohen Preis losgekauft von Charaxus aus Mitylene, dem Sohn des Skamandronymus und Bruder der Liederdichterin Sappho. So wurde denn Rhodopis befreit und blieb in Aegypten, und, da sie voll Liebreiz war, erwarb sie sich große Schätze für eine Rhodopis, darum aber noch nicht genug zu einer solchen Pyramide. Noch heute kann ja, Wer will, den Zehenten von ihren Schätzen sehen, und da braucht man ihr keine großen Schätze zuzuschreiben. Rhodopis mochte nämlich gerne ein Denkmal von sich in Hellas hinterlassen, und ein solches Stück, wie sonst in keinem Heiligthum erfunden und gestiftet ist, nach Delphi zu ihrem Gedächtniß weihen. Da ließ sie denn viele Bratspieße, für einen ganzen Ochsen, von Eisen machen, so viel ihr Zehenter austrug, und schickte sie nach Delphi, wo sie auch jetzt noch aufgehäuft liegen, hinter dem Altar, den die Chier geweiht haben, dem eigentlichen Tempel gegenüber. Ueberhaupt pflegen die Buhlerinnen in Naukratis liebreizend zu seyn. Denn einmal erlangte Diese, der man das Angeführte nach sagt, einen solchen Ruhm, daß wirklich allen Hellenen der Name Rhodopis bekannt geworden ist; sodann ist nach ihr auch der Name einer Archidice in Hellas ertönt, die jedoch weniger, als Jene, das allgemeine Gespräch, war. Als aber Charaxus, nach der Loskaufung der Rhodopis, heimgekehrt war nach Mitylene, verspottete ihn Sappho stark in einem Liede. Genug denn von der Rhodopis.
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