Graham Lawton
Der
Ursprung
von (fast)
allem
Mit einem Vorwort von Stephen Hawking
Aus dem Englischen von Michael Müller
Sämtliche Angaben in diesem Werk erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr. Eine Haftung der Autoren bzw. Herausgeber und des Verlages ist ausgeschlossen.
Copyright © New Scientist 2016
Die Originalausgabe erschien 2018 unter dem Titel The Origin of Almost Everything bei John Murray (Publishers), einem Imprint der Hachette UK Company.
1. Auflage
Copyright der deutschen Erstausgabe © 2020 Terra Mater Books bei Benevento Publishing Salzburg – München, eine Marke der Red Bull Media House GmbH, Wals bei Salzburg
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags, der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen sowie der Übersetzung, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Gesetzt aus der Palatino, Open Sans
Medieninhaber, Verleger und Herausgeber:
Red Bull Media House GmbH
Oberst-Lepperdinger-Straße 11–15
5071 Wals bei Salzburg, Österreich
Satz: MEDIA DESIGN: RIZNER.AT
Illustrationen im Innenteil: © Shutterstock
ISBN 978-3-99055-025-0
eISBN 978-3-99055-516-3
Einführung von Professor Stephen Hawking
Vorwort
Teil 1 Das Universum
Teil 2 Unser Planet
Teil 3 Leben
Teil 4 Zivilisation
Teil 5 Wissen
Teil 6 Erfindungen
Weiterführende Literatur
Dank
Einführung von Professor Stephen Hawking
Woher kommen wir? Warum sind wir hier? Den Boshongo in Zentralafrika zufolge gab es vor uns nur Finsternis, Wasser und den großen Gott Bumba. Eines Tages spie Bumba, der an Bauchschmerzen litt, die Sonne aus. Die Sonne ließ etwas von dem Wasser verdampfen, sodass Land zurückblieb. Da ihm immer noch übel war, erbrach Bumba den Mond, die Sterne und danach den Leoparden, das Krokodil, die Schildkröte sowie, ganz zum Schluss, die Menschen.
Gleich vielen anderen bemüht sich dieser Schöpfungsmythos Fragen der Art zu klären, wie sie uns heute noch beschäftigen. Wie sich zeigen wird, besitzen wir heute ein Instrument, das uns die Antworten liefert: die Wissenschaft.
Zur Klärung der Mysterien der Existenz wurden die ersten relevanten wissenschaftlichen Zeugnisse in den 1920er-Jahren vorgelegt, als Edward Hubble begann, vom Mount Wilson in Kalifornien aus Beobachtungen vorzunehmen. Zu seiner Überraschung entdeckte Hubble, dass alle Galaxien sich von uns entfernen. Und mehr noch: In je größerer Entfernung sich die Galaxien von der Erde befanden, desto schneller bewegten sie sich noch weiter von uns fort. Die Ausdehnung des Universums war eine der wichtigsten wissenschaftlichen Entdeckungen aller Zeiten; sie wirkte sich einschneidend auf die Debatte darüber aus, ob das Universum einen Anfang hat. Wenn Galaxien gegenwärtig auseinanderstrebten, dann mussten sie sich in der Vergangenheit enger zusammen befunden haben. Wenn ihre Geschwindigkeit konstant gewesen war, dann mussten sie alle vor Milliarden von Jahren übereinander gelegen haben. Hatte das Universum auf diese Art und Weise begonnen?
Zu jener Zeit erfüllte die Vorstellung, dass das Universum einen Anfang hatte, viele Wissenschaftler mit Unbehagen, denn sie schien zu implizieren, dass die Gesetze der Physik nicht galten. Man würde eine äußere Kraft ins Feld führen müssen, um zu erklären, wie das Universum anfing. Diese Wissenschaftler stellten daher Theorien auf, denen zufolge das Universum sich gegenwärtig ausdehnte, aber keinen Anfang besaß.
Die wohl bekannteste wurde 1948 aufgestellt. Die sogenannte steady-state theory besagte, dass das Universum schon immer existiert hatte und zu jedem Zeitpunkt von der gleichen Beschaffenheit gewesen war. Diese Annahme hatte den großen Vorteil, dass sie – unerlässlich für ein wissenschaftliches Vorgehen – überprüft werden konnte. Und es stellte sich heraus, dass sie nicht zutraf.
Auf Beobachtung basierende Beweise, die die Annahme bestätigten, dass das Universum sich aus einem sehr dichten Anfangszustand heraus entwickelte, erhielt man im Oktober 1965, als man eine das gesamte Weltall erfüllende schwache Mikrowellenhintergrundstrahlung entdeckte. Die einzig plausible Erklärung für die Existenz dieses »kosmischen Mikrowellenhintergrunds« ist die, dass es sich um eine Strahlung handelt, die von einem frühen heißen und dichten Zustand zurückgeblieben ist. Als das Universum sich ausdehnte, sanken die Temperatur und die Dichte dieser Strahlung, bis von ihr nur jener Überrest erhalten blieb, den wir heute wahrnehmen können.
Diese Vorstellung wurde bald theoretisch untermauert. Zusammen mit Roger Penrose von der Universität Oxford wies ich nach, dass es, wenn Einsteins allgemeine Relativitätstheorie zutrifft, eine Singularität geben muss, einen Punkt von unendlicher Dichte und Raum-Zeit-Krümmung, an dem die Zeit ihren Anfang nahm.
Das Universum entstand mit dem Urknall und dehnte sich rasch aus. Dieser Prozess wird »Inflation« genannt und ging sehr schnell vor sich: Die Größe des Universums nahm im winzigen Bruchteil einer Sekunde viele Male um das Doppelte zu.
Inflation ließ das Universum sehr groß, sehr eben und sehr flach werden. Es war jedoch nicht vollkommen homogen: An einigen Stellen gab es kleine Abweichungen. Diese ließen irgendwann Galaxien, Sterne und Sonnensysteme entstehen.
Diesen Abweichungen verdanken wir unsere Existenz. Wäre das frühe Universum völlig gleichförmig gewesen, gäbe es keine Sterne und demzufolge hätte sich kein Leben entwickeln können. Wir sind das Produkt primordialer Quantenfluktuationen.
Wie deutlich werden wird, bleiben viele große Geheimnisse bestehen. Doch nähern wir uns stetig der Beantwortung der uralten Fragen an. Wo sind wir hergekommen? Und sind wir die einzigen Wesen im Universum, die diese Fragen stellen können?
Der Ursprung vieler Dinge hat mich immer fasziniert. Als Kind hielt ich mich oft mit meiner Mutter, meinem Vater und meiner Schwester an der Küste von Yorkshire auf. Wir gruben dort Ammoniten, Belemniten und Gryphaeidae aus den Steilufern und ich fragte mich: Wo sind sie hergekommen? Wie war die Erde beschaffen, als diese Tiere lebten?
Es war aber nicht nur die Welt der Natur, die mich derartige Fragen stellen ließ. Ich erinnere mich, vor dem Fernseher – damals vermutlich ein Schwarz-Weiß-Gerät, aber dennoch ein technisches Wunderwerk – gesessen und gedacht zu haben: Wer hat das erfunden? Ich konnte mir nicht vorstellen, wie jemand eine Kiste mit einem Schirm erschaffen haben konnte, auf den sich aus großer Entfernung Bilder projizieren ließen. Auf mich selbst gestellt, so dachte ich, hätte ich so etwas nie fertiggebracht.
Als ich dann vor 20 Jahren Wissenschaftsjournalist wurde, wurde mir bewusst, was für eine starke Wirkung von »Ursprungsgeschichten« auf unsere Fantasie ausgeht. »Wo sind wir hergekommen?« ist eine der tief greifendsten und grundlegendsten Fragen, die wir uns stellen. (Zwei andere sind: »Wie sollten wir leben« und »Wohin gehen wir«, doch damit wollen wir uns ein andermal beschäftigen.) Ich bin überzeugt, dass es untrennbar zur menschlichen Natur gehört, etwas zu betrachten oder über eine existenzielle Frage nachzusinnen und dabei zu denken: Wie ist das entstanden?
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