Das Bild bestätigte, was Astronomen schon lange vermutet hatten: Das Universum bietet in allen Richtungen grundsätzlich den gleichen Anblick, es wird von Sternen und Galaxien dominiert, die unseren eigenen nicht unähnlich sind. Doch wenn Hubble noch tiefer in die Vergangenheit hineinspähen könnte, würde er ein ganz anderes Universum sehen. Heute ist das Urknall-Modell generell akzeptiert demzufolge das Universum als ein unvorstellbar kleiner, dichter und heißer aus Materie und Energie bestehender Feuerball geboren wurde. Dieses Universum enthielt keine Sterne und keine Galaxien und würde dies auch weitere 500 Millionen Jahre lang nicht tun.
Die älteste uns bekannte Galaxie ist EGSY8p7, die ungefähr 600 Millionen Jahre nach dem Urknall geboren wurde. Eine halbe Milliarde Jahre später war das Universum mit Galaxien angefüllt, von denen jede Hunderte Milliarden Sterne enthielt. Wie entwickelte es sich von dem einen Extrem zum anderen?
Um diese Frage zu beantworten, müssen wir sehr weit zurückgehen, zu einem Zeitpunkt gerade mal 3 × 10 44Sekunden nach dem Big Bang. Damals begann die Inflation, diese den Bruchteil einer Millisekunde lange Phase, in der das Universum sich exponentiell ausdehnte.
Wie ein Ballon aufgeblasen
Die Inflation ließ das Universum von einem Ball brodelnder, wallender Materie zu etwas viel Glatterem und Homogenerem werden: Es war so, als würde ein verschrumpelter Ballon aufgeblasen. Das Ergebnis war aber keine vollkommene Uniformität: Stellenweise gab es winzige Abweichungen, in die Länge gedehnte Relikte der Quantenfluktuationen, die den Big Bang verursacht hatten. Nachdem die Inflation zu Ende gekommen war, dehnte sich das Universum weiter aus, aber weitaus langsamer. Dadurch wurden die Variationen weiter in die Länge gezogen. Das waren die Samen, aus denen Sterne und Galaxien wuchsen.
Wir wissen über sie aufgrund von Beobachtungen der kosmischen Hintergrundstrahlung Bescheid, jenem schwachen Mikrowellenflimmern, das den ganzen Weltraum durchdringt und oft als »Nachglühen« des Big Bang bezeichnet wird. Zuerst schien es, als sei der kosmische Mikrowellenhintergrund überall von derselben Temperatur: eisigen 2,7 Grad über dem absoluten Nullpunkt. 1992 kartierte der NASA-Satellit Cosmic Background Explorer (COBE) ihn jedoch im Einzelnen und fand heraus, dass es Regionen gab, in denen die Temperatur leicht unter und andere in denen sie leicht über dem durchschnittlichen Wert lag.
Die Unterschiede sind winzig – sie bewegen sich im Hunderttausendstelbereich –, doch das reicht.
Die kälteren Stellen entsprechen Regionen des frühen Universums, die mehr Materie enthielten – hauptsächlich Wasserstoff und Helium – und daher eine leicht überdurchschnittliche Dichte aufwiesen. Massenanziehung bewirkte den Rest: Diese Materie ballte sich nach und nach zu größeren und dichteren Klumpen zusammen, die schließlich eine solche Größe und Dichte erreichten, dass es in ihren Zentren zu Kernfusion kam: Die Sterne waren geboren.
Massenanziehung ist auch für die Bildung jener Sternhaufen verantwortlich, die wir Galaxien nennen, sowie für die Bildung der Galaxiehaufen, die wir, nun ja, … Galaxiehaufen nennen. Die Entfernung von einem bis zum anderen Ende eines solchen Haufens kann bis zu mehr als 100 Millionen Lichtjahre betragen.
Unsere Galaxie bildete sich auf diese Weise, und der Prozess hält an. Die Milchstraße beispielsweise nimmt Materie von zwei nahe gelegenen Satellitengalaxien, der Großen und der Kleinen Magellanschen Wolke, auf und sammelt es an; sie saugt auch Gase aus dem Weltraum in sich auf. Die Milchstraße ist bereits eine Riesengalaxie und weit größer und heller als die meisten anderen. Sie wird irgendwann noch gewaltiger werden, indem sie mit einer weiteren Galaxie in ihrer Nähe, der Andromedagalaxie, kollidiert und verschmilzt.
Auch die Entstehung von Sternen geht weiter, und zwar in Regionen dichten interstellaren Staubes, die als Sternenkinderstuben bekannt sind. Das Hubble Space Telescope hat dramatische Bilder von gewaltigen Säulen aus Gas und Staub an Orten eingefangen, an denen neugeborene Sterne aus den Wolken auftauchen, einschließlich protoplanetarer Scheiben, die irgendwann Solarsysteme entstehen lassen werden. Die Milchstraße bringt pro Jahr ungefähr zehn Sterne hervor.
Obwohl alle auf die gleiche Weise geboren werden, sind Sterne sehr verschieden. Einige sind hell, andere leuchten nur schwach; einige sind blau, andere weiß, wieder andere gelb, orange oder rot; einige sind riesig, andere winzig.
Lebe flott, stirb jung.
Die Unterschiede ergeben sich aus zufallsbedingten Variationen der Masse. Ungefähr 90 Prozent der Sterne sind Hauptreihensterne, und sie machen alle dasselbe: Sie lassen in ihren Zentren Wasserstoffkerne aufeinanderprallen, um Heliumkerne zu bilden, ein Prozess, den man Kernschmelze nennt. Je größer die Masse eines Sternes ist, desto heißer ist sein Zentrum und desto schneller werden die Wasserstoffatome verschmelzen. Desto heller ist auch der Stern. Und je heller er leuchtet, desto blauer ist er.
Die Masse eines Sternes gibt auch vor, wie lange er leben wird. Obwohl massereiche Sterne einen größeren nuklearen Energievorrat besitzen, verbrennen sie diesen schneller und sterben schneller. Die Sterne mit der größten Masse verbrauchen das Hydrogen schon in ein paar Millionen Jahren. Die Sonne hingegen brennt bereits seit 4,6 Milliarden Jahren, und sie wird das weitere Milliarden Jahre lang tun.
Jeder Hauptreihenstern wird eines Tages den Wasserstoff in seinem Zentrum aufgebracht haben und dann anfangen, solchen außerhalb seines Zentrums zu verwenden und sich dabei auszudehnen und abzukühlen. Er ist dann ein Riesenstern oder Überriesenstern.
Diese gewaltigen Sterne haben ein kurzes, aber dramatisches Leben. Sie beginnen damit, Helium, Kohlenstoff, Neon, Oxygen, Silizium und Schwefel zu verschmelzen. Die letzten beiden Elemente verschmelzen zu Eisen, Eisen aber verschmilzt nicht zu schwereren Elementen, und daher ist der Stern, wenn er dieses Stadium erreicht, dazu verurteilt, als Supernova zu explodieren. Danach fallen die Überreste zu einer kleinen, aber dichten Kugel zusammen. Diese kann ein schwarzes Loch oder ein Neutronenstern sein.
Kleinere Riesensterne explodieren nicht, sondern schrumpfen nur langsam zu heißen, kompakten Gespensterwesen, die man Weiße Zwerge nennt. Wenn genügend Zeit vergangen sein wird, werden Weiße Zwerge völlig vergehen und zu Schwarzen Zwergen werden. Noch ist es aber nicht so weit, weil das Universum noch nicht alt genug ist.
Von einem schwarzen Loch geschaffen
Man glaubt generell, dass Galaxien unter dem Einfluss von Gravitationskraft allmählich zusammenwachsen, es gibt jedoch eine andere und weitaus dramatischere Möglichkeit. Sie könnten schlagartig erzeugt werden dadurch, dass Quasare, äußerst lichtstarke schwarze Löcher ringförmig umgebende Objekte, extrem energiereiche Strahlen von Materie in Gaswolken schleudern. Die Quasare erhalten heutiger Annahme zufolge ihre Energie von extrem massereichen schwarzen Löchern. Wenn das stimmt, dann sind die supermassereichen schwarzen Löcher, die man im Zentrum der meisten Galaxien findet, eher die Baumeister ihrer Umgebung als deren Produkte.
Woraus besteht Materie?
Stellen Sie sich einmal vor, sie hätten an Ihrem ersten Geburtstag ein recht merkwürdiges Geschenk bekommen: eine Ampulle voll Wasserstoffgas. Im Jahr darauf hätten Sie dann ein bisschen Helium bekommen und an Ihrem dritten Geburtstag ein Stückchen Lithium. An Ihrem 21. Geburtstag wären Sie dann der stolze Besitzer von einer kleinen Menge Scandium geworden und an Ihrem 40. von ein wenig kristallinem Zirkonium. Wenn Sie bis zu Ihrem 92. durchhalten, würden Sie Uran bekommen. Doch um Ihre Sammlung zu vervollständigen, würden Sie noch viel länger leben müssen.
Noch 118 Jahre, um genau zu sein. Das ist die Summe der chemischen Elemente, die wir kennen: ein Büfett aus festen Stoffen und Flüssigkeiten, aus Gasen, Metallen und Nichtmetallen, einige davon selten, andere häufig, einige nützlich, andere nicht. Sie sind die Bausteine der Chemie und des Lebens. Wo kommen sie alle her? Wie sind sie entstanden?
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