Michells längere Abhandlung – die 1784 in der von der Royal Society herausgegebenen Zeitschrift Philosophical Transactions veröffentlicht wurde – befasst sich vor allem damit, wie man beides unter Verwendung von Prismen von der Erde aus messen könne. Er lässt aber hin und wieder auch seiner Fantasie freien Lauf.
Er argumentierte, wenn der Stern groß genug sei, müsse seine Anziehungskraft so groß sein, dass sogar Licht es nicht schaffen würde, sich aus seinen Klauen zu befreien. Er errechnete, dass der Stern einen 500-mal größeren Durchmesser als die Sonne besitzen müsse, um Licht festhalten zu können. Falls ein solches Himmelsobjekt existierte, schrieb er, könne »sein Licht nie bei uns ankommen«.
Dieser ganz und gar originelle Gedanke war aber unwesentlich für das eigentliche Ziel des Autors, und deswegen ging er ihm nicht weiter nach. »Ich werde dies nicht weiter verfolgen«, schrieb er.
Und er hielt Wort. Er starb 1793, anscheinend, ohne noch einmal auf diese Idee zurückgekommen zu sein.
Ein paar Jahre später kam der französische Gelehrte Pierre-Simon Laplace auf denselben Gedanken, als er Mutmaßungen über die Eigenschaften sehr großer Sterne anstellte. Deren Anziehungskraft, meinte er, würde so stark sein, dass »kein Licht von ihrer Oberfläche entkommen« könne. »Die größten Körper im Universum sind daher möglicherweise unsichtbar.«
Vielleicht wollte Laplace diesen Gedanken weiter verfolgen. Dieser war aber überholt, da 1804 die Korpuskulartheorie des Lichtes von der Wellentheorie abgelöst worden war. Wenn diese stimmte, dann würde die Gravitationskraft sich nicht auf es auswirken. Laplaces Idee geriet in Vergessenheit.
Spaghettisierung
Alles, was den Ereignishorizont eines schwarzen Loches erreicht, wird in es hineingesogen, um nie wieder gesehen zu werden. Diesen Prozess nennt man Spaghettisierung – die Gravitationskraft ist so stark, dass sie das unglückliche Objekt – ein Raumschiff oder einen Astronauten beispielsweise – zu einem langen, dünnen Faden dehnt, der dann eingesaugt wird, so wie eine Nudel im Mund eines Essers verschwindet.
Back in Black
Alles änderte sich erneut im Jahr 1915 mit Albert Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie, durch welche Gravitationskraft als durch massereiche Objekte wie Sterne verursachte Krümmung der Raumzeit neu definiert wurde.
Diese Theorie beinhaltete eine merkwürdige Vorhersage, der sich allerdings Einstein selbst gar nicht bewusst war. Der Astronom Karl Schwarzschild wurde während seiner freien Zeit an der Ostfront (er hatte sich 1914 im Alter von 40 freiwillig zum Militär gemeldet) auf sie aufmerksam und wies ihn darauf hin.
Schwarzschild zeigte, dass, wenn ausreichend Masse in einem genügend kleinen Raum konzentriert war, die Raum-Zeit-Krümmung unendlich werden würde. Das Ergebnis war eine »Singularität« – ein Punkt im Raum, an dem die Gravitationskraft so stark war, dass sogar Licht nicht entweichen konnte. Einstein war beeindruckt, glaubte aber nicht, dass ein solches Objekt tatsächlich existieren könnte. Schwarzschild starb 1916, an einer Krankheit, die er sich im Schützengraben zugezogen hatte, und seine Singularität wurde bald als rein theoretische Entität abgetan. 1939 veröffentlichte Einstein einen Aufsatz, in dem er dies angeblich bewies und die Sache wurde begraben. Für eine gewisse Zeit lang jedenfalls.
1959 fingen die Astronomen an, Radiowellen zu benutzen, um den tiefen Weltraum auszuloten und entdeckten sehr weit entfernte Objekte wie Quasare, die derart energiereich waren, dass man sie nur mithilfe der allgemeinen Relativitätstheorie begreifen konnte. Daraus entwickelte sich eine neue Wertschätzung der Physik sehr massereicher Objekte und Physiker begannen anzuerkennen, dass Singularitäten existieren konnten und es wahrscheinlich auch taten. Einen entscheidenden Durchbruch stellte die Vorstellung vom »Ereignishorizont« dar. Das ist die äußere Grenze eines schwarzen Loches, eine Grenze in der Raumzeit, an der Gravitationskraft so stark wird, dass nichts mehr entweichen kann.
Ende der 190er-Jahre erkannten die meisten Physiker an, dass die Existenz von schwarzen Löchern sich unvermeidlich aus Einsteins Theorie ergab.
Wie bildet sich ein schwarzes Loch?
Jeder Stern, der ungefähr die doppelte Masse unserer Sonne oder mehr aufweist, ist dazu bestimmt, ein schwarzes Loch zu werden. Solche Sterne besitzen ein ungeheures Gravitationsfeld, das einen Druck nach innen aufbaut. Während ihrer Existenz wirken die Sterne diesem Druck durch Kernfusion in ihren Zentren entgegen. Wenn ihnen jedoch der Energievorrat ausgeht, können sie diesen Widerstand nicht mehr aufrechterhalten und sie werden langsam zermalmt.
Dieser sogenannte Gravitationskollaps führt manchmal direkt zur Entstehung eines schwarzen Loches oder aber auch zu einer gewaltigen Explosion, die man Supernova nennt und die die äußeren Schichten eines Sternes absprengt, sodass nur sein Kern übrig bleibt. Falls dieser massereich genug ist, geht der Zerfallsprozess weiter. Wenn die zerfallende Masse extrem kompakt wird, wird ihr Gravitationsfeld so stark, dass nicht einmal mehr Licht von dort entkommen kann. Ein schwarzes Loch ist geboren.
Mit diesem Prozess lässt sich aber nicht die Entstehung supermassereicher schwarzer Löcher erklären, von mindestens 100 000-mal größerer Masse als die Sonne. Diese können sich einfach dadurch bilden, dass große Mengen von Materie über gewaltige Zeiträume hinweg in ein gewöhnliches schwarzes Loch hineinstürzen. Vielleicht haben sie ihren Ursprung aber auch im Kollaps eines Sternes von riesenhafter Größe in einem frühen Universum.
Obwohl die Existenz schwarzer Löcher heute allgemein anerkannt wird, hat noch niemand jemals eines gesehen. In jüngster Zeit haben Wissenschaftler Gravitationswellen entdeckt, die durch den Zusammenprall zweier schwarzer Löcher entstanden sind. Viel näher sind wir aber einer »Sichtung« nicht gekommen.
Gegenwärtig werden Pläne verfolgt, ein schwarzes Loch direkt abzubilden. Wenn das gelingt, wird man der Tatsache ihrer Existenz nicht mehr entkommen können – so wie das in ihnen gefangene Licht nicht aus ihnen entkommen kann.
Die Geschichte des Begriffs
Niemand weiß genau, woher der Name »schwarzes Loch« stammt. Er wird oft dem Physiker Archibald Wheeler zugeschrieben, der ihn 1967 in einen Vortrag einfließen ließ. Dem Yale Book of Quotations zufolge findet man ihn aber im Druck zum ersten Mal in einem Bericht über ein Treffen der American Association for the Advancement of Science. Es ist wahrscheinlich, dass der Begriff in Kreisen von Astrophysikern bereits zirkulierte, bevor Wheeler – der ein Ohr für solche eingängigen Ausdrücke hatte – ihn verwendete und popularisierte.
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