Helmut Lauschke
Aus den Tiefen des Tages und der Geschichte
Nachlese, Erinnerungen, Skizzen
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Inhaltsverzeichnis
Titel Helmut Lauschke Aus den Tiefen des Tages und der Geschichte Nachlese, Erinnerungen, Skizzen Dieses ebook wurde erstellt bei
Prolog Prolog Nachlese, Erinnerungen, Skizzen Die Namen der Personen und Institutionen in den Erzählungen sind erfunden. Das Prinzip der Inquisition war mörderisch. [Lord Acton] Es gibt ein Maß in den Dingen, es gibt letztlich feste Grenzen. [Est modus in rebus, sunt certi denique fines. - Quintus H. F. Horaz: Sermonum libri duo (Satiren) 1,1,106] Wenn die Wahrheit zu schwach ist, sich zu verteidigen, muss sie zum Angriff übergehen. [Bertolt Brecht: Leben des Galilei, 3] Mir ist aufgefallen, dass zwei Dinge im Vatikan sehr schwer zu bekommen sind: Ehrlichkeit und eine gute Tasse Kaffee. [Johannes Paul I.] * Es herrschte vollkommene Dunkelheit. Ich hörte nur die Geige, und es war, als diene Julieks Seele als Bogen. Er spielte sein Leben. Sein ganzes Leben glitt über die Saiten. Seine begrabene Hoffnung, seine veraschte Vergangenheit, seine erloschene Zukunft. Er spielte, was er nie mehr spielen würde. Ich werde Juliek nie vergessen. Wie könnte ich ein Konzert vergessen, das vor Sterbenden und Toten gegeben wurde! Noch heute, wenn ich Beethoven höre, schließen sich meine Augen, und der Dunkelheit entsteigt das bleiche traurige Antlitz meines polnischen Kameraden, der von einer Hörerschaft Sterbender Abschied auf der Geige nahm. (Nach dem langen Marsch der ausgezehrten Häftlinge durch die Nacht bei dichtem Schneefall von Auschwitz nach Gleiwitz wegen Evakuierung des Lagers vor Ankunft der Roten Armee ) [Elie Wiesel: Die Nacht zu begraben, Elischa] Toleranz und Demut sind das Gegenteil von Intoleranz und Anmaßung mit der Menschenfeindlichkeit von Folter, Scheiterhaufen und Tötung unschuldigen Lebens. * David A. Yallop: Im Namen Gottes? – Der mysteriöse Tod des 33-Tage-Papstes Johannes Paul I. – Tatsachen und Hintergründe, Knaur (3812) 1988, Seite 230
Gedanken, Gedanken, wo kommen sie nur her? Denn gestern stand hier noch die Schule. Sie kommen. Doch woher kommen sie? Hier, wo nichts mehr steht, aber gestern noch die Schule stand. Die Schule, ja, das war eben gestern! Der Faden zieht sich in die Länge zu einer Wäscheleine. Aber die Leine ist alt und hängt durch. An ihr stecken drei Holzklammern, die verwittert sind, ohne etwas zu halten. Es ist eine von mehreren Vermutungen, dass die Dinge und Gedanken, als sie trocken waren, von der Leine abgenommen wurden. Das aber muss schon lange hergewesen sein. Doch auch schwebende Gedanken und Gefühle behalten beim Trocknen an einem Frühlingsmorgen den bezaubernden Geruch, wenn sie mit Lavendel eingerieben worden sind.
Nach der Zeit Nach der Zeit Wieweit? Nach der Logik aus der Anzeigenrubrik: Der Kreter o Reterk! Es gibt Gezeter, wenn aus dem Spalt der Alte kommt. Da kommt der Reterk mit Schirm, Charme und Melone. Ein Passant fragt ihn, und wo bleibt denn die Kohle? Mit gespitzten Ohren, geschlossenem Mund und schnaubender Nase macht sich davon der durchtriebene Hase. Es heißt in der Rubrik, dass der Kreter lügt, selbst dann, wenn er lügt. Wo bleibt der Stock? Er steckt unter dem Morgenrock, wo sich der Verschlafene versteckt mit Körper und Geist, und das bevor die aufwachende Logik mit dem Morgengezeter auf der verschneiten Terrasse vereist.
Ambitionen und Strebungen, Ambitionen und Strebungen, wenn sie politisch werden, bekommen umgehend den bittersüßen Beigeschmack, insbesondere dann, wenn es um Menschen und das Humanum geht. Nicht anders ist es im Menschen als Individuum, weil sich da das Gerade nur selten und als Ausnahme gerade verhält. Krumm und verbogen. Es bleibt also gelogen, was als Geschichte vorgehalten wird. “Wir werden Hitler den Krieg aufzwingen, ob er es will oder nicht.” * Die daraus sich ergebende Frage geht auf den Punkt der Schuld. Laut plärrte über den Kanal herüber die Tirade gegen Schiller und den deutschen Geist. ** Vernunft, warum ? Die Zukunft hält sie doch geknebelt. Längst hat sie begonnen und wird fest von einer Handvoll irgendwohin gezogen. Man sollte ihnen die Nasen und Ohren abschneiden. Doch da halten sich die Drahtzieher versteckt, weil sie um ihre Nasen und Ohren fürchten. * Winston S. Churchill 1936. Nach Wolf Kalz: Ein deutsches Requiem, Fulda 2006, S. 80. ** Friedrich Schiller: Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen
Tabula rasa Tabula rasa über den Augenblick hinaus. Requiem à >La Strada< mit den Bergen, die sich nicht bewegen. Ein frankophoner Germanophober sagte: ‘Die Germanen lieben den Tod! Zitternd, wie im Taumel schauen sie mit ekstatischem Lächeln zu ihm auf wie zu einer Gottheit.’ * Heiser krähte der gallische Hahn [Clemenceau, der Deutschenhasser, so Lloyd George] aus Versailles, dass die >Boches< keine liebenswerten Menschen seien. * [Lloyd George zu Lord Riddell 1919 zum Vertrag von Versailles: “ Die Wahrheit ist, dass wir uns durchgesetzt haben. Das meiste, darauf wir aus waren, ist uns zugefallen. Die deutschen Kriegsschiffe sind ausgeliefert, die deutschen Handelsschiffe sind abgeliefert, die deutschen Kolonien haben aufgehört zu sein, der eine unserer Hauptwettbewerber im Handel ist zum Krüppel geschlagen.” ** ] Preußen, später die Deutschen, der Prager Fenstersturz und der dreißigjährige Krieg, die Bartholomäusnacht und die Erbfolgekriege, die 161 zerbombten deutschen Städte und das Diktat der bedingungslosen Kapitulation zur totalen Zerschmetterung von Casablanca im Januar 1943. Als war Deutschland nur Hitler, Himmler, Goebbels, Eichmann und die anderen Bonzen, jene grobverbohrten Deutschfaschisten. Waren doch deutsch auch Goethe, Schiller, Kant und Hegel, Bach, Beethoven, Brahms und Schumann, Barlach, Kirchner, Kollwitz. * Jean Martet über Clemenceau: Le Tigre, Paris 1930, p. 71, 74, 292 ** Hans Grimm: Die Erzbischofschrift – Antwort eines Deutschen [April 1946], Plesse-Verlag Göttingen, 2. Auflage 1950, Seite 27
Germaniam esse delendam! Germaniam esse delendam! So schreibt die Londoner Saturday Review am 11. September 1897 * ** : >Deutschland muss vernichtet werden!< Ist Stetigkeit im Fleiß ein großes Verbrechen? Was ist’s, dass die Deutschen verschwinden sollen samt ihrer Musik, Poesie und Philosophie? Die intellektuellen Petarden platzen aus den Nähten. Es sind britannische Mägen, denen der deutsche Geist nicht schmeckt. Was dem einen zu Gesichte steht, sieht der andere lieber fortgeweht. Doch sind die Deutschen keine Hunnen, sie halten sauber Garten, Haus und Brunnen und suchen mit Fleiß und Herz zu verstehen, wohin die Wurzeln der Kultur sie gründen. Ob Geist, ob Kohle, Weg und Matsch und Sohle. Na, zum Wohle! Mehr auseinander geht es nicht. “It is a moral, physical and strategic impossibility to bottle up an elemental force such as that which the German people incarnate. It simply cannot be done.” [ E.D. Morel in: “Truth and the War”, 1919 ] ** * Wolf Kalz: Ein deutsches Requiem, Fulda 2006 ** Hans Grimm: Die Erzbischofschrift – Antwort eines Deutschen, Seite 17; 26
Die Puppen in die Schuppen! Die Puppen in die Schuppen! Heraus, ihr Spieler, kommt auf den Platz! Kommt aus den Matten, von den Brücken, aus den Dämmerschatten und den Bretterlücken. Neppup, Neppusch und was sonst zu sagen ist. Ihr Spieler, tretet heraus und sagt es auf! Spielt vor, was in Geschichten sich verhäkelt und versteckt und verdreht als Geschichte durch die Schulen geht, weil sich die Wahrheit auf dem Boden nicht mehr rührt. Menschen, ob da oben, ob da unten, sie verstehen des andern Sprache nicht. Wie komisch und ganz anders, wenn sie stampfen und herüber am Trapez sich schwingen, dass die Mäuler offenstehen und die Vögel es herunterzwitschern.
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