Seine Passion ist das Jagen. Seine Passion ist das Jagen. Jagdtrophäen füllen Wände mit stirngeweihten Köpfen. Dicht an dicht und in langen Reihen hängt der Plunder des vererbten Weidmannsheils. Jagd und Jäger, Trug und Träger, doch alle machen mit. Ob mit Gedanken oder gedankenlos, die Geschmäcker sind verschieden. Aufgerieben und angebrochen sind die Sitze von den jagenden Generationen davor. Das Jagen wird bleiben, wie es die zu Jagenden weiter geben wird. Die Passion des Jagens ist unsterblich, so wie das Los der Gejagten die Machtlosigkeit ist. Die Trophäen füllen nicht nur Wände, Gänge und Keller sind mit ihnen vollgestopft. Nur dass die Köpfe unten ungeweihte sind, weshalb sie nicht an die Wände kommen. Reihen in Reih’ und Glied, das hat es immer gegeben. Dazu kommt dann das Lied, das erst nach dem Abpfiff verstummt. An und ab, im Tragen und im Trügen, in allen Lagen gibt’s die tausend Lügen, die nicht einfach wegzuschießen sind. Man kann hassen noch und nöcher. Nur wundert euch nicht über die Löcher in den Straßen und den Köpfen.
Mit Schaufeln und Trompeten reißt ihr neue Gräben auf, Mit Schaufeln und Trompeten reißt ihr neue Gräben auf, mit Pfiffen und Stiefeln trampelt ihr sie wieder zu. Was das mit den kurzen und den langen Gräben soll, versetzt die Schaufelnden in Angst und Schrecken. Lieber die Taube in der Hand als die Wanze unterm Bett; lieber die Nägel im Türbrett als den Aufprall gegen die Wand. Aus den Sätzen und ihren Quintessenzen kommt, wenn auch spät, die Einsicht mit der erschreckenden Übersicht, was in den Kellerlabyrinthen abgelaufen ist. Prügelnder Sarkasmus und Schmerzen des Geprügelten, die Tötungsabsicht und der Mut in der Aussichtslosigkeit, unter dem flachen Kellergewölbe stoßen sie hart aufeinander. Es gibt Folterstufen mit den zerschlagenen Gesichtern, sie sind konsequent und erbarmungslos. Die Tötungsabsicht hält ihre Agenten geheim, deren Sicherheitszone die Dunkelheit ist. Sie ziehen nächtlich die quälenden Runden und sind mit Tagesanbruch wieder verschwunden. Der Zynismus reißt durch Treppenhäuser rauf und runter, es ist ein schreiend-brüllender Betrieb. Oben und unten wird gestöhnt und gelacht, werden die Schläge hart versetzt. Ertragen werden die Schmerzen der Hiebe, der gebrochenen Finger und rausgerissenen Nägel, der gestuften Elektroschocks und ausgedrückten Zigaretten.
Es war einmal ein Jäger. Es war einmal ein Jäger. Er war einer von den vielen, die wehrloses Wild jagten und beim Schießen nicht zögerten. Es war nach der Zeit, in der es das wilde Schießen nicht gab, weil die Achtung vor dem Leben noch größer war. Überhaupt gab es davor eine Kultur, die man menschenwürdiger nennen konnte. Sie wurde mit den folgenden Jahren zerrieben, dass immer mehr Stücke aus ihrem Kreis wegbrachen. Schließlich hat man sie ganz vergessen, die alte Zeit mit der Kultur, der Bildung und der Würde des Menschen. Keiner weiß mehr, wie das Leben in der Zeit der Bildung gewesen war, denn alle haben sich an die Hektik des täglichen Jagens und Gejagtwerdens längst gewöhnt. So gibt es das, was es davor nicht gab, jedenfalls in dem Ausmaß nicht, was aber nach Einschätzung der Dinge des Gejagtwerdens in Zukunft so bleiben, wenn nicht noch stärker werden wird. Jäger und Gejagter, Fäller und Gefällter, Stürmer und Gestürmter, Stiefelträger und Getretener, Schläger und Geschlagener, Brenner und Verbrannter. Es gibt sie mehr, als es sie früher je gegeben hat. Wenn dann die Erinnerung abbricht oder ganz verlorengeht, nimmt es nicht wunder, dass das Totschießen ein beliebter Massensport geworden ist.
Flüche und Schreie bilden eine Schlange. Flüche und Schreie bilden eine Schlange. Es kann die Wasserschlange sein, deren Zähne nicht giftig sind. Den Speichel verspritzen alle Schlangen, wenn sie richtig zischen. Speichel spritzt an den Gaumen, wenn der Mund weit offen ist. Es kommt zum bitteren Geschmack der Wirklichkeit auf der Zunge, dass man erschrickt, den Mund so weit aufgemacht zu haben. Andererseits muss man den Mund aufmachen, wenn Kaubares auf die Zunge kommen soll. Das eine ist gegen das andere zu balancieren, wenn außer dem Bitterstoff vom Süßstoff etwas geschmeckt werden soll. Die Tische der Vernehmung sind verschieden. Der Vernehmer sitzt hinter dem großen Tisch, und der kleine Tisch aus dem schlecht gehobelten Holz ist für den, der vernommen wird. Die Platten der kleinen Tische haben Kerben, die bei den vorausgegangenen Verhören hineingeschlagen wurden. Es ist durchaus berechtigt, sich zu fragen, ob denn die Verhörten das Verhör überlebten, und was einem selbst im und nach dem Verhör noch blüht, wenn einem die Glocke des Schweigens übergestülpt wird. Im Fenster wellt sich müßig das Sonnenlicht, dann kriechen die Lichtkringel über den Boden. Sie steigen an den Tischbeinen hoch bis auf die Tischplatte und weiter dem Vernehmer bis auf die Stirn. Kreuz und quer fahren die Züge durch sein Gesicht, je nachdem, wie sich der Kopf hebt, senkt und dreht. Die Kringel fahren auf und ab nach allen Seiten. Man sollte meinen, man führe durch die Weiten vom Beginn durch die Epochen wirrender Zeiten.
Hosenbeine, Fensterglas und Aschenbecher, Hosenbeine, Fensterglas und Aschenbecher, die Frage ist: Wo bleibt der Rächer? Weit kann er doch nicht sein, denn noch qualmt’s überm Tellerrand an den Hügelseiten toter Stummel. Hobelschatten, Kerbenmulde, wer ist’s, dem ich die Erklärung schulde? Dabei ist das Ganze eine Farce, nicht mehr als ein gezinkter Türkenteller, wenn’s laut und schmerzhaft wird im Keller der Befragung. Dort nämlich geht’s ans Nackte mit dem Sagen der Entsagung, mit dem Schweigen der Vertagung, mit dem Wahnsinn der Verklagung. Licht und Schatten wechseln flimmernd ab, im Wechsel folgt ein Schritt dem andern. Wenn er stoppt, dann ist’s soweit: Der Knall der Ohrfeige steigt durchs Treppenhaus hinauf, wo sich das Echo in den Marmorflurwinkeln verfängt. Dann setzen Schritte sich entspannter fort, auf rauhem Boden knarren Stuhlbeinfüße. Es wird still im Treppenhaus. Gleich jagen jene Gedanken durch den Sinn, ob es denn noch andere Treppenhäuser gibt, die vom Keller abwärts in die Tiefe gehn. Denn immer wieder kommt es vor, dass nach der Vernehmung nur der Vernehmer die Treppe herauf zum Marmorflur kommt. Weiß der Teufel, übertrieben ist es nicht, dass mancher unten sich die Knochen bricht. Aschenbecher, Fensterglas und Hosenbeine, Hände, Hälse und die festgeschnürte Leine.
Glatze, Fratze, Glatze, Fratze, Hetze, schiefes Maul. Hätt’ste, hauste kräftig drauf auf die Typen mit der Plauze. Wenn der Kopf dann vor die Mündung kommt, hat das Risiko die Gefahrenstufe Eins erreicht mit dem Hinweis auf die andere Seite. Wie die Figuren auf dem Schachbrett ziehen, das hängt vom Setzen des Gegenübers ab. Es ist das Denken in den gegnerischen Raum hinein, das um Züge vorauszugehen hat. Dennoch: Es schließt den verkehrten Zug nicht aus. Witze und dergleichen, wie sie zur Ermutigung gemacht werden, haben den Rebound-Effekt, wenn sich Menschen gegenübersitzen, sie mögen sich auch gegenüberstehen, von denen der Arglose stets überrascht ist, wenn der andere auf dem Hochseil der Hintergedanken turnt. Doch wahr ist auch, dass sich das Leben ohne Humor schlecht tragen und noch schlechter erst ertragen lässt. Nun kommt es auf das Katz-und-Maus-Spiel an, in dem die Geschichte zur System- beziehungsweise Unrechtsdemontage verspätet zündet. Der Humorist ist über alle Berge, was die Hürden der geheimen Fallensteller betrifft. Der Glatzkopf mit der großen Schnauze reißt sich an den dunklen Brauen, weil er feststellt, dass mit den Neunmalschlauen so gut Kirschenessen gar nicht ist.
Der alte Trupp ist abgezogen, Der alte Trupp ist abgezogen, ein neuer Trupp kommt an. Der Tag hat die Geschichte, als er dastand schon halb ausgezogen. Bist du der von dem und dem? Ob ja, ob nein, du musst dich wieder anziehen, denn nun geht’s ab. Und was da alles abgeht, erfährt man erst, wenn man da ist, wo man gar nicht hin wollte. Der Beginn der Frage-Antwort-Prozedur ist auch der Beginn, bei dem die Ohrfeigen knallen und kurze Gummiknüppel auf Handrücken und Köpfe einschlagen. Wer stolpert, weil er vom Geradeausgedachten doch zu viel gesagt hat, der hat schlechte Karten, was ihn eine Etage tiefer bringen kann, wo keiner mehr die Hand für ihn ins Feuer legt, ob er da jemals wieder rauskommt. Die Devise im Verhör ist, wenn du es lebend überstehen willst, schweige der Wahrheit ins Gesicht. Sieh ins blasse Zuckgesicht des Verhörers, solange du es ohne Lidschlag kannst. Beim Handanlegen kannst du sehen, wie schnell die Schellen um die Gelenke geschlossen werden. Das Sicherheitsbedürfnis des Gegenübers ist grenzenlos, es kommt aus der Ungezogenheit und Unsicherheit des Systems, dem sich der Verhörer glattrasiert mit geradem Rechtsscheitel opportunistisch und skrupellos verschrieben hat. Haar und Schere. Wer es wagt mit der Quere, dem fährt die Schere tief ins Haar, dass er im Kopf sich später nicht wiedererkennt.
Читать дальше