211. Cyrus aber drang eine Tagereise weit vom Araxes vor, und befolgte die Angabe des Krösus. Nachdem er aber mit dem guten Kriegsvolk sich wieder an den Araxes zurückgezogen, und das schlechte zurückgelassen hatte, kam ein Drittheil vom Heere der Massageten heran, und erschlug die zurückgelassenen Kriegsleute des Cyrus nach einigem Widerstand, sah dann auch das Mahl vor sich; und nach Ueberwältigung der Gegner lagerten sie sich und schmausten, wurden endlich voll Speise und voll Weines, und schliefen ein. Die Perser kamen nun heran und erschlugen Viele von ihnen, nahmen aber noch viel mehr lebendig gefangen; worunter auch der Sohn der Königin Tomyris war, der die Massageten anführte, mit Namen Spargapises.
212. Als aber die Königin erfuhr, wie es mit dem Heer und mit ihrem Sohn ergangen war, sandte sie einen Herold an Cyrus und ließ ihm sagen: "Unersättlich-blutgieriger Cyrus, überhebe dich nicht dieses Vorgange. Denn durch die Rebenfrucht, deren Vollmaß euch selber so bethört, daß der Wein, sobald er hinabkommt in den Leib, euch schlimme Reden heraufschwemmt, durch solch ein Gift hast du mit List meines Sohnes dich bemeistert, nicht aber im Kampf mit Stärke. So laß nun, Was ich dir jetzt zum Guten rathe, dir gesagt seyn. Gib mir den Sohn wieder und gehe dann ungestraft aus diesem Lande, nach Ueberwältigung eines Drittheils des Massagetenheeres. Wo du aber Das nicht thun wirst, schwöre ich dir bei der Sonne, dem Gebieter der Massageten, ich will dich wahrlich, so unersättlich du bist, mit Blut sättigen."
213. Cyrus fragte indessen nichts nach diesen Reden, die ihm hinterbracht wurden. Als aber Spargapises, den Sohn der Königin Tomyris, der Wein verließ, und er inne ward, in welches Unglück er gerathen, that er an Cyrus die Bitte um Befreiung von seinen Fesseln; und sobald sie gewährt, er befreit und seiner Hände mächtig war, brachte er sich selbst um. Der also endigte auf diese Weise.
(Cyrus Tod, 530 vor Chr.)
214. Aber Tomyris sammelte, da ihr Cyrus kein Gehör gab, ihre ganze Macht und stieß mit Cyrus zusammen. Diese Schlacht war unter allen Schlachten, die es jemals unter den Barbaren gab, meines Urtheils die gewaltigste; und zwar höre ich, daß Dieses der Hergang war. Zuerst rollen sie aus der Entfernung auf einander geschossen haben, hernach, als ihre Pfeile verschossen waren, zum Handgemenge mit Spießen und Dolchen zusammengerannt seyn, und so eine lange Zeit gefochten und einander Stand gehalten haben, ohne daß ein Theil fliehen mochte, bis endlich die Massageten die Oberhand gewannen. Da kam der größte Theil des Persischen Kriegsvolkes an Ort und Stelle um; ja auch Cyrus selbst fand sein Ende, nachdem er im Ganzen neunundzwanzig Jahre König gewesen. Jetzt füllte Tomyris einen Schlauch mit Menschenblut, und suchte unter den Todten der Perser die Leiche des Cyrus. Als sie diese gefunden hatte, tauchte sie seinen Kopf in den Schlauch, ließ ihren Sohn am Leichnam aus und sprach Dich dabei: "Du hast mich, bei meinem Leben und meinem Siege über dich, zu Grund gerichtet durch listige Gefangennahme meines Sohnes; und ich will dich nun, wie ich gedroht habe, mit Blute sättigen." So habe ich über das Lebensende des Cyrus unter den mancherlei Geschichten, die man hört, die angegeben, welche mir am glaubwürdigsten ist.
215. Die Massageten haben eine der Scythischen ähnliche Kleidung und Lebensweise. Sie sind Reiter und Fußvolk; denn Beides ist ihre Sache; sind Bogenschützen und Speerkämpfer, und haben auch Doppelbeile im Gebrauch. Bei ihnen ist durchaus Gold und Erz gewöhnlich. Nämlich zu den Speeren, den Pfeilspitzen und Doppelbeilen ist durchaus Erz gewöhnlich, und am Kopf, an Gürteln und Achselbändern ist Gold ihr Schmuck. Gleichfalls legen sie ihren Pferden um die Brust eherne Panzer an; an den Zügeln aber, am Gebiß und Vorderschmuck haben sie Gold. Aber Eisen und Silber ist gar nicht bei ihnen gewöhnlich, ja sie haben es nicht einmal in ihrem Sande; dagegen Erz und Gold in Ueberfluß.
216. Ferner sind ihre Bräuche folgende. Jeglicher heirathet ein Weib; doch bedienen sie derselben sich gemeinschaftlich. Was nämlich die Hellenen von den Scythen behaupten, Das thun nicht die Scythen, sondern die Massageten. Hat nämlich ein Massagete Luft zu einem Weibe, so hängt er seinen Köder vorn an ihrem Wagen auf, und vermischt sich mit ihr ungescheut. Die Lebensgrenze setzen sie sonst nicht fest; wenn aber Einer gar alt geworden ist, kommen alle seine Angehörigen zusammen, um ihn zu schlachten und sonst noch Kleinvieh dazu; dann kochen sie das Fleisch und schmausen es auf. Das gilt ihnen für das größte Glück. Endigt Einer an Krankheit, Den essen sie nicht auf, sondern bergen ihn in der Erde, mit großem Leid, daß er nicht bis zur Schlachtung gekommen ist. Sie säen gar nicht, sondern leben von Heerden und Fischen. Die letztern bekommen sie in reichlichem Maße aus dem Araxesfluß. Ihr Getränt ist Milch. Von den Göttern verehren sie einzig die Sonne, welchem Gott sie Pferde opfern. Mit diesem Opfer halten sie es nämlich so, daß sie dem schnellsten Gott von allen Geschöpfen das schnellste darbringen.
1Man sehe Herod. V, 36. 125.
2Ebend. II, 143., VI, 137.
3Ebend. II, 21 — 23. (Vergl. auch Diod. v. Sicilien II, 47.) IV, 36.
4Sein Vater hieß Lyxes, die Mutter Dryo. In achten Buch seiner Geschichten Cap. 132. nennt er einen Chioten Herodot, Basilides Sohn, vielleicht einen Verwandten.
5Man sehe Herod. VII, 99. VII, 93. 103.
6Dieser soll auch Herodot's Vater- oder Mutterbruder, den Epiker Panyasis, hingerichtet haben.
7V. Chr. 444. Ol. LXXXIV, 5., Herodot's vierzigstes Jahr.
8S. Plutarch de malignitate Herodoti 26. 31. und Dio Chrysostomus orat. 37. tom. II. pag. 103. edit. R. Von Beiden wird Herodot zum feilen, lügenhaften Geschichtschreiber, vom Letztern nebenbei zum Schulmeister gemacht.
9S. oben S. 11.
10S. Plutarch. an seni ger. resp. III.
11Marcellin, vit. Thucyd. S. 18.
12V, 32, VII, 107, 137, 151. III, 160.
13Einige wollen Dieß dem Erben Herodot's, Plestrrhous, einem Thessalier von Geburt und Hymnendichter, zuschreiben. Von Demselben soll auch das kurze Vorwort zu Herodot's Wert herrühren. Daß dieß Letztere wenigstens gewiß unrichtig ist, beweist die Art, wie das erste Capitel anhebt.
14Unter dem rothen Meer versteht Herodot das ganze Südmeer
15Kolchis, südlich vom Kaukasus an der Ostküste des schwarzen Meeres, wo jetzt Mingrelien.
16Jetzt Fasch oder Rioni.
17Jetzt Kisil-Irmak.
18Ober sechsfüßigen. Denn zwei Versfüße galten im Griechischen Jambus als Ein Maß.
19Die Insel Chios (Scio) gegenüber dem, auf dem Festland gelegenen, Erythrä, gehörte auch zum Ionischen Bund. Siehe Cap. 142.
20Arion ist nicht sowohl für den Erfinder des Dithyrambus zu halten, als daß er vielmehr diesen chorisdien Kreistänzen im Allgemeinen eine bestimmtere Form, im Einzelnen verschiedenen Inhalt und besondere Titel gegeben zu haben scheint.
21Die hohe Weise (Nomos Orthios) im Spondeen-Rhythmus und in hohem, scharfen Tone, hatte besonders den Charakter des Muthigen, Kriegerischen.
22Welchen Werth der Goldstater des Krösus (der älteste, der vorkommt) gehabt hat, läßt sich nicht bestimmen. Die Persischen Goldstartern, von Darius Hystaspis geschlagen, Dareiten genannt, und die ihnen gleichgeltenden Attisoen, wurden auf 20 Silbersrachimen angeschlagen, ungefähr 4 Rthlr. 16 ggr.
23Es sind hier die Lyrrhener (oder auch Pelasger, denn es ist ein Stamm), die sich am Athos angesiedelt, gemeint. Von ihnen nordwärts, an Thracien grenzend, wohnte der Krestonische Stamm. Dessen Stadt Kreston kommt sonst nicht vor.
24Die (Tyrrhenischen) Pelasger, ein alter Griechenstamm, warenaus Theben nach Athen geflohen, ungefähr siebzig Jahre nach Troja's Eroberung, vor Christus ungefähr 1150 Jahre. Von den Athenern wurden sie aber nach ein oder zwei Jahrzehnten vertrieben, und verbreiteten sich nun über die Inseln Scyros, Lemnos, Imbros, Samothrace und die Nordküsten des Aegäischen Meeres überhaupt. Man vergl. II, 51, und VI, 137. ff.
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