195. Ihre Kleidung ist folgende: ein leinener Rock, der bis an die Füße reicht; darüber wird ein wollener Rock ans gezogen, und ein weißes Mäntelchen umgeworfen. Schuhe haben sie nach Landesart, nahezu wie die Böotischen Sochen. Ihr langes Haar tragen sie in einem Bund; ihr ganzer Leib ist gesalbt. Jeder hat auch einen Siegelring und einen geschnigten Stab; auf jedem Stab ist aber ein Apfel angebracht, oder eine Rose, eine Lilie, ein. Adler oder sonst Etwas. Denn einen Stab ohne Wahrzeichen zu haben, ist nicht Brauch bei ihnen. Das ist ihre äußerliche Tracht.
196. Ferner bestehen bei ihnen folgende Brände. Eins mal der, welcher, nach meiner Meinung der weiseste, auch, wie ich höre, unter den Tüyriern bei den Enetern 57üblich ist. In jedem Flecken nämlich ist Folgendes alle Jahr einmal geschehen. Sobald ihre Jungfrauen reif zur Ehe waren, ließen sie dieselben erst zusammenkommen und dann brachten sie alle an einer Stelle zuhauf; um sie her aber stellte sich ein Haufe Männer. Nun ließ der Ausrufer Eine nach der Andern aufstehen und bot sie zum Verkauf, und zwar zuerst die Schönste von Allen; hernach, wenn erst diese ihren Käufer mit theurem Gold gefunden hatte, rief er eine Andere aus, die nach ihr die Schönste war. Sie wurden aber zu Hausfrauen verkauft. Alle vornehmen Babylonier nun, die da heirathslustig waren, überboten einander und kauften sich die ersten Schönen; die Leute vom Volk aber, welche heirathslustig waren, die begehrten nicht nach Wohlgestalt; dagegen nahmen sie Geld und häßlichere Jungfrauen. Denn wie der Ausrufer der Reihe nach die schönsten Jungfrauen verkauft hatte, ließ er jedesmal die anmuthlosesten, oder, wenn Eine darunter krüppelhaft war, aufstehen; und bei Dieser rief er aus, Wer am wenigsten Geld verlange, um sie zur Hausfrau zu nehmen; bis sie Dem zufiel, der sich zum Wenigsten verstand. Dieses Geld aber kam von den schönen Jungfrauen; und so wurden von den Anmuthigen die Anmuthlosen und Krüppelhaften ausgestattet. Seine Tochter selbst, für Ben man wollte, auszustatten, war Keinem erlaubt; aber auch Keinem ohne einen Bürgen die erstandene Jungfrau heimzunehmen; sondern nur, wenn Einer Bürgen gestellt hatte, daß er wirklich mir ihr hausen wolle, durfte er sie mitnehmen. Mochten sie aber nicht miteinander leben, so mußte, nach bestehendem Brauch, das Geld zurückgegeben werden. JE: war aber erlaubt, daß man auch aus einem andern Flecken komme, um einzukaufen. Ihr schönster Brauch also war dieser. Indessen hat er nicht bis jetzt fortgedauert. Und nun haben sie neuerlich, etwas Anderes aufgebracht, damit man ihren Töchtern kein Leid thue, noch sie in eine andere Stadt führe. Seit sie nämlich durch ihre Unterwerfung in's Unglück gekommen und um ihre Habe gebracht sind, macht Jeder aus dem Volk, dem es an Unterhalt mangelt, seine weiblichen Kinder zu Huren.
197. Folgendes aber ist der zweitweiseste Brauch, den sie eingeführt haben. Wer an einem Uebel leidet, den tragen sie auf den Markt. Denn bei ihnen gibt es keine Aerzte. Und nun gehen sie zu dem Leidenden hin, um über die Krankheit Rath zu ertheilen, wenn sie etwa selbst schon in solchen Umständen waren, wie sie der Leidende hat, oder einen Andern darin gesehen haben. Da geben sie denn ihren Rath und empfehlen dieselben Mittel, wodurch sie selbst der gleichen Krankheit entgangen sind, oder einen Andern entgehen sahen. Aber stillschweigend darf Reiner am Leidenden vorübergehen, ohne ihn zu fragen, was er für eine Krankheit hat.
198. Ihre Todten bestatten sie in Honig; ihre Klaglieder sind nahezu wie die Aegyptischen. So oft ein Babylonier mit seinem Weibe sich vermischt hat, setzt er sich zu einem Weihrauchfeuer, und anderswo thut die Frau das Gleiche. Und mit Tagesanbruch baden sich Beide; rühren auch kein Gefäß an, ehe sie gebadet haben. Das thun auf gleiche Weise auch die Araber.
199. Aber der häßlichste Brauch der Babylonier ist folgender. Es muß jede Frau des Landes sich in's Heiligthum der Aphrodite setzen, und einmal im Leben mit einem Fremden sich vermischen. Viele, denen es unter ihrer Würde ist, sich unter die Andern zu mischen, aus Stolz auf ihren Reichthum, fahren auch in bedeckten Wagen, und halten am Heiligthum, mit einem großen Gefolge von Dienerschaft. Zum größten Theil aber machen sie es so. Auf heiliger Stätte der Aphrodite setzen sich, das Haupt mit einem Strick umflochten, Weiber in Menge nieder, indem die Einen zu, die Andern abgehen. Und auf schnurgeraden Wegen, die in allen Richtungen zwischen den Weibern durchlaufen, gehen die Fremden herum und halten Auswahl. Sitzt einmal eine Frau da, so kommt sie nicht eher nach Hause davon, als bis ihr einer der Fremden ein Goldstück den Schoos geworfen und außerhalb des Heiligthums sich mit ihr vermischt hat. Während dem Hinwerfen muß er soviel sprechen: "Wohlan! im Namen der Göttin Mylitta." Mylitta nämlich heißt die Aphrodite bei den Assyriern. Das Goldstück sey nun groß oder klein, sie darf es nicht zurückweisen; denn sie hat dessen kein Recht, weil es jetzt ein heiliges Geld ist. Dem Ersten, der es hinwirft, folgt sie und verachtet Keinen. Und erst, wenn sie sich vermischt und der Göttin ihren Dienst gethan hat, kommt sie davon nach Hause; und von jetzt an ist kein Geschenk so groß, daß du sie damit gewännest. Alle aber, die begabt sind mit Schönheit und Größe, kommen schnell davon; aber die Anmuthlosen darunter verwarten eine lange Zeit, ohne das Gesetz erfüllen zu können; ja die Einen und Andern warten eine Zeit von drei und vier Jahren. An einigen Orten auf Cypern ist auch nahezu derselbe Brauch.
200. Das sind die Bräuche, welche bei den Babyloniern bestehen. Unter ihnen sind auch drei Stämme, die nichts essen, als nur Fische. Wenn sie dieselben gefangen und an der Sonne gedörrt haben, machen sie es also: sie werfen sie in einen Mörser, zerreiben sie mit den Keulen, und seihen sie durch Leinen. Wer nun will, rührt sich daraus eine Art Brei; ein Anderer backt es, als Brod.
201. Als nun Cyrus auch dieses Volk bezwungen hatte, verlangte ihn, die Massageten sich zu unterwerfen. Dieses Volk, sagt man, sey groß und tapfer und wohne gegen Morgen und Sonnenaufgang, jenseits des Araxesstromes, gegenüber von den Issedoniern. 58Einige sagen auch, es sey ein Scythenstamm.
202. Von diesem Araxes (Wolga) sagt man, daß er größer und daß er kleiner sey, als der Ister, und behauptet, es seyen Inseln in ihm; nahezu von der Größe wie Lesbos, in ziemlicher Anzahl, und auf ihnen Menschen, die zu ihrer Nahrung des Sommers allerlei Wurzeln ausgraben, und von Früchten, die sie auf ihren Bäumen gefunden haben, einen Vorrath anlegen, wenn sie zeitig sind, zu ihrer Nahrung des Winters. Noch hätten sie andere Bäume gefunden, die solche Früchte tragen, daß sie dazu schaarenweise zusammenkommen, um ein Feuer anzumachen, sich ringsherum zu setzen, und dieselben in's Feuer zu werfen; dann aber, wenn sie unter'm Verbrennen der hineingeworfenen Frucht ihren Dunst einathmen, trunken werden vom Geruch, wie die Hellenen vom Wein; und je mehr sie von der Frucht darauf werfen, um so ärger trunken werden, bis sie zum Tanz aufstehen und in's Singen hineinkommen. Von Diesen also sagt man, daß sie eine solche Lebensweise haben. Der Araxesfluß aber strömt von den Matianern her, wie auch der Gyndes, den Cyrus in jene dreihundert und sechzig Rinngräben zertheilte; und bricht in vierzig Mündungen aus, die indgesammt, eine ausgenommen, in Sümpfe und Lachen ausgehen. Daselbst, sagt man, sind Menschen wohnhaft, die sich mit rohen Fischen nähren und bei denen Seehundsfelle die übliche Kleidung sind. Jene eine Mündung des Araxes aber fließt rein in das Kaspische Meer. Dieses Kaspische Meer ist für sich, und fließt nicht mit dem andern Meere zusammen. Das Meer nämlich, welches überall die Hellenen beschiffen, sowohl das jenseits der Säulen, das Atlantische genannt, als auch das Erythräische, ist wirklich nur eines.
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