1 ...8 9 10 12 13 14 ...55 Die Literatur kann dagegen wiederum über § 28 II StGB zur Bestrafung wegen Anstiftung zum Mord nach §§ 211, 26 StGB gelangen, da sie die Mordmerkmale als straferschwerend begreift und für sie daher nur ausschlaggebend ist, ob der Teilnehmer das persönliche Merkmal erfüllt.
Beispiel 3:A stiftet den B zur Tötung des C an, weil A seinen Nachbarn C wegen seines Reichtums einfach hasst und loswerden will (niedriger Beweggrund). B tötet den C tatsächlich, weil er bei C ein paar Wertsachen mitgehen lassen will (Habgier).
Lösung 3:B ist hier wieder wegen Mordes zu bestrafen (Habgier).
Zugunsten des Teilnehmers A müsste der BGH eigentlich § 28 I StGB anwenden und eine Strafmilderung zulassen, da A das Mordmerkmal des Haupttäters B fehlt. Da dem BGH dieses Ergebnis aber offensichtlich ungerecht erscheint, hat er hier die Theorie der gekreuzten Mordmerkmaleentworfen. Danach ist eine Strafmilderung nach § 28 I StGB ausgeschlossen, wenn dem Teilnehmer zwar das Mordmerkmal des Haupttäters fehlt, der Teilnehmer aber in seiner Person zumindest auch ein vergleichbares Mordmerkmal wie der Haupttäter erfüllt. Vorliegend sei dies der Fall, da Habgier nur ein Unterfall des Merkmals „niedrige Beweggründe“ sei. Letztlich wird der BGH in diesem Sinne sogar alle persönlichen Mordmerkmale für vergleichbar erklären können, sodass stets eine Kreuzung von persönlichen Mordmerkmalen denkbar ist, da auch Verdeckungs- und Ermöglichungsabsicht wohl nur besondere Formen eines „niedrigen Beweggrundes“ sind.[33]
Vorsicht:Der Teilnehmervorsatz muss sich aber auch dabei auf das vom Haupttäter verwirklichte Mordmerkmal erstrecken.
Die Literaturauffassung tut sich hier wesentlich leichter. Denn sie entscheidet wiederum nur danach, ob in der Person des Teilnehmers ein Mordmerkmal erfüllt ist und kommt daher über § 28 II StGB problemlos zu einer Bestrafung wegen Anstiftung zum Mord nach §§ 211, 26 StGB.
6. Konsequenzen für den Klausuraufbau
a) Sachverhalte ohne Teilnahmeprobleme
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Die genaue Verortung der Mordmerkmale im Prüfungsaufbau ist umstritten[34] und eine Entscheidung darüber, ob es sich bei Mord und Totschlag um selbstständige Tatbestände oder um Grund- und Qualifikationstatbestand handelt, ist grundsätzlich auch nicht erforderlich.
Sieht man § 211 StGB als eigenständiges Delikt, so bietet es sich an, § 211 StGB auch losgelöst von § 212 StGB zu prüfen. Die objektiven Mordmerkmale wären bei einem solchen Aufbau im objektiven Tatbestand des Mordes zu prüfen, während im subjektiven Tatbestand neben dem Tötungsvorsatz der Vorsatz bezüglich der objektiven Mordmerkmale (2. Gruppe) sowie sämtliche subjektiven Mordmerkmale (1. Gruppe und 3. Gruppe) anzusiedeln wären.[35]
Kopflastig mutet ein derartiger Aufbau jedoch deshalb an, weil dann die objektiven Mordmerkmale geprüft werden, bevor überhaupt feststeht, dass ein Tötungsvorsatz besteht.
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Geschickter erscheint es daher, zunächst unter einem eigenen Prüfungspunkt den Totschlag hinsichtlich Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit und Schuld vollständig abzuhandeln und sodann unter einem weiteren Prüfungspunkt den Mord im Hinblick auf das Vorliegen von objektiven bzw. subjektiven Mordmerkmalen zu untersuchen.[36] Nach der Literaturauffassung ist dies deshalb möglich, weil Totschlag und Mord ohnehin im Verhältnis von Grundtatbestand und Qualifikation stehen.[37] Aber auch nach Auffassung des BGH ist ein solches Vorgehen nicht ausgeschlossen, weil der BGH in seiner Entscheidung BGHSt 36, 231 festgestellt hat, dass jeder Mord – trotz seiner Eigenständigkeit – einen Totschlag enthält.[38]
Aber Achtung:Bei der Versuchsprüfung ist ein solcher getrennter Aufbau nicht erforderlich und vielleicht sogar zu umständlich. Denn beim Versuch müssen ohnehin sämtliche Mordmerkmale im Tatentschluss geprüft werden, und zwar sowohl die objektiven, weil sich auf sie der Tatentschluss beziehen muss, als auch alle subjektiven Mordmerkmale, weil der Tatentschluss Absichten und Motive mit umfasst. Hier bietet sich also ein gemeinsamer Aufbau an (vgl. Spurenbeseitigungs-Fall, Rn. 55 f.!).
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Bisweilen ist ein einheitlicher Aufbau – sei es beim vollendeten oder versuchten Delikt – sogar unvermeidlich, und zwar dann, wenn der Sachverhalt Mordmerkmale als problematisch aufwirft und gleichzeitig eine Rechtfertigung oder Entschuldigung in Betracht kommt. Beginnt man hier nämlich mit § 212 StGB und rechtfertigt oder entschuldigt den Täter diesbezüglich, so kann man den Mord nicht mehr sinnvoll prüfen. Um also überhaupt zu den Mordmerkmalen zu kommen, muss man hier gemeinsam aufbauen, d. h. objektive Mordmerkmale im objektiven Tatbestand sowie subjektive Mordmerkmale im subjektiven Tatbestand prüfen und erst anschließend eine Rechtfertigung oder Entschuldigung bejahen (vgl. Raubkopie-Fall, Rn. 42 f.).
b) Sachverhalte mit Teilnahmeproblemen
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Enthält der Sachverhalt Teilnahmeprobleme, so muss man sich allerdings entscheiden, ob man der Literatur (Grund- und Qualifikationstatbestand) oder der Rspr. (selbstständige Tatbestände) folgt.
Folgt man der Literatur, so ist nach dem subjektiven Tatbestand eine Tatbestandsverschiebung nach § 28 II StGB zu prüfen und in diesem Gliederungspunkt gleichzeitig die BGH-Auffassung abzulehnen, weil man zu einer Strafzumessungsverschiebung nach § 28 I StGB nicht mehr kommen kann.
Folgt man dem BGH, so ist nach dem subjektiven Tatbestand eine Tatbestandsverschiebung nach § 28 II StGB abzulehnen und nach der Schuld in der Strafzumessung eine Strafzumessungsverschiebung nach § 28 I StGB anzunehmen.
Die besseren Gründe dürften dabei für die Lit. sprechen: Denn dass die vom BGH befürwortete strikt akzessorische Betrachtung ungerecht ist, zeigt sich gerade, wenn täterbezogene Mordmerkmale in der Person des Anstifters erfüllt sind, während sie in der Person des Haupttäters fehlen. Dem Anstifter, der in seiner Person ein täterbezogenes Mordmerkmal (etwa einen niedrigen Beweggrund) erfüllt, gereicht nämlich nach der BGH-Auffassung das beim Haupttäter zu verzeichnende zufällige Fehlen persönlicher Mordmerkmale zum Vorteil. Da nämlich in einem derartigen Fall § 28 I StGB nicht anwendbar ist (das Merkmal fehlt beim Teilnehmer ja nicht, sondern es ist vorhanden), kann der Anstifter nur streng akzessorisch nach §§ 212, 26 StGB bestraft werden. In einem Schuldstrafrecht, in dem jeder Täter grundsätzlich nach seiner eigenen Schuld zu bestrafen ist, kann ein solches Ergebnis nicht akzeptiert werden. Denn anders als bei den objektiven Mordmerkmalen, die zu Recht rein akzessorisch behandelt werden, weil sie an der Tat anknüpfen, weisen die subjektiven Mordmerkmale zumindest auch einen an der Person orientierten Schuldbezug auf, der eine strikte tatbestandsakzessorische Behandlung zwingend ausschließen muss.
Aber auch im umgekehrten Fall führt die Auffassung des BGH von der Selbstständigkeit der Tatbestände zu unbilligen und unpraktischen Ergebnissen. Fehlt nämlich das täterbezogene Mordmerkmal (z. B. niedriger Beweggrund) beim Teilnehmer, während der Haupttäter ein solches aufzuweisen hat, so verurteilt der BGH im Falle der Kenntnis des Mordmerkmals akzessorisch wegen Teilnahme am Mord und mildert die Strafe nach §§ 28 I, 49 I StGB. Nach § 49 I Nr. 1 StGB würde dies dann für die Anstiftung zum Mord zu einem Strafrahmen von drei bis fünfzehn Jahren führen, während die Strafe für die eigentlich in der Person des Teilnehmers verwirklichte Anstiftung zum Totschlag bei fünf bis fünfzehn Jahren liegen würde. Zur Vermeidung dieses Wertungswiderspruchs ist der BGH in einer Entscheidung aus dem Jahre 2006[39] davon ausgegangen, dass die für eine Beteiligung am Totschlag zu verhängende Mindeststrafe eine „Sperrwirkung“ entfaltet, sodass diese Mindeststrafe nicht unterschritten werden kann. Man sieht hieran, dass der BGH durch seine Auffassung immer wieder zu neuen „Schönheitskorrekturen“ gezwungen ist, die bei einer Anwendung der Literaturauffassung nicht erforderlich sind. Immerhin hat der 5. Senat des BGH in einer aufsehenerregenden Entscheidung[40] selbst darauf hingewiesen, dass der Rspr. zum Verhältnis von Mord und Totschlag mit gewichtigen Argumenten entgegengehalten wird, dass sie zu unüberbrückbaren Wertungswidersprüchen führt und unnötig kompliziert sei. Zugrunde lag dieser beachtenswerten, aber leider vereinzelt gebliebenen Entscheidung folgender
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