Smith hielt es für richtig, dass sich Regierungen nicht in den Handel einmischten, eine Ansicht, die von anderen schottischen Denkern, etwa dem Philosophen David Hume, geteilt wurde. Der französische Autor Pierre de Boisguilbert hatte zuvor geschrieben: »Lasse die Natur nur machen« – was so viel heißen sollte wie: »Lasse die Wirtschaft nur machen«. Der Ausdruck »Laisser-faire« bezeichnet in der Wirtschaftslehre eine möglichst geringe Einmischung des Staates. Smith sprach der Regierung allerdings die wichtige Rolle zu, für die militärische Verteidigung, Rechtsprechung und bestimmte »öffentliche Güter« zu sorgen.
Smith war im Wesentlichen ein Optimist. Der englische Philosoph Thomas Hobbes hatte zuvor behauptet, ohne eine starke Autorität sei das menschliche Leben »scheußlich, tierisch und kurz«. Der britische Ökonom Thomas Malthus betrachtete den Markt und sagte als direkte Folge des steigenden Wohlstands eine Hungersnot voraus. Später sollte Karl Marx prophezeien, Marktwirtschaft führe zur Revolution. Smith jedoch sah die Gesellschaft als funktional und die gesamte Wirtschaft als erfolgreiches System an. Zwar erwähnt er die »unsichtbare Hand« nur einmal in seinem fünfbändigen Werk, aber ihre Gegenwart ist häufig spürbar. Smith beschrieb, wie sein System der »vollkommenen Freiheit« zu positiven Resultaten führen könne. Erstens bietet es die Güter, die die Menschen brauchen. Ist die Nachfrage größer als das Angebot, rivalisieren die Verbraucher und der Preis steigt. Für die Hersteller ergibt sich die Möglichkeit, Gewinn zu machen, sodass sie darum konkurrieren, mehr von dem Gewünschten anzubieten. Dieses Argument hat die Zeit überdauert. In seinem Aufsatz Die Verwertung des Wissens in der Gesellschaft von 1945 legt der österreichische Ökonom Friedrich von Hayek dar, wie Preise auf die örtlich begrenzten Informationen und Wünsche der Individuen reagieren und so die nachgefragte Menge und das Angebot am Markt verändern. Ein zentraler Planer, so Hayek, könnte niemals so viele verstreute Informationen sammeln. Heute herrscht die Ansicht, dass der Kommunismus in Osteuropa zusammenbrach, weil die Planwirtschaft die Menschen nicht zufriedenstellen konnte. Smiths erster Punkt wird allerdings durchaus kritisiert, denn der Markt könnte z. B. nur Güter für reiche Menschen liefern und die Wünsche der Armen ignorieren. Außerdem reagiert er oft auch auf schädliche Wünsche – wenn er beispielsweise Drogenkonsum oder Fettleibigkeit fördert.
Zweitens sagt Smith, das Marktsystem sorge für »gerechte« Preise. Alle Waren hätten einen natürlichen Preis, der genau den Aufwand ihrer Herstellung widerspiegele. Das Land, das der Erzeugung eines Produkts dient, soll seine natürliche Pacht verdienen. Das Kapital, das der Herstellung dient, soll seinen natürlichen Gewinn erwirtschaften. Auch die Arbeit soll ihren natürlichen Lohn erhalten. Marktpreise und Renditen können zeitweise von ihrem natürlichen Niveau abweichen, beispielsweise bei einer Knappheit. Dann ergeben sich Gewinnmöglichkeiten und die Preise steigen, aber nur bis neue Firmen auf den Markt kommen und die Preise wieder auf ihr natürliches Niveau fallen. Erlebt ein Industriezweig eine Rezession, sinken Preise und Löhne, aber ein anderer, aufstrebender Industriezweig kann den Arbeitern höhere Löhne bieten. Auf lange Sicht, sagt Smith, sind Marktpreis und natürlicher Preis dasselbe.
»Der Verbrauch allein ist Ziel und Zweck einer jeden Produktion. «
Adam Smith
Wettbewerb ist unerlässlich, wenn die Preise gerecht sein sollen. Smith wandte sich gegen die Monopole unter dem merkantilistischen System, in dem der Staat den Außenhandel kontrollieren sollte. Wenn es nur einen Anbieter gibt, kann er den Preis ständig über dem natürlichen Niveau halten. Mit 20 Metzgern auf dem Markt ist der Wettbewerb größer als mit zweien. Bei funktionierendem Wettbewerb und niedrigen Marktschranken sind die Preise niedriger. Viele Ökonomen teilen diese Ansicht vom Wettbewerb, auch wenn es Abweichler wie Joseph Schumpeter gibt, der später sagen sollte, auch Innovation könne die Preise sinken lassen, selbst ohne Wettbewerb. Wenn Erfinder Produkte von höherer Qualität zu einem niedrigeren Preis anbieten, zerstören sie bestehende Firmen in einem Sturm der »schöpferischen Zerstörung«.
Smith beschrieb,wie Arbeitskräfte, Landeigentümer und Kapital (hier in Pferde und Pflug investiert) zusammenwirken, damit das Wirtschaftssystem in Bewegung bleibt und wächst.
Smith glaubte auch, Marktwirtschaften sorgten für gerechte Einkommen – Geld, das in einem nachhaltigen Kreislauf für Waren ausgegeben werden könne: Die Löhne zirkulieren zurück in die Wirtschaft, wenn die Arbeiter für Güter bezahlen, nur um wieder Lohn zu erhalten – und so weiter. Kapital, das in Produktionseinrichtungen investiert wird, erhöht die Produktivität, was bedeutet, dass die Arbeitgeber höhere Löhne zahlen können. Und das werden sie auch tun, weil sie in einem Wettbewerb um die Arbeitskräfte stehen.
Im Hinblick auf das Kapital sagte Smith, der Profit, der durch Investitionen zu erwarten sei, entspreche in etwa dem Zinssatz. Das liegt daran, dass die Arbeitgeber miteinander um Kredite konkurrieren, die sich profitabel investieren lassen. Mit der Zeit sinkt die Gewinnrate in allen Bereichen, wenn sich Kapital ansammelt und die Chancen auf Profit erschöpft sind. Die Mieten steigen, wenn die Einkommen steigen und mehr Land benötigt wird.
Smiths Einsicht in die Zusammenhänge zwischen Land, Arbeit und Kapital war ein echter Durchbruch. Ihm fiel auf, dass Arbeiter und Landeigentümer dazu neigen, ihre Einnahmen zu verbrauchen, während Arbeitgeber sparsamer sind und in ihr Grundkapital investieren. Er sah, dass Löhne je nach Fähigkeit, Geschicklichkeit und Urteilsvermögen variieren, und dass es zwei Formen von Arbeit gibt: »produktive« (in der Landwirtschaft oder Herstellung) und »unproduktive« (Dienstleistungen, die die »wichtige« Arbeit unterstützen). Die höchst unsymmetrischen Ergebnisse der heutigen Marktwirtschaft liegen allerdings weit von Smiths Vorstellungen entfernt.
Smith glaubte, die unsichtbare Hand selbst stimuliere das Wirtschaftswachstum. Er machte einen zweifachen Ursprung des Wachstums aus. Erstens steigt durch Arbeitsteilung die Effizienz: Ökonomen sprechen hier vom »Smith-Wachstum«. Werden mehr Produkte hergestellt und verbraucht, wachsen die Wirtschaft und die Märkte ebenso wie die Möglichkeiten zur Spezialisierung.
Die Nachfrage auf einem Marktkann sich aus vielerlei Gründen ändern. Der Markt reagiert darauf mit einer Veränderung des Angebots. Das geschieht spontan – es gibt keinen Grund für Eingriffe in einen Markt, der auf dem Wettbewerb unter eigennützigen Leuten beruht.
Der zweite Wachstumsmotor ist die Anhäufung von Kapital – durch Sparen und Gewinnmöglichkeiten. Allerdings sieht Smith auch, dass sich Wachstum verringern kann: durch geschäftliche Fehlschläge, fehlende Mittel zur Erhaltung des Anlagekapitals, ein inadäquates Geldsystem und einen hohen Anteil unproduktiver Arbeitskräfte. Smith zufolge ist Kapital in der Landwirtschaft produktiver als in der Herstellung, die wiederum produktiver ist als der Handel und das Transportwesen. Letztlich wächst die Wirtschaft, bis sie einen wohlhabenden, stabilen Zustand erreicht hat. Damit unterschätzte Smith die Rolle von Technologie und Innovation – das oben beschriebene Schumpetersche Wachstum.
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