1819
Jean Charles Léonard de Sismondi beschreibt Konjunkturzyklenund den Unterschied zwischen langfristigem Wachstum und kurzfristigen Schwankungen.
1791
Jeremy Bentham legt seine Theorie des Utilitarismusdar, deren Ziel »das größte Glück der größten Zahl von Personen« ist.
1798
Thomas Malthuswarnt vor der Gefahr, die Bevölkerungszahl könne die Ressourcen überflügeln, und vor dem Leid, das das bedeuten würde.
1817
David Ricardo legt die Grundlage für die klassische Ökonomiedes 19. Jh. Er plädiert für Freihandel und Spezialisierung bei der Arbeit.
1819
Die USA erleben im Anschluss an eine Phase nachhaltigen Wachstums die erste große Finanzkrise.
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts ereigneten sich in weiten Teilen der Welt gewaltige politische Veränderungen. Das sogenannte Zeitalter der Vernunft brachte Wissenschaftler hervor, deren Entdeckungen zu neuen Technologien führten, die die Produktion grundlegend veränderten. Gleichzeitig hatten Revolutionen in Frankreich und Nordamerika eine profunde Wirkung auf die sozialen Strukturen der Alten und der Neuen Welt. Im Bereich der Wirtschaft stieß ein neuer wissenschaftlicher Ansatz die alte merkantilistische Sicht der Dinge mit ihrem geschützten Handel und dem Export als Mittel zur Erhaltung des Wohlstands von ihrem Podest. Gegen Ende der Koalitionskriege 1815 hatte in Europa und insbesondere Großbritannien eine Industrialisierung ungekannten Ausmaßes begonnen. Um dieser neuen, sich rasant entwickelnden Wirtschaftswelt zu begegnen, war ein neuer Zugang erforderlich.
Der rational-ökonomische Mensch
Ein Ökonom, der sich dieser neuen Herausforderung besonders erfolgreich stellte, war Adam Smith. Er war im Denken der britischen Aufklärer John Locke und David Hume verwurzelt und begegnete dem Thema zunächst aus moralphilosophischer Sicht. Mit seinem berühmten Werk Der Wohlstand der Nationen aus dem Jahr 1776 legte er schließlich jedoch eine umfassende Analyse der Marktwirtschaft und ihres Beitrags zum Wohlergehen der Menschen vor. Von zentraler Bedeutung ist dabei das Konzept des »rationalökonomischen Menschen«. Smith meinte, Individuen träfen wirtschaftliche Entscheidungen auf der Grundlage von Vernunft und Eigeninteresse. Solange man ihnen in einer freien Gesellschaft mit ihren Wettbewerbsmärkten erlaube, sich so zu verhalten, werde eine »unsichtbare Hand« die Wirtschaft zum Wohle aller leiten. Dies war die erste Beschreibung einer freien Marktwirtschaft, in der Smith das Mittel sah, Wohlstand und Freiheit für alle zu sichern. Sie gilt als Meilenstein in der Entwicklung der Wirtschaftslehre. Smiths Ansatz wird häufig als »klassische Ökonomie« bezeichnet. Im Wesentlichen handelt es sich um eine Beschreibung dessen, was wir heute als Kapitalismus kennen. Doch Der Wohlstand der Nationen war weit mehr als eine Beschreibung der Makroökonomie. Smith untersuchte in seiner Abhandlung auch Aspekte wie die Arbeitsteilung und ihren Beitrag zum Wachstum, und er stellte die Frage, welche Faktoren an der Festlegung des Werts von Gütern beteiligt waren. Die Veröffentlichung von Smiths Werk traf zufällig genau mit dem Beginn der Industriellen Revolution in Großbritannien zusammen. Smiths Ideen stießen auf ein interessiertes Publikum, das bemüht war zu verstehen, wie die Wirtschaft funktionierte und wie man sich ihre Funktionsweise zunutze machen konnte. Sein Werk war enorm einflussreich, weil es sich mit vielen aktuellen Fragen auseinandersetzte. Insbesondere thematisierte Smith die Rolle des Staates in einer industriellen, kapitalistischen Gesellschaft. Seiner Meinung nach sollte sich die Regierung möglichst zurückhalten und sich nicht unnötig in das Wirtschafts gescheheneinmischen.
Das Ende des Protektionismus
Der britische politische Ökonom David Ricardo gehörte zu Smiths einflussreichsten Anhängern. Als entschiedener Vertreter des Freihandels schlug er den letzten Nagel in den Sarg des Protektionismus, indem er zeigte, wie auch die weniger produktiven Länder vom freien Handel profitieren konnten. Auch Thomas Malthus, ein britischer Geistlicher und Gelehrter, war ein Anhänger Smiths. Heute ist er vor allem berühmt für seine düsteren Prophezeiungen des Leids, das die Folge wäre, sollte die Bevölkerung schneller wachsen als die Ressourcen, die sie ernährten. Viele von Smiths Ideen wurden auch von den französischen Physiokraten übernommen, insbesondere von Anne Robert Jacques Turgot und François Quesnay, der sich für eine gerechte Besteuerung einsetzte, und von Jean-Baptiste Say, der als erster die Beziehung zwischen Angebot und Nachfrage in einer Marktwirtschaft beschrieb.
Natürlich waren nicht alle mit Smiths Analyse einverstanden. Im 19. Jahrhundert sollte es bald eine starke Reaktion auf die Vorstellung einer rein vom freien Markt geprägten, kapitalistischen Wirtschaft geben. Aber die klassischen Ökonomen des frühen Industriezeitalters beschäftigten sich mit Fragen, die noch heute im Zentrum der Wirtschaftswissenschaften stehen. 
DER MENSCH IST EIN KALTER, RATIONALER RECHNER
DER ÖKONOMISCHE MENSCH
IM KONTEXT
SCHWERPUNKT
Entscheidungsfindung
VORDENKER
Adam Smith(1723–1790)
FRÜHER
um 350 v. Chr.Der griechische Philosoph Aristoteles hält das Eigeninteresse für die primäre ökonomische Triebkraft.
1750er-JahreDer französische Ökonom François Quesnay sieht im Eigennutz das Motiv aller ökonomischen Aktivität.
SPÄTER
1957Der US-Ökonom Herbert Simon stellt fest, Menschen seien nicht in der Lage, alle Informationen zu jedem Thema zu verarbeiten, daher sei ihre Rationalität begrenzt.
1992Der US-Ökonom Gary Becker erhält den Nobelpreis für seine Arbeit über rationale Entscheidungen in den Bereichen Diskriminierung, Kriminalität und Humankapital.
Die meisten ökonomischen Modelle gehen von der Annahme aus, dass Menschen im Wesentlichen rationale, eigennützige Wesen sind. So definiert sich auch der Homo oeconomicus, der »ökonomische Mensch«: Er – oder sie – bewertet vernünftig alle Fakten und trifft daraufhin Entscheidungen, die darauf ausgerichtet sind, das persönliche Wohlergehen zu maximieren. Dabei geht es darum, mit möglichst geringem Aufwand den größtmöglichen Nutzen (Zufriedenheit) zu erzielen. Diesen Gedanken äußerte zuerst Adam Smith in seinem Werk Der Wohlstand der Nationen aus dem Jahr 1776.
Nach Smiths zentraler Überzeugung sind die wirtschaftlichen Interaktionen der Menschen vor allen Dingen vom Eigeninteresse bestimmt: »Nicht vom Wohlwollen des Metzgers, Brauers und Bäckers erwarten wir das, was wir zum Essen brauchen, sondern davon, dass sie ihre eigenen Interessen wahrnehmen.« Anbieter maximieren ihren eigenen Profit – ob wir satt werden, interessiert sie wenig.
Smiths Gedanken wurden im 19. Jahrhundert von dem britischen Philosophen John Stuart Mill weiterentwickelt. Nach Mills Ansicht strebten alle Menschen nach Reichtum – und er meinte damit nicht nur Geld, sondern alle angenehmen Dinge. Individuen seien von dem Wunsch motiviert, mit möglichst geringem Aufwand größtmögliches Wohlergehen zu erreichen.
Читать дальше