Hauptwerke
1903 Die Seelen der Schwarzen
1920 Darkwater: Voices from Within the Veil
1939 Black Folk, Then and Now
DIE ARMEN WERDEN VON NORMALEN LEBENSENTWÜRFEN, VON ALLTÄGLICHEN GEWOHNHEITEN UND AKTIVITÄTEN AUSGESCHLOSSEN
PETER TOWNSEND (1928–2009)
IM KONTEXT
SCHWERPUNKT
Relative Armut
WICHTIGE DATEN
1776Der schottische Ökonom Adam Smith sagt: Die Notwendigkeiten des Lebens umfassen das, »was die Gewohnheiten ehrbarer Leute eines Landes, selbst des niedersten Standes, für das Mindeste halten«.
1901Der britische Soziologe Seebohm Rowntree veröffentlicht Poverty: A Study in Townlife .
1979Peter Townsend veröffentlicht Poverty in the United Kingdom .
1999Die britische Regierung gibt eine Studie zur Armut und zum gesellschaftlichen Ausschluss in Großbritannien in Auftrag.
2013Der französische Wirtschaftswissenschaftler Thomas Piketty veröffentlicht Das Kapital im 21. Jahrhundert .
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts definierte der britische Sozialreformer Seebohm Rowntree Armut als Zustand, in dem »der gesamte Verdienst nicht mehr für das Nötigste ausreicht, um die rein körperliche Leistungsfähigkeit aufrechtzuerhalten«. Dies gilt als Definition des »Existenzminimums«, nach dem Regierungen die Kosten für die Grundversorgung eines Menschen (Lebensmittel, Miete, Brennstoff, Kleidung) berechnen.
Tafelnwerden in den letzten Jahren immer dringender benötigt. Sie versorgen Bedürftige nicht nur mit dem Nötigsten, sondern auch mit Lebensmitteln, die heute als normal gelten.
1979 argumentierte der britische Soziologe und Mitbegründer einer Aktionsgruppe gegen Kinderarmut, Peter Townsend, indes, »Armut« dürfe nicht nach absoluten, sondern müsse nach relativen Benachteiligungsmaßstäben definiert werden – und zeigte, dass jede Gesellschaft einen Durchschnittswert hinsichtlich der Lebensbedingungen (Ernährung, Annehmlichkeiten, Aktivitäten gesellschaftlicher Teilhabe usw.) aufweist. Dort, wo Individuen oder Familien nicht die Mittel dafür haben, sind sie vom normalen Leben ausgeschlossen und gesellschaftlich benachteiligt. Auch andere Faktoren, z. B. schlechte Gesundheit und Ausbildung, müssen dabei berücksichtigt werden.
Der Annahme, dass in wohlhabenden Gesellschaften die Armut geringer wird, hielt Townsend die Gefahr der größer werdenden Diskrepanz zwischen Arm und Reich entgegen: Wenn eine Gesellschaft reicher, die Einkommensverteilung jedoch ungleichmäßiger wird, erhöht sich die Anzahl armer Menschen. 
THERE AIN’T NO BLACK IN THE UNION JACK
PAUL GILROY (GEB. 1956)
IM KONTEXT
SCHWERPUNKT
Rassismus
WICHTIGE DATEN
18.–19. Jh.Biologisch begründete Rassentheorien dienen zur Rechtfertigung von Sklaverei und Kolonialismus.
1930er-JahreDie Nationalsozialisten benutzen den Begriff »Rasse« zur Rechtfertigung politischer Ungerechtigkeit und propagieren »Rassenreinheit«.
1950Die UNESCO erklärt »Rasse« zu einem gesellschaftlichen Mythos.
1970er-JahreMichel Foucault legt dar, dass biologische und Rassentheorien im Zuge des Kolonialismus entstanden.
1981Die Soziologin Anne Wortham publiziert The Other Side of Racism und macht fünf schwarze Bewegungen aus, die die Gesellschaft daran hindern, den Rassismus zu überwinden.
1987Paul Gilroy veröffentlicht There Ain’t No Black in the Union Jack .
In seinem Buch There Ain’t No Black in the Union Jack (»Schwarz« gibt es in der britischen Flagge nicht) untersucht der britische Soziologe Paul Gilroy den Rassismus seines Landes im 20. Jahrhundert. Die beinahe obsessive Sorge um den »nationalen Niedergang« der 1970er-Jahre schrieben seinerzeit viele, so Gilroy, »einer Schwächung der eigenen homogenen und fortdauernden Größe« zu – v. a. durch die Einwanderung vieler Schwarzer.
Gilroy zeigt, dass fixierte Begriffe von Nationalität (z. B. »Deutschsein«) nicht rassistisch gemeint sein müssen, aber rassistische Konsequenzen haben. So hatten Autoren im 20. Jahrhundert beim Versuch, »Britishness« zu definieren, stets ein weißes Großbritannien im Auge. Man verweigerte Schwarzen die nationale Zugehörigkeit aus Gründen der »Rasse« und ging davon aus, ihre Loyalität läge anderswo.
Gilroy sieht den Rassegedanken – wenngleich historisch und politisch gewachsen – in erster Linie als gesellschaftliches Konstrukt. Wo andere eine Diskussion über Volkszugehörigkeit (Ethnizität) und Kultur propagieren, schlägt er vor, diese insgesamt fallenzulassen. Welche Begriffe wir auch benutzen: Indem wir ungleiche Menschen in verschiedene Gruppen einteilen, kreieren wir einen falschen Gedanken von »natürlichen« Kategorien, der nur zwischen »ihnen« und »uns« unterscheidet.
Gilroy zufolge bleiben wir mit diesen Diskussionen in dem verstrickt, was er »Rassenkunde« nennt: ein Diskurs, der Stereotype, Vorurteile, Bilder und fixierte Identitäten übernimmt. Antirassisten mögen damit die Position von Rassisten umkehren wollen. Der Gedanke des Rassismus lässt sich indes nicht vollständig verdrängen. Die Lösung, so Gilroy, liegt darin, das Akzeptieren rassischer Unterschiede als unausweichliche Gegebenheit zu verweigern und stattdessen »eine Fähigkeit [zu entwickeln], politische, ökonomische und gesellschaftliche Systeme vorzustellen, in denen sich ›Rasse‹ erübrigt.« 
EIN GEFÜHL VOM EIGENEN PLATZ IN DER GESELLSCHAFT
PIERRE BOURDIEU (1930–2002)
IM KONTEXT
SCHWERPUNKT
Habitus
WICHTIGE DATEN
1934Die Arbeiten des französischen Soziologen und Anthropologen Marcel Mauss zu Körpertechniken legen den Grundstein für Bourdieus Habitus-Konzept.
1958Max Weber konstatiert: Wer zu einem bestimmten Kreis gehören möchte, von dem wird man einen bestimmten Lebensstil erwarten.
1966Der englische Historiker E.P. Thompson sagt: Klasse ist »eine Beziehung, die stets in realen Menschen und in einem realen Kontext eingebettet sein muss«.
2003Die US-amerikanische Kulturtheoretikerin Nancy Fraser sagt: In der kapitalistischen Gesellschaft wirken zwei interagierende Systeme der Unterordnung – die Klassenstruktur und die Statusordnung.
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