Die Bedingungenin Produktionsanlagen der Halbleiterindustrie – wo Arbeiter Schutzanzüge und -masken tragen – verhindern die Interaktion und sind ein Symptom der Rationalisierung.
Max Weber
Max Weber – neben Karl Marx und Émile Durkheim einer der Gründerväter der Soziologie – wuchs in einer Erfurter Mittelschichtfamilie auf. 1888 promovierte er und lehrte anschließend in Berlin, Freiburg und Heidelberg. Seine Kenntnisse in Ökonomie, Geschichte, Politik, Religion und Philosophie legten das Fundament für sein breit gefächertes soziologisches Gedankengebäude.
Max Webers wissenschaftliches Vermächtnis ist überragend. Sein persönliches Leben indes war auch von Sorgen geplagt, und 1897 erlitt er nach dem Tod seines Vaters einen Zusammenbruch. Obwohl er 1920 mit nur 56 Jahren viel zu früh starb, gehört seine Beschreibung der Rolle des Protestantismus beim Aufstieg des Kapitalismus bis heute zu den großen Erkenntnissen der Soziologie.
Hauptwerke
1904/05 Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus
1919 Wissenschaft als Beruf
1921/22 Wirtschaft und Gesellschaft; Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie (3 Bände)
VIELE PERSÖNLICHE PROBLEME MÜSSEN IM SINNE ÖFFENTLICHER BELANGE VERSTANDEN WERDEN
CHARLES WRIGHT MILLS (1916–1962)
IM KONTEXT
SCHWERPUNKT
Die soziologische Denkweise
WICHTIGE DATEN
1848Marx und Engels beschreiben in Das kommunistische Manifest den historischen Fortschritt als Klassenkampf sowie den Konflikt zwischen Bourgeoisie und Proletariat.
1899Thorstein Veblen sagt in Theorie der feinen Leute , dass die Oberklasse auf Kosten des Fortschritts oder der sozialen Wohlfahrt nach Profit strebt.
1904/05Max Weber beschreibt in Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus eine vielschichtige Gesellschaft infolge von ökonomischer und politischer Macht sowie gesellschaftlichem Ansehen.
1975Michel Foucault untersucht in Überwachen und Strafen Macht und Widerstand.
Im Kalten Krieg – v. a. während der McCarthy-Ära und ihrer antikommunistischen Hetzjagd – nahmen nur wenige Soziologen in den USA öffentlich einen sozialistischen Standpunkt ein. C. Wright Mills indes schwamm von Anfang an gegen den Strom. In seinen einflussreichsten Büchern kritisierte er die militärische und wirtschaftliche Machtelite seiner Zeit.
Zur Zeit der »Roten Angst« der 1940er- und 1950er-Jahre riskierte er nicht nur den Konflikt mit dem Staat, sondern auch mit etablierten Soziologen. Er war jedoch kein Apologet des Marxismus und legte eine Kritik an den Auswirkungen der Moderne vor, in der er die Selbstzufriedenheit der Intellektuellen seiner Zeit anprangerte. Sie hatten, so Mills, die Unterdrückung der »Massengesellschaft« zugelassen.
Mills war ein brillanter und kompromissloser Soziologiestudent, der das Werk Max Webers bewunderte und dessen Ideen zur Rationalisierung das eigene zentrale Thema stark beeinflussten.
Entmenschlichte Gesellschaft
Weber sah die moderne Gesellschaft als Resultat eines entmenschlichenden Prozesses, der traditionelle Werte und Bräuche durch eine zweckrationale Entscheidungspraxis ersetzte und nicht nur die Kultur, sondern auch die Struktur der Gesellschaft betraf. Von ihm übernahm C. Wright Mills auch den Begriff »Schicht« (statt des Marxschen Zwei-Klassen-Modells), der neben ökonomischer auch die politische Macht sowie den sozialen Status miteinbezog. Mills sah in Webers Theorien einen weit radikaleren Ansatz, als dies bisher verstanden wurde, und startete eine eigene Untersuchung zu den Auswirkungen der Rationalisierung in der westlichen Gesellschaft des 20. Jahrhunderts.
Dabei legte er sein Augenmerk zunächst auf die Arbeiterschicht in den USA und kritisierte allen voran die Gewerkschaften dafür, dass sie mit den Kapitalisten zusammenarbeiteten und so die Unterdrückung der Arbeiter weiter möglich machten. Sein Angriff auf den Kapitalismus war indes kein marxistischer; denn Mills zufolge hatte sich Marx nicht genügend mit den sozialen und kulturellen Themen befasst, die mit der Herrschaft der gewerblichen Wirtschaft einhergingen.
Als Nächstes untersuchte er das offensichtlichste Produkt der Rationalisierung: die bürokratische Mittelschicht. Mills zufolge hatte sich die amerikanische Mittelschicht Mitte des 20. Jahrhunderts vom Produktionsprozess entfremdet, von traditionellen Werten wie Stolz und fachliches Können verabschiedet und aufgrund immer mehr um sich greifender Rationalisierung entmenschlicht. Ihre Angehörigen waren »fröhliche Roboter«, die sich an materiellen Dingen ergötzten, intellektuell, politisch und sozial jedoch apathisch und ohne jegliche Kontrolle über ihre eigenen Umstände waren.
Das Versagen der Arbeiterschicht und die Unfähigkeit der Mittelschicht, die Kontrolle zu übernehmen, erlaubten einer Machtelite (»power elite«) die Gestaltung der Gesellschaft. Diese war, wie Mills betonte, keine rein wirtschaftliche Elite, sondern schloss militärische, politische und Gewerkschaftsführer mit ein: Der militärisch-industrielle Komplex markierte einen Wendepunkt in der Entwicklung der modernen Gesellschaft hin zu dem, was Mills die »vierte Epoche« nannte – in der die Rationalisierung, die Freiheit und sozialen Fortschritt hatte bringen sollen, mehr und mehr gegenteilige Auswirkungen zeigte.
»Jeder sei sein eigener Methodologe und jeder sein eigener Theoretiker. «
C. Wright Mills
Dies war nicht allein ein Problem liberaler Demokratien, die sich zunehmend außerstande sehen könnten, gesellschaftliche Veränderungen zu kontrollieren, sondern auch der kommunistischen Staaten, in denen sich der Marxismus als gleichermaßen kontrollunfähig gezeigt hatte. Als Kern des Problems sah Mills die Tatsache, dass die Menschen in der Massengesellschaft sich nicht im Klaren darüber waren, wie weitgehend ihr Leben durch die Konzentration der politischen und gesellschaftlichen Macht beeinflusst wurde. Sie führten ihr Leben, ohne zu begreifen, wie die Dinge, die ihnen zustießen, in einen größeren Gesellschaftszusammenhang gehörten. Jede individuelle Sorge – ob Schulden, Arbeits- oder Obdachlosigkeit usw. – wurde als persönliches Schicksal und nicht im Kontext historischgesellschaftlicher Veränderungen gesehen. Wie Mills sagt: »Sie besitzen nicht diejenige Geistesverfassung, die wesentlich wäre, um das Ineinanderspiel von Mensch und Gesellschaft, von Biografie und Geschichte, des Selbst und der Welt zu erfassen.« Eben diese Fähigkeit bezeichnete er als »das soziologische Denkvermögen«.
»Weder das Leben der Einzelnen noch die Geschichte einer Gesellschaft können verstanden werden, wenn man beides nicht zusammen sieht. «
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