1 ...6 7 8 10 11 12 ...19 „Muss das wirklich sein?“
Natürlich wusste Connor, worauf Leo anspielte und lächelte schief. „Ja, es muss tatsächlich sein. Das ist mein Wohlfühl-Outfit. Gibt es irgendetwas daran auszusetzen?“ Provozierend streifte er sich ein ausgeleiertes T-Shirt über und glättete sich die widerspenstigen, feuchten Haare mit den Fingern.
„Wann wirst du endlich begreifen, dass nicht jeder so schauderhaft frisch und erholt aussehen kann wie du?“, beruhigend tätschelte er Holmes‘ Schulter. „Und nun mach, dass du rauskommst. Die Dame wird meinen Anblick schon ertragen.“
„Ich sollte vielleicht besser bleiben“, Holmes‘ Blicke wanderten kritisch durch den Raum. „Na ja, wenigstens ist es aufgeräumt.“
„Meine Güte, Leo, du benimmst dich wie meine Gouvernante.“ Connor schlüpfte in seine Espadrilles.
„Ich werde das Interview schon schaukeln, mach dir keine Gedanken. Es ist doch nicht mein erstes.“
„Eben“, Holmes blickte ihn skeptisch an. „Versprich mir, dass du nicht ausfallend oder sarkastisch wirst. Wir können keine weitere negative Publicity gebrauchen.“
„Das weiß ich inzwischen. Das läuft bei dir in Endlosschleife. Was glaubst du, warum ich mich auf diese Unterhaltungssendung und diesen“ – er machte eine abwertende Handbewegung – „Quatsch hier eingelassen habe?“
„Es ist kein Quatsch“, Holmes verlor langsam die Geduld. „Es gehört zu deinem Job, wann begreifst du das endlich?“
„Mein Job besteht darin, vernünftige Filme zu drehen und nicht, dumme Fragen zu beantworten.“
„Doch, genau darin besteht ein Teil deiner Aufgabe“, Holmes wurde laut. „Denn du musst dich, deine Filme, halt die ganze Person verkaufen – und dazu gehören eben auch Interviews und PR-Auftritte. Langsam bin ich es leid, dir das stets aufs Neue erklären zu müssen. Ganz abgesehen davon, dass du nicht nur für dich verantwortlich bist, sondern für das gesamte Team und die Menschen, die für dich arbeiten.“
„Schon gut“, Connor lenkte ein. „Ich habe keine Lust, mich mit dir zu streiten. Du hast wahrscheinlich recht – wie immer.“ Er zuckte mit den Schultern. „Sorry, ich gebe dir mein Wort, dass ich alles zu deiner Zufriedenheit erledigen werde. Ich bemühe mich, höflich, charmant und zuvorkommend zu sein. Ein vollendeter Gentleman eben, aber in einer verwaschenen Jeans.“ Er grinste Leo müde an. „Und jetzt verschwinde, ehe sie hier auftaucht, okay.“
„Wie du meinst.“ Widerstrebend verließ Holmes die Suite. Es war schon angenehmer gewesen, mit seinem Schützling zusammenzuarbeiten. Weiß Gott, das war es.
Connor warf einen letzten Blick in den Spiegel, als es erneut klopfte.
„Auf geht‘s“, murmelte er sich aufmunternd zu, ehe er die Tür öffnete.
Grüne Augen, das war das Erste, was ihm auffiel. Sie hatte unglaublich grüne Augen und wunderschönes, kastanienbraunes Haar, das ihr glänzend auf die Schulter fiel. Leicht irritiert bat er sie herein. Er musste zugeben, er war positiv überrascht. So hübsch hatte er sich die angekündigte Emily Simon nicht vorgestellt. Wie alt sie wohl sein mochte? Vielleicht Ende zwanzig, Anfang dreißig. Egal, sie strahlte eine natürliche Schönheit aus, die ihm gefiel. Ein angenehmer Gegensatz zu den vielen hübschen Kunstgeschöpfen der Filmbranche, die ihn ansonsten umgaben. Fast hätte er aufgelacht, als er bemerkte, dass auch sie Jeans trug. Was Leo wohl dazu gesagt hätte? Den Champagner, den er ihr anbot, lehnte sie ab und verlangte stattdessen nach einem Saft. Connor nahm sich bewusst Zeit, ihren Wunsch zu erfüllen. Diese Zeit brauchte er, um den ersten Eindruck auf sich wirken zu lassen. Sicher würde auch sie ihn mustern, denn Neugierde gehörte schließlich zu ihrem Metier. Sie schien in Gedanken versunken, als er zu ihr trat, um ihr das Glas Orangensaft zu reichen. Bislang hatte sie noch nicht viel gesagt, sich nur über seine deutschen Sprachkenntnisse gewundert. Eine Reaktion, die ihm durchaus geläufig war. Dennoch beschloss er, sich durch diese Taktik nicht aus der Reserve locken zu lassen. Seiner Erfahrung nach konnte es nur schaden, zu redselig zu sein. Klar, auch die Presse wollte leben, aber bitte nicht auf seine Kosten. Erstaunlicherweise schien sie sich unbehaglich zu fühlen. War sein Ruf inzwischen derart ruiniert? Holmes hatte in letzter Zeit mehrfach etwas Ähnliches angedeutet, aber Connor hatte diese Bemerkungen ignoriert. Es war ihm egal. Er dachte schlecht über die Presse, und die Presse dachte schlecht über ihn. Na und! Vielleicht war diese Gleichgültigkeit tatsächlich ein Fehler gewesen? Nun denn, dann würde er sich jetzt eben bemühen, diesen Schnitzer zu korrigieren.
„Sie haben hoffentlich nichts dagegen, dass ich unser Gespräch aufzeichne?“, fragend blickte sie ihn an und zog vorsichtig ein kleines Aufnahmegerät aus ihrer Tasche. Aha, jetzt kommt sie zur Sache, dachte Connor amüsiert.
„Natürlich nicht“, er nickte zustimmend. „Tun Sie, was immer Sie tun müssen.“
Sie blickte ihn herausfordernd an und spielte unbewusst mit einer Haarsträhne.
„Hassen Sie Reporter?“
Connor lachte auf. Mit dieser Frage hatte er nun wirklich nicht gerechnet, aber er musste zugeben, sie hatte durchaus ihre Berechtigung. Dann wurde er ernst.
„Vielleicht“, gab er zu. „Ab und an ist das wohl so. Allerdings ist ‚hassen‘ ein sehr starkes Wort. Ich würde eher sagen, ich kann einige Vertreter dieses Genres nicht besonders gut leiden. Reicht Ihnen diese Antwort?“
„Gilt das auch für mich? Das macht es nicht unbedingt leicht, ein angenehmes Interview zu führen.“
„Ich denke, das sage ich Ihnen nach unserem Gespräch oder besser noch, nachdem ich Ihren Artikel über mich gelesen habe.“
Allmählich bekam er Spaß an der Sache.
„Nun gut“, tastete sie sich vor und lächelte ihn auf eine so bezaubernde Art an, dass er spontan zurücklächelte. „Dann besteht ja noch die Hoffnung, dass wir ein gutes Interview zustande bringen.“ Sie nippte zaghaft an ihrem Saft. „Werfen wir also einen Blick auf Ihre unglaubliche Karriere, Mr. Leary. Was war Ihrer Meinung nach entscheidend für Ihren beruflichen Werdegang?“
„Das ist im Grunde ganz einfach. Ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort und habe die passenden Worte gefunden“, Leary zuckte mit den Schultern. „So war es tatsächlich. Ich habe als Student in den Filmstudios gejobbt, Kabelrollen getragen und anfallende Hilfsarbeiten erledigt. Dann sprang ein Darsteller kurzfristig ab. Scheinbar entsprach ich optisch der Vorstellung des Regisseurs, denn er schlug mich als Ersatz vor. Es folgten ein kurzes Gespräch und einige Probeaufnahmen, und schon nahm eine neue Hollywoodkarriere ihren Anfang. Ganz unspektakulär, nicht wahr. Ich hoffe, Sie sind jetzt nicht enttäuscht.“
„Keineswegs“, Emily schüttelte den Kopf. „Es klingt doch recht aufregend, wenn es wahr ist. Allerdings dachte ich bislang, solche Geschichten wären Erfindungen von einfallsreichen Managern.“
„Ich kann Ihnen versichern, so fantasievoll ist mein Manager in diesen Dingen nicht. Sie können mir also glauben. In Hollywood ist manches möglich.“
„Was bleibt mir anderes übrig?“, lächelte sie. „Aber lassen Sie uns über Ihren nächsten Film ‚21 Clans‘ sprechen. Es heißt, Sie werden einen Freiheitskämpfer spielen, der im 14. Jahrhundert in Schottland gelebt hat. Liegen Ihnen historische Heldenrollen besonders oder würden Sie gerne einmal einen richtigen Bösewicht verkörpern?“
„Ja, die Schurkenrolle würde mir in der Tat Spaß machen“, grinste Connor, „aber leider scheine ich diesem Typus nicht zu entsprechen.“
„Der Vorstellung, die man von einem leidenschaftlichen Liebhaber und Helden hat, wohl eher, wie es scheint?“, Emily blickte ihn fragend an.
„Meinen Sie?“, Connor fand Gefallen daran, sie ein wenig in Verlegenheit zu bringen. „Es ist halt das, was der Zuschauer in mir sehen möchte. Ob es der Realität entspricht oder nicht, ist dabei völlig unerheblich. Schließlich lebt Hollywood in erster Linie vom schönen Schein.“
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