Cordelia und ihre einstige große Liebe traten ein. Cordelia umarmte sie herzlich. Sie waren sich in den letzten Wochen näher gekommen und Freundinnen geworden.
Dorian begrüßte sie zurückhaltend. Wie immer wirkte er in ihrer Gegenwart beklommen. Eleonora entschied, es einfach nicht zu beachten.
»Ich bin froh, dass ihr hier seid.« Sie drückte warmherzig seinen Arm und lächelte ihn freundlich an.
Es war nicht so, dass er sie nicht mehr mochte. Eleonora war mit ihrer sanften, hilfsbereiten Art durchaus liebenswert.
Er hatte Angst, sie wieder zu nah an sich heranzulassen. Dorian wollte in ihr keine Hoffnungen wecken, auf ein Neuerwachen ihrer Liebe.
Besonders jetzt nicht, wo er seiner Seelenverwandten Inoa wieder begegnet war. Er würde nie wieder eine andere Frau als sie lieben können, da war er sich völlig sicher.
Eleonora sah es in seinen Augen. Doch es war lange her, dass er sie verlassen hatte und der Schmerz hatte seine Schärfe verloren. In ihr war nur ein Hauch von Wehmut zurückgeblieben.
»Nun, da wir alle zusammen sind, möchte ich sofort aufbrechen und zum Kloster gehen.« Cordelias Ungeduld war greifbar. Sie sah die beiden anderen erwartungsvoll an.
Dorian war es gleichgültig. Heute, morgen, es spielte keine Rolle. Früher war ihm lieber als später. Er zuckte die Schultern. »Von mir aus, können wir los.«
Nun sahen beide Eleonora an und die befiel wieder ein Gefühl dumpfen Unbehagens. Was sollte sie sagen? Ihr wäre es am Liebsten gewesen, sie würden, diesen Ort verlassen und nie wieder hierher zurückkehren.
Sie spielte kurz mit dem Gedanken, die anderen hier zu verlassen. Dorian war jetzt da. Er und Cordelia hatten dasselbe Ziel. Eleonoras Anwesenheit war nicht weiter von Nöten.
Doch sie zögerte. Sie wusste nicht, wohin sie gehen sollte. Sie hatte im Gegensatz zu den Beiden kein Ziel, keinen Plan. Vor ihr lag nur die Einsamkeit ihrer Unsterblichkeit. Sie gab sich einen Ruck und wischte ihre Bedenken beiseite.
»Dann los. Gehen wir.«
So fuhren sie die kurze Strecke zu dem alten Kloster, dass in der Dunkelheit, wie ein Ungeheuer längst vergangener Zeiten vor ihnen aufragte. Als sie die steinernen Stufen zum Haupttor hochstiegen, verwandelte sich Eleonoras Beklommenheit in dumpfe Angst.
Sie schalt sich selbst eine Närrin. Das waren Menschen da drinnen. Keiner von ihnen, ja sie alle zusammen, konnten es mit drei Vampiren aufnehmen. Ihr Verstand sagte ihr, dass ihre Angst lächerlich war und sie behielt ihre Gedanken für sich.
Auf Cordelias energisches Klopfen wurde das Tor geöffnet. Der Bruder Pförtner erkannte sie und bat sie lächelnd herein. Sie warteten in dem überdachten Vorhof, während er Abt Viral holte.
»Ah, ihr seid zurück und wie ich sehe, habt ihr uns einen neuen Gast mitgebracht. Sie müssen Dorian sein.« Abt Viral kam mit ausgebreiteten Armen auf sie zu, um sie zu begrüßen. Das breite Lächeln, das er aufgesetzt hatte, erreichte seine Augen jedoch nicht.
Aber das schien nur Eleonora aufzufallen.
»Wir sind eben angekommen«, begann Cordelia. Sie war aufgeregt und man merkte es ihr an. »Mein Bruder ist jetzt hier, Abt Viral. Können sie uns noch heute, jetzt gleich, zu dem Tor, das in die Vorwelt führt, bringen?« Cordelia war stets direkt. Es fiel ihr so nah am Ziel schwer, ihre Ungeduld zu zügeln.
Der Abt schien zu überlegen, doch dann lächelte er verbindlich. »Warum nicht. Die Nacht ist ein guter Zeitpunkt, um das Tor zu öffnen. Bitte folgt mir.« Er griff sich eine Öllampe und zündete sie an. »Es gibt keine Elektrizität hier«, erklärte er entschuldigend.
Viral führte sie in das Refektorium und von dort in einen langen Gang. Er öffnete eine Tür und dahinter lag eine steile Treppe, die in den Keller des Klosters führte. Sie schien ihnen endlos, als sie sie hinabstiegen und Eleonora hatte das Gefühl, als würden sie in den Bauch eines Ungeheuers gezogen.
Am Ende der Treppe gelangten sie in einen höhlenartigen Gang, dessen steinerne Wände schienen, als wären sie direkt aus dem Berg herausgehauen.
Der Gang mündete in einen großen ovalen Raum. Der Abt stellte die Lampe ab und machte die Fackeln an den Wänden an. Es herrschte eine düstere Atmosphäre hier. Eleonora schauderte, als sie sich umblickte. Der Raum war unmöbliert, bis auf einen kleinen Tisch, der am Eingang stand.
»Stellt euch hier hin«, sagte der Abt und deutete auf die Mitte des Raumes. Dann trat er hinter sie. Eleonoras Nackenhaare sträubten sich, als er anfing, seltsame Formeln zu murmeln.
Zuerst geschah gar nichts. Dann wurde ein kühler Luftzug spürbar und der Boden fing an zu leuchten. Kleine Flämmchen züngelten hoch und Dorian, der sich umsah, bemerkte dass die Flammen um sie herum einen Ring bildeten. Abt Viral klatschte in die Hände und zischte das letzte Wort: »Beschin.«
In dem Moment schossen die Flämmchen zu mannshohen Flammen auf, von denen sie nun eingeschlossen waren. Sie fühlten sich nun alle unbehaglich und sahen sich beunruhigt um. Abt Viral stand außerhalb des Flammenringes und ließ nun ein meckerndes Lachen hören.
Das war zuviel. Die drei Vampire machten einen Schritt auf die Flammen zu, in Richtung der Tür durch die sie diesen Raum betreten hatten. Doch das Feuer fuhr wütend in die Höhe und bildete eine undurchdringliche Wand vor ihnen.
Noch bevor sie überlegen konnten, was sie tun sollten, bildete sich dichter Rauch um sie herum. Sie husteten und ihre Augen tränten.
Plötzlich wurde schemenhaft eine Gestalt in den Rauchwolken sichtbar. Sie versuchten zu erkennen, wer da bei ihnen war. Langsam nahm die Gestalt immer mehr Form an. Als sie sich so verdichtet hatte, dass auch das Gesicht erkennbar wurde, streckte das Wesen eine Hand aus und schleuderte Dorian feinen Staub ins Gesicht.
Cordelia und Eleonora, fingen ihn auf, als er bewusstlos zu Boden sackte.
Noch bevor die beiden Frauen reagieren konnten, wurden sie angegriffen. Es waren ein Dutzend Mönche, die in den Raum eindrangen und versuchten sie zu überwältigen.
Die Vampirinnen kämpften mit ihnen und es sah so aus, als würden sie gewinnen.
Da trat Abt Viral an Cordelia heran und drückte ihr eine Handvoll scharf riechenden Pulvers an Nase und Mund. Sofort wurde sie von bleierner Müdigkeit erfasst und während sie darum rang nicht das Bewusstsein zu verlieren, wandte sich die Gestalt im dichten Rauch ihr zu.
Cordelia glaubte, ihren Augen nicht zu trauen. Es war Siegbert, der da vor ihr stand.
Sie sah, wie er den schlaffen Körper ihres Bruders mit sich zog, ihn festhielt und etwas unverständliches murmelte.
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