Ciao Calotta
Sabine Scherer
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© 2015 Sabine Scherer
Schließe für einen Augenblick die Augen und stelle dir vor:
Wir sind in Venedig.
In Venedig, der Perle der Adria.
Kommt man mit dem Auto oder dem Flieger in Venedig an, so steigt man an der Haltestelle Piazzale Roma in eines der Vaporettos. Der Fernbahnhof Santa Lucia liegt eine Haltestelle weiter. Entweder wählt man die Strecke am Canale Grande entlang oder die kürzere Strecke über Tronchetto, Giudecca zu San Zaccaria.
Mit Vaporetto werden die in Venedig als öffentliches Verkehrsmittel genutzten Schiffe bezeichnet. Die besonderen Verhältnisse der Lagunenstadt bringen es mit sich, dass man zur Fortbewegung im Wasser Boote entwickelte.
Früher bevorzugte man Gondeln, die reichlich verziert waren. Das Ferro, der Schmuck einer Gondel am Bug, symbolisiert am Oberteil die Dogenkappe. Die sechs vorderen Spornedie symbolisieren die sechs Stadtteile Venedigs: Cannaregio, Castello, Dorsoduro, San Marco, San Polo und Santa Croce. Der siebte nach hinten weisende Sponedie symbolisiert die Insel Giudecca. Noch heute sieht man die Gondeln auf den Kanälen mit trällernden Gondolieren dahingleiten. Liebespaare schätzen die romantische Fahrt mit einer Gondel bei Mondschein.
Man sollte den Weg über den Canale Grande wählen. Er ist das bezauberndste Spektakel der Welt. Die prachtvollen und von Geheimnissen umwitterten Paläste reihen sich aneinander und werden zärtlich vom Wasser an ihren Holzpfählen umspielt. Die Boote sehen aus, als wären sie als Dekoration darauf arrangiert worden.
Vorbei an dem Palazzi Vendarim, in dem Richard Wagner die letzten Monate seines Lebens verbrachte, der Kirche San Stae und dem Goldenen Haus, genannt Ca’doro, dem Fischmarkt und seinen vielen Weinbars.
Die Fahrt geht weiter zur Rialtobrücke. Hier schlägt das Herz Venedigs. Früher war sie aus Holz, heute ist sie aus Stein. Ein Souvenirladen reiht sich neben dem anderen. In der Nähe liegt ein nettes Hotel, das Malibran. Es hat einfache und saubere Zimmer. Im Erdgeschoss gibt es ein kleines Restaurant mit typisch venezianischer Küche. Gegenüber dem Hotel ist das Theater Malibran. Benannt nach der Opernsängerin Maria Malibran. Früher stand hier das Haus von Marco Polo. Zwei Gedenktafeln weisen darauf hin.
Nicht weit entfernt findet man bei der hölzernen Accademiabrücke den Palazzo Grassi, ehemals das berühmte Badehaus Degli Antoni, heute von der Fiatstiftung erworben und restauriert. Der Palazzo Vernier-Leonie alias Peggy Guggenheim Museum und das Casa Rezzonico schließen sich dort an. Der kleine, weiße Palazzo Contarini-Fasan gehörte der schönen Desdemona, der Frau von Othello.
Die wunderschöne Salute Kirche steht auf der einen Seite des Ufers, auf der anderen Uferseite finden wir die legendäre Harry’s Bar.
Der Campanile auf der Piazza San Marco mit dem Uhrturm, der Basilika San Marco und dem Dogenpalast scheinen eigens dazu erschaffen, eine Theaterbühne zu sein, die ständig irgendeine Vorstellung darbieten könnte.
Die Seufzerbrücke und der Kerker grenzen an die Piazza. Hier sind die berühmten Bleikammern aus denen der legendäre Giacomo Casanova ausbrach.
Ein Stückchen weiter sieht man das mondäne Hotel Danieli und die Anlegestelle für die Schiffe, die einem zum Lido, nach Sankt Michele, Murano, Burano, Chioggia und Punta Sabbioni bringen.
Geht man über eine weitere Brücke, sieht man das Arsenale. Biegt man in die Via Garibaldi ein, so kommt man zum Giardini Pubblici und hat von dort einen traumhaften Ausblick auf die Lagune.
Venedig ist wunderbar und fasziniert mit seinen engen Gässchen, den vielen belebten Campos und den sich schlängelnden Kanälen.
In Venedig gibt es wunderschöne Cafés. Ein bezauberndes Café liegt gegenüber der Frarikirche. Kurz über eine kleine Brücke und schon steht man davor. Im Inneren sind wunderschöne Gemälde und die heiße Schokolade ist ein Gedicht.
Einer meiner Lieblingsspaziergänge führt mich zum Campo San Polo. Dort befindet sich gegenüber der Kirche ein kleines Lokal mit guter Küche und vernünftigen Preisen. Ab und zu kommt ein Musiker mit einer Quetschkommode vorbei und singt herrlich schmalzige Lieder.
Von dort aus geht es weiter zum Campo Santa Margherita in Richtung Gesuati-Kirche. Dort wird einem ein herrlicher Ausblick auf die Insel Giudecca geboten.
Natürlich gibt es noch vieles mehr zu entdecken, wie das Theatro la Fenice, den Schneckenturm, das Fondamente nuove, die Einkaufsstraße Strada Nuova, San Zulian, …
In Venedig findet man, wie in jeder grösseren, italienischen Stadt, kleine, feine Geschäfte, zum Einkaufen.
Jetzt habt ihr einen kleinen Eindruck von Venedig gewinnen können. Aber wer bin ich?
Mein Name ist Calotta. Ich wohne mit meinem Vater in einem Palazzo nahe der Frarikirche. Mein Vater ist mit seinen fast 70 Jahren ein beliebter Dottore.
Ab und zu begleitete ich ihn. Oft sind Patienten dabei, bei deren Anblick ich erschrecke. Haben sie doch gar nichts mehr mit der Person gemein, die ich von früher kenne. Das Gesicht ist grau und von vielen Falten durchzogen, der Körper abgemagert. Sie wirken kraftlos und desinteressiert. Ich schaue in unruhige Augen und bemerke den gehetzten Blick.
Mein Vater hat festgestellt, dass oft Über- oder Unterforderung, also Stress für unseren Körper, immer mehr zunimmt und sich daraus schwere Krankheiten entwickeln können. Seine jüngste Patientin ist gerade 14 Jahre. Er hat von Kollegen in fernen Ländern gehört, die Möglichkeiten gefunden haben, Stress zu mindern und ihn auch beseitigen können.
Ich gehe zur Biblioteca Marciana am Markusplatz. Vielleicht finde ich dort Aufzeichnungen oder ein Buch über Stress. Nach kurzer Zeit habe ich ein passendes Buch gefunden und leihe es mir aus. Mit dem Buch unterm Arm trete ich den Heimweg an. Mein Weg führt mich zum Campo San Bartolomeo, er liegt in der Nähe der Rialtobrücke. Ich setze mich in ein kleines Café mit bequemen Rattansesseln, trinke einen Espresso, genieße die Sonne und blättere in dem Buch.
Das Wort Stress kommt aus dem englischen und bedeutet: ein Material belasten, bis es bricht. Beim Menschen lässt sich die Belastungsfähigkeit nicht so einfach feststellen.
Hans Seyl hat den Begriff Stress auf den Menschen übertragen. Er definiert Stress als Spannung , die durch einen Reiz hervorgerufen wird. Zum Beispiel: eine Hochzeit, ein Sportereignis, ein langersehntes Date oder eine schwierige Aufgabe. Stress kann also auch positiv sein. Ganz ohne Spannung wäre das Leben langweilig. Es gäbe weder Herausforderungen noch Erfolgserlebnisse. Es wäre wie das Salz in der Suppe. Zuwenig ist fade und zuviel schmeckt uns nicht.
Heute meinen wir bei dem Wort Stress meistens den negativen Stress (Distress). Distress setzt den Organismus eines Menschen in einen physischen Alarmzustand. Der Herzschlag steigt an, das Herz wird besser durchblutet, auch der Blutdruck steigt. Die Bronchien sind erweitert, die Atmung wird schneller, mit der Folge von erhöhter Sauerstoffaufnahme. Die Skelettmuskulatur ist besser durchblutet, die Spannung in den Muskeln erhöht. Die Zuckerreserven werden zum Verbrauch durch das Blut für das Gehirn bereitgestellt, Fettsäuren werden freigesetzt und zur Verbrennung in den Muskeln in das Blut abgegeben. Es kommt zu vermehrtem Schwitzen. Die Wahrnehmungsfähigkeit aller Sinne erhöht sich. Die Pupillen sind erweitert. Die Blutgefäße des Gehirns werden genauso wie die Gefäße des Herzens erweitert. Unser Hirn erzeugt Betawellen (30 Schwingungen, normal sind 14 bis 20 Schwingungen).
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