Ian Christe - Höllen-Lärm

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Ozzy Osbourne ist an allem schuld. Hätten Ozzy und seine Band Black Sabbath nicht Ende der Sechziger den Heavy Metal erfunden, hätte es auch nicht all die langhaarigen Gitarrenschwinger mit Leder- oder Spandexhosen gegeben, die bereits vor zwanzig Jahren mit ihren Tätowierungen schockierten. Derart raue, ruppige und verstörende Sounds hatten die Rockhörer vorher noch nie über sich ergehen lassen müssen. Kein Wunder, dass diese neue Musik das Lager der Fans spaltete: Was den einen als aggressiver Lärm mit oft frauenverachtenden oder gewaltverherrlichenden Texten erschien, bot Liebhabern des Genres die Chance, in eine eigene und bei aller Ruppigkeit ausgesprochen geheimnisvolle Welt mit eigenen Regeln und Gesetzen abzutauchen. Mit «Paranoid», dem Metal-Klassiker, der im August 1970 ein neues musikalisches Zeitalter einläutete, begann die wechselvolle Geschichte des Heavy Metal, der sich über dreißig Jahre hinweg in höchst unterschiedlichen Ausprägungen manifestierte und in unzählige Subgenres zerteilte – dabei von den Kritikern gehasst und von den Fans geliebt. In Höllen-Lärm geht Ian Christe all diesen Entwicklungen nach: Von den Gründervätern Black Sabbath ausgehend, begibt er sich auf die Zeitreise zu Helden der Siebzigerjahre wie AC/DC, Judas Priest oder Kiss und schließlich zum Glitzermetal der Achtziger, als plötzlich mit Bands wie Mötley Crüe und Ratt Haarspray und Klamotten wichtiger zu sein schienen als der harte Sound. Spannend ist vor allem auch seine Bewertung der jüngsten Metal-Geschichte: Wie Heavy Metal durch den Kontakt mit Rap und HipHop nach einer Flaute Mitte der Neunziger als Nu Metal auferstand und zudem seinen traditionellen Sound in noch düsterere und noch härtere Gefilde transformierte. Ian Christe führte mehr als einhundert Interviews mit den Musikern von Black Sabbath, Metallica, Judas Priest, Twisted Sister, Slipknot, Kiss, Megadeth und all den anderen Major Players der Szene. Daraus entstand ein Werk, dessen Ausführlichkeit und Szenekenntnis kaum zu übertreffen sein dürfte. Selbst unübersehbar Fan des Höllenlärms, über den er schreibt, liefert Ian Christe dennoch die objektive Analyse einer Musikszene, die von den Medien ebenso wie von der etablierten Musikkritik nach wie vor gern ignoriert wird.

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Impressum

© alle Fotos, falls nicht anders gekennzeichnet, beim Autor

Titel der Originalausgabe:

Sound of the Beast – The Complete Headbanging History of Heavy Metal

Copyright © 2003 by Ian Christe

Published by HarperCollins Publishers Inc., New York

3. Ausgabe 2013

© 2013 der deutschen Ausgabe:

Koch International GmbH/Hannibal, A-6600 Höfen

www.hannibal-verlag.de

Published by arrangement with HarperEntertainment a division of HarperCollins Publishers, Inc.

Lektorat: Kirsten Borchardt

Ebook: Thomas Auer, www.buchsatz.com

ISBN 978-3-85445-413-7

Auch als Paperback erhältlich: ISBN 978-3-85445-402-1

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt

und darf ohne eine schriftliche Genehmigung nicht verwendet oder reproduziert werden.

Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen und die Einspeicherung und Ver arbeitung in

elektronischen Systemen.

Inhalt

Prolog • Freitag, 13. Februar 1970

I Die Siebzigerjahre: Auftakt zur Härte

II England rockt hart: die New Wave of British Heavy Metal

III 1980: Die amerikanische Einöde wartet

IV Heavy Metal America: bunte Bühnen, bunte Bilder

V Fans im Fieber:Metallica & Power Metal

VI Slayer: die Könige der Black-Metal-Teufel

VII Die Zensur schlägt zu: Anti-Metal-Panik in den USA

VIII Rattleheads:Metal wird manisch

IX Volle Kraft voraus: Thrash Metal greift an!

X Die Glambanger aus Hollywood

XI Vereinte Kräfte:Metal und Hardcore Punk

XII Und Platin für „One“ … Metal wird erwachsen

XIII Der große Wandel in den Neunzigern: das Schwarze Album & was sonst geschah

XIV Death Metal – die Erlösung?

XV World Metal: die Globalisierung des Heavy Metal

XVI Brennende Kirchen: Black Metal in Norwegen

XVII Satan vor Gericht: Im Namen des Volkes gegen Heavy Metal

XVIII Das Anti-Metal-Zeitalter: neuer Haarschnitt, neue Wurzeln

XIX Der virtuelle Ozzy & die digitale Erneuerung des Metal

XX Zurück auf dem Thron: Headbanger an der Macht

Epilog • 2001: Unbesiegbar und immer wiederkehrend

Nachwort

Die 25 besten Heavy-Metal-Alben aller Zeiten

Das Kleingedruckte – Metal-Charts

Seid gegrüßt

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Prolog : Freitag, 13. Februar 1970

Am Anfang waren die düsteren Weiten des Nachthimmels und des Unbe­kannten. Die ungelüfteten Geheimnisse der Geschichte wirbelten dort in Besorgnis erregender Besinnungslosigkeit umher, belebt durch Kräfte so alt wie die Zivilisation selbst – rauchig, silbrig, religiös und dunkel. Diese starken Strö­mungen lagen oft still und vergessen da, bis sie ihre entsetzliche Macht in Zei­ten des Kriegs, der Krise und des Aufruhrs entfesselten. Sie besaßen keinen eige­nen Sound und keine eigene Definition, bis sie gebändigt und unterworfen wurden durch das Erscheinen von Black Sabbath – den weisen Unschuldigen, den Erfindern des Heavy Metal.

Von Anfang an brachten Black Sabbath eine kraftvolle, leidenschaftliche Einstellung zum Ausdruck, wie sie sonst in der Öffentlichkeit nicht geäußert wurde. Sie waren Propheten, aufgewachsen auf der Schattenseite der englischen Gesellschaft, unter Arbeitslosen – Menschen, die als moralisch zweifelhaft und als Leute von minderem sozialem Wert galten. Alle vier Mitglieder wurden 1948 beziehungsweise 1949 im englischen Birmingham geboren, einer herunter­gekommenen Industriestadt, die sich schwer tat in einer Zeit, in der die Indus­trie längst nicht mehr der Stolz Europas war. Sänger John Michael Osbourne alias Ozzy, eins von sechs Kindern und bereits wegen Diebstahl verurteilt, arbei­tete gelegentlich in einem Schlachthof. Gitarrist Tony Iommi, der ständig zu Streichen aufgelegte Sohn eines Süßwarenladenbesitzers, hatte sich bei einem Unfall in einer Metallwerkstatt zwei Fingerkuppen der rechten Hand abgehackt. Der eigenwillige Bassist der Band, Terry „Geezer“ Butler, war für seine extra­vaganten grünen Secondhandklamotten bekannt. Schlagzeuger Bill Ward kam aus rasender Verzweiflung zur Musik, wie er selbst das einmal formulierte; ein Umstand, der sich an der eleganten Unordnung seines Spiels durchaus ablesen ließ. Die vier wuchsen in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg auf, umgeben von dem Schutt und den Trümmern, welche die massiven Bombenangriffe der Nazis hinterlassen hatten. In der Welt, die man ihnen überließ, schien eine Kar­riere als Außenseiter und Abenteurer das einzig Sinnvolle.

Unter dem Namen Polka Tulk, den sie einem Birminghamer Teppich­händler abgeguckt hatten, schlugen Ozzy und die anderen den Weg ein, wie ihn Bands wie die Yardbirds, Ten Years After und Cream vorgezeichnet hatten: Sie spielten endlos und schön laut die Standardnummern amerikanischer Blues­musiker. Deren melancholischer Sound wandelte sich allerdings drastisch auf seiner Reise von Birmingham, Alabama, nach Birmingham, England – nun wurden die traurigen Töne durch industrietaugliche Verstärker und die Dro­genszene der späten Sechzigerjahre grotesk verzerrt. Nachdem sie ihren Namen in Earth geändert hatten, erlangte das Quartett durch seine die Sinne betäu­bende Lautstärke und Bühnenshow größere Bekanntheit.

Dann kam der Durchbruch – die spontane Entstehung des Songs „Black Sabbath“. Für die Band markierte er einen bedeutenden Neubeginn, und er sollte zur Grundlage des Heavy Metal insgesamt werden. Es war ein Song, der nur auf drei Tönen beruhte, zwei davon waren ein D. Der Erzähler berichtet darin mit Furcht erregender Angespanntheit vom Jüngsten Tag und keucht mit stocken­dem Atem: „What is this, that stands before me? Figure in black, which points at me … – Was ist das, was dort vor mir steht? Eine Gestalt ganz in Schwarz, die auf mich zeigt …“ Angetrieben durch surrendes Feedback verstärkt sich der Horror stetig und explodiert schließlich auf dem Höhepunkt der Anspannung, als der sich sträubende Protagonist vom Jüngsten Gericht verschlungen wird. Eine grausige Geschichte, die Edgar Allan Poe alle Ehre gemacht hätte, erzählt mit Gitarren, Schlagzeug und einem knackenden Mikrofon.

Mit seiner Ehrfurcht erregenden Kraft nahm „Black Sabbath“ das Publi­kum sofort gefangen. Der Song hatte eine unumkehrbare Wirkung auf die Band, die in ihrer drogenverklärten Unschuld plötzlich das Gefühl hatte, ihren Händen sei durch eine unsichtbare Macht Genialität verliehen worden. Auf diese Weise inspiriert, erhob sich das Ensemble bald über sein Umfeld, ließ den Rock ’n’ Roll hinter sich und begann sich den jüngsten musikalischen Befreiungsschlägen von Musikern wie beispielsweise Miles Davis zuzuwenden, die sich den starren Grenzen der Genres widersetzten. Gemeinsam mit dem unheilvollen „Warning“, einem Jam, den sie von der hippen Bluesgruppe Ayns­ley Dunbar’s Retaliation übernommen hatten, wurde „Black Sabbath“ zum Kernstück eines neuen Sounds, zum Grundsignal einer akustischen Todesangst, die es notwendig machte, dass sich die Band in Black Sabbath umbenannte.

Tony Iommi, der mit beiden Beinen fest auf dem Boden der ihn umgeben­den Welt stand, nahm die Musik der Vergangenheit, ohne sich allzu sehr um Tra­dition zu kümmern, und spielte sich mit eigenem Rhythmus und eigener Finesse durch die Bluestonleitern. Damit er die Gitarrensaiten ausdrucksvoll dehnen konnte, ohne dass ihn die gekappten Fingerkuppen schmerzten, stimmte sich die Gruppe auf tiefere Tonarten ein. Die zeitlose Spannung, die seine meister­haften Töne erzeugten, verlieh Black Sabbath geniale Tiefe. So entstand aus Not, beinahe zufällig, ein überwältigender Sound. Aus einer Deformierung ergab sich eine merkwürdige Schönheit – und eine Verbindungslinie von dem Gittaristen mit den drei Fingern zu dem Zigeuner Django Reinhardt, der eine von Iommis zahlreichen ungewöhnlichen Inspirationsquellen darstellte.

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